Herr Schulz, sind Sie eine Allzweckwaffe?
(lacht) Ich hab natürlich schon auf vielen Positionen gespielt. Vielleicht bin ich eine Allzweckwaffe für die Defensive und da auch eher für den linken Bereich. Es ist also doch eingeschränkt.
Sie sind in der Werder-Jugend eher als Offensivkraft aufgebaut worden und von Jahr zu Jahr weiter in die Defensive gerückt. Was nehmen Sie aus dieser Entwicklung mit in den Profialltag?
Vor allem das Wissen, wie man sich auf den unterschiedlichen Positionen zu verhalten hat. Natürlich kann man die Jugend nicht mit der Bundesliga vergleichen, aber das Grundsätzliche kriegt man mit auf den Weg.
Für Sie muss es doch ein Vorteil sein, in der Offensive gespielt zu haben. Einfach, weil Sie das Verhalten der Angreifer besser antizipieren können als andere.
Das ist im Kopf schon ein bisschen mit drin, aber jeder Stürmer ist ein anderer Spielertyp, eine eigene Persönlichkeit. Alle haben andere Laufwege. Da hilft es nicht ganz so viel, selber mal offensiv gespielt zu haben. Man muss sich mit dem Stürmer näher auseinandersetzen – das dauert immer eine gewisse Zeit. Aber bis jetzt habe ich meinen Gegenspieler noch immer gefunden (lacht).
In Bremen spielen Sie sowohl als Linksverteidiger als auch im linken Teil der Mittelfeldraute. In der U21 haben Sie auch schon in der zentralen Defensive gespielt. Was ist Ihnen am liebsten?
Am liebsten ist mir ein Platz im Mittelfeld, und das weiß der Verein auch. Aber natürlich nutze ich meine Chancen, die ich bekomme. Auf der linken Außenbahn, wo ich jetzt über drei Jahre im Profibereich gespielt habe und ja auch Nationalspieler geworden bin, fühle ich mich auch ganz wohl. Aber letztendlich gilt: über kurz oder lang will ich mich im Mittelfeld etablieren.
In der Hinrunde haben Sie 13 Bundesligaspiele und 3 Einsätze in der Champions League absolviert. Sind Sie mit Ihrem persönlichen Saisonverlauf zufrieden?
Der Start ist recht holprig verlaufen. Die ersten Spiele sind nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt hatte. Danach wurde es dann eigentlich okay. Ich bin aber zufrieden, da ich auch mal meine Chance im Mittelfeld bekommen habe.
Gegen Frankfurt und Wolfsburg haben Sie wieder für Pierre Womé in der Abwehrkette gespielt. Wie zuversichtlich sind Sie, dass am ersten Rückrundenspieltag in der Anfangself stehen?
Ich bin sehr zuversichtlich. Ich muss in der Vorbereitung zusehen, dass ich meinen Platz im Training immer wieder mit guten Leistungen beanspruche. Und es ist nun mal so, dass hinten links die größte Möglichkeit besteht, ins Team zu rücken. Im Mittelfeld herrscht ein enormer Konkurrenzkampf – da spielen einfach noch mal zwei, drei Spieler mehr auf sehr hohem Niveau.
Sie sind so etwas wie der bodenständige Gegenentwurf zu Spielern wie Womé.
Meine Spielweise ist sicherlich nicht spektakulär. Aber ich habe immer meine Aufgaben erfüllt, die der Trainer mir aufgetragen hat. Letztendlich habe ich am Ende immer wieder gespielt. Von daher denke ich, dass das Spektakuläre am Anfang zwar immer etwas hervorgehoben wird, sich am Ende aber immer Kontinuität und Leistung durchsetzen. Das sieht man seit drei, vier Jahren.
Sie haben in den letzten Jahren auf Ihrer Position viel Konkurrenz gehabt. Konkurrenz belebt das Geschäft.
Der Spruch kommt natürlich sehr häufig. Gerade bei Vereinen, die etwas höher spielen. Da ist dann auch das Geld da, um einen gewissen Konkurrenzkampf zu schüren. Bis jetzt hat es sich für mich immer positiv ausgezahlt – auch dadurch, dass ich vom Verein auf meiner Position immer neue Reizpunkte gesetzt bekommen habe. Dadurch konnte ich meine Entwicklung immer weiter nach oben treiben. Insofern ist schon etwas Wahres dran, dass Konkurrenz das Geschäft belebt. Allerdings muss man auch zusehen, dass man die Spieler bei Laune hält. Wenn der Verein den Konkurrenzkampf möchte, dann müssen sich die Verantwortlichen darüber Gedanken machen.
Sie sind noch jung und trotzdem schon ein Urgestein und dienstältester Werderaner – wann werden Sie Führungsspieler?
Man wächst da allmählich rein – es kommt immer mehr. Wir haben aber Spieler in den Reihen, die mir da Einiges voraushaben. Die Nationalspieler zum Beispiel. Aber ich fühle mich wohl in der Mannschaft und weiß, dass mein Wort auch was zählt. Ich bin auf einem guten Weg zum Führungsspieler.
Ist das ein Anspruch, den Sie an sich selbst haben?
Auf jeden Fall. Aber wie gesagt: Da wächst man rein. Mit 22 oder 23 ist man noch kein Führungsspieler. Das kommt erst ein paar Jahre später, wenn man sich über Jahre hinweg etabliert hat und die Mannschaft in- und auswendig kennt.
Das tun Sie doch jetzt schon.
Stimmt. Aber ich denke, dass es um einen Reifeprozess geht, den man in meinem Alter noch nicht abgeschlossen hat.
Kommen wir zur Nationalelf. Nach den drei Spielen, die sie 2004/2005 für die Nationalmannschaft gemacht haben, ist es relativ ruhig um Ihren Namen geworden. Sind Sie verheizt worden?
Verheizt nicht, nein. Aber für mich persönlich ging es einen Tick zu schnell. Bei Werder Bremen war ich noch nicht mal richtig etabliert und schon Nationalspieler. Jetzt würde ich sicherlich anders mit der Sache umgehen. Ich bin froh, dass ich die Chance bekommen habe, mich dort zu zeigen. Ich weiß jetzt, was man da alles erleben kann, und es ist natürlich auch wieder ein schönes Ziel für mich. Die Aufgabe wieder annehmen, um irgendwann wieder in den Reihen der Nationalmannschaft zu stehen.
Sind Sie vielleicht auch zu wenig spezialisiert, um sich für eine konkrete Position aufzudrängen?
Ja, natürlich. Viele legen diese Vielseitigkeit auch negativ aus. Und es ist auch so, dass ich mich in den nächsten Jahren auf eine bestimmte Position festlegen möchte, weil ich den Standpunkt schon häufiger gehört habe und auch vertrete. Aber momentan, als noch jüngerer Spieler, ist es eher ein positiver Faktor, dass man seine Einsätze bekommt, dass man sich in den Vordergrund spielt. In den nächsten zwei Jahren will ich mich festlegen und ins Mittelfeld vorrücken.
Gehen wir von Ihrer Stammposition auf der linken Abwehrseite aus. Wie realistisch sehen Sie Ihre Chancen auf eine Wiederkehr in die Nationalmannschaft? Immerhin machen auf dieser Position Philipp Lahm, Marcell Jansen und Christian Pander Ansprüche geltend.
Da schließt sich der Kreis: Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich sehe die Leistungen der Spieler, die in der Nationalmannschaft sind und versuche, das genauso zu bringen. Oder mich noch ein bisschen mehr in den Vordergrund zu spielen, so dass der Bundestrainer wieder auf mich zurückgreifen will.
Hatten Sie denn in der letzten Zeit Kontakt zu Jogi Löw?
Nein, das nicht. Aber im „kicker“ hat er meinen Namen erwähnt. In den Notizblöcken bin ich noch drin. Das hat mir Vertrauen gegeben. Jetzt heißt es: Warten und gute Leistung bringen.
Setzt man sich als junger Profi feste Punkte: Mit 25 bin ich Nationalspieler und mit spätestens 28 will ich ins Ausland?
Nein, man setzt sich in seiner Karriere keine festen Punkte. Es kommt so, wie es kommen muss. Sicherlich gibt es so ein paar Fixpunkte: Zum Beispiel, dass man eher ins Ausland geht, wenn man etwas älter ist. Ansonsten mache ich mich frei von solchen Dingen.
In einer Saisonkritik stand über Sie: „Schulle kommt – und funktioniert immer.“ Es ist ja durchaus eine Kunst, immer sofort da zu sein, wenn man eingewechselt wird. Wie halten Sie die Spannung?
Ich versuche im Training immer alles abzufordern, was ich auch im Spiel zeigen will und was ich da brauche. Das ist sicherlich ein großer Vorteil von mir – viele Spieler lassen sich da ein bisschen fallen, wenn sie ins zweite Glied gerückt sind. Formell ist das kein großer Unterschied für mich. Wenn ich spiele oder mal wieder eingewechselt werde, nachdem ich lange nicht mehr gespielt habe, versuche ich durch die Trainingseinheiten mein Pensum zu bringen und so zu agieren, als hätte ich die ganze Saison schon auf dem Platz gestanden.
Sie sind seit elf Jahren in Bremen und Ihr Leben lang in Niedersachsen. Brauchen Sie einen Tapetenwechsel?
Sicher wird es irgendwann interessant, sich etwas anderes anzugucken. Aber erstmal läuft mein Vertrag bis 2008. Ich muss sagen, dass es viele Vorteile hat, wenn man in Bremen aufgewachsen und zur Schule gegangen ist: Man hat viele Freunde, kennt die Stadt und den Verein auswendig. Das macht vieles leichter, aber letztendlich wird immer die sportliche Perspektive entscheidend sein. Sollte ich nicht so zum Zuge kommen, wie ich mir das vorstelle, müsste man sich zusammensetzen und weiter über die Zukunft reden.
Und wo soll’s dann hingehen?
Ich sag mal so: der nächste Vertrag wird wohl eher national sein. Mit 27 oder 28 kann man dann durchaus mal die Angebote aus dem Ausland ins Visier nehmen. Aber das ist in den nächsten zwei Jahren kein Thema.
Wagen wir einen Ausblick auf die Rückrunde. Im UEFA-Cup gilt Bremen nach der tollen Gruppenphase in der Champions League als Favorit auf den Titel. Wie geht die Mannschaft damit um?
Wir nehmen die Aufgabe an. Wir wissen auch, dass wir jetzt in einem Wettbewerb sind, in dem nicht die ganz großen Namen wie in der Champions League vertreten sind. Dort gibt es sicherlich noch vier oder fünf Vereine, mit denen Werder Bremen noch nicht konkurrieren kann, auch wenn wir das gegen Chelsea und Barcelona schon gut gemacht haben. Jetzt im UEFA-Cup rechnen viele mit uns – und zwar völlig zu Recht. Nach unseren guten Leistungen ist das kein Wunder. Wir werden uns von Runde zu Runde vorarbeiten und hoffen natürlich, am Ende den Pott in den Händen zu halten.
In der Champions League neutralisieren sich die Spitzenmannschaften taktisch oft. Kommt die etwas ungezwungenere Taktik im UEFA-Cup einer Offensivmannschaft wie Bremen zugute?
Ich glaube nicht, dass sich die Taktik in den zwei Wettbewerben groß unterscheidet. Die Mannschaften spielen allesamt auf hohem Niveau und da sind es nur noch Kleinigkeiten, die entscheiden. Wir müssen auf den Punkt fit sein, um Ajax zu schlagen.
Eine Prognose: Wird Werder Bremen dieses Jahr deutscher Meister?
Ja.
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Wird Bremen tatsächlich Meister? Eins steht fest: „Jedes Team braucht Sauhunde“, so Werders Co-Trainer Wolfgang Rolff. Das Interview mit ihm findet Ihr hier www.11freunde.de/bundesligen/19249 .