Axel Bellinghausen kam als 15-Jähriger zur Fortuna, mittlerweile ist er Co-Trainer der Profis. Im Interview erzählt er, warum er den Toten Hosen so dankbar ist, was er von Friedhelm Funkel lernen kann und wie man sich mit Fans am Würstchenstand anfreundet.
Axel Bellinghausen, Sie kamen als 15-Jähriger zu Fortuna Düsseldorf und haben mit dem Verein schöne, aber auch bittere Stunden erlebt. Die Saison 2002/2003, ihre erste in der ersten Mannschaft, gilt zum Beispiel als Tiefpunkt in der Vereinsgeschichte. Wie haben Sie persönlich die Zeit in der vierten Liga wahrgenommen?
Das klingt jetzt vielleicht blöd. Aber es war das Beste, was mir persönlich damals passieren konnte. Der Verein war kurz vor der Insolvenz, es stand Spitz auf Knopf. Da hat man Nachwuchsspielern wie mir eine Chance gegeben.
Der Mannschaft folgten tausende Fans zu den Oberliga-Auswärtsspielen. Die Kassenwarte der gegnerischen Klubs dürften sich gefreut haben…
Manche Vereine haben bei den Spielen gegen uns die Eintrittspreise um ein, zwei Euro erhöht. Fortuna in der Oberliga – das war schon eine ganze besondere Geschichte. Manchmal standen wir nach dem Spiel mit den Fans noch am Würstchenstand und haben ein Bier mit ihnen getrunken. Da bildeten sich persönliche Bekanntschaften, ja sogar Freundschaften, die bis heute Bestand haben.
Welchen Anteil hat die Band „Die Toten Hosen“, dass die Fortuna damals am Leben erhalten blieb?
Die Jungs haben uns extrem geholfen – nicht nur als Hauptsponsor, sondern auch weil sie die öffentliche Aufmerksamkeit auf uns gelenkt haben. Manchmal sieht man heute noch auf Konzerten oder im Stadion Leute in alten Trikots mit dem Band-Logo auf der Brust. Das weckt Erinnerungen. Deshalb freue ich mich auch so sehr, dass im Rahmen des Heimspiels gegen die Bayern diese Erinnerungen mit neuem Leben gefüllt werden und wir wieder mit einem Fortuna-Hosen-Trikot auflaufen. Was zur damaligen Oberliga-Zeit aber auch noch wichtig war: Die Hosen haben mit ihrem Engagement auf andere Druck ausgeübt, auch etwas dafür zu tun, dass der Verein nicht untergeht. Das alles ist gerade mal 15, 16 Jahre her. Jetzt spielen wir gegen den FC Bayern München – nicht anlässlich einer Stadioneinweihung, sondern bei einem Bundesliga-Heimspiel. Die Erinnerung an die Oberligazeit ist noch bei vielen im Verein, aber auch bei den Fans sehr präsent. Das sorgt für Demut bei allen Beteiligten.
Dabei steht Düsseldorf eigentlich für ganze andere Dinge …
… für Champagner, reiche Leute und teure Geschäfte auf der Kö. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Fortuna Düsseldorf ist ein Arbeiterverein. Wir sind sehr volksnah und versuchen den Leute in der Stadt zu vermitteln, dass wir nicht über den Dingen stehen. Wir beteiligen uns am Stadtleben und geben uns sehr umgänglich. Der Verein Fortuna Düsseldorf besticht dadurch, dass er so normal ist.
Ihr Ex-Verein FC Augsburg verfolgt eine ähnliche Vereinsphilosophie.
Ja, da gibt es deutliche Parallelen. Beim FCA weiß man auch nach acht Jahren in der Bundesliga noch, woher man kommt. Ich habe jedenfalls nicht gehört, dass sich seit meinem Wechsel nach Düsseldorf da etwas geändert hat. Der FC Augsburg zählt wie der SC Freiburg oder Mainz 05 zu den Positivbeispielen, die es geschafft haben, sich strukturell immer weiter zu vergrößern und sich in der Bundesliga zu etablieren – mit cleveren Transfers, aber auch aufgrund der Fähigkeit, Stürme über sich hinweg blasen zu lassen.
Sie haben zwar nie beim FC Bayern gespielt, trotzdem hat der deutsche Rekordmeister Ihr Leben nachhaltig verändert. Die Bayern holten im Oktober 2017 auf Wunsch von Ancelotti-Nachfolger Jupp Heynckes Düsseldorfs damaligen Co-Trainer Peter Hermann an die Isar. Sie durften den frei gewordenen Platz im Fortuna-Trainerteam einnehmen. Sind Sie der Bayern-Führung auf ewig dankbar dafür?
Ich finde, es besteht nicht zwingend Anlass dazu. Denn es waren ja nicht die Verantwortlichen beim FC Bayern, die erkannt haben, dass ich für diesen Job geeignet bin. Tatsächlich bin ich Friedhelm Funkel sehr dankbar dafür, dass er mir diese Chance gegeben hat. Es war seine Idee.
Sie selbst wurden von Funkels Vorschlag komplett überrascht…
Trainer zu werden, hatte ich damals wirklich nicht auf dem Schirm. Es sollte meine letzte Saison als Spieler werden. Ich hatte mir vorgenommen, mich im Winter intensiv mit der Frage zu beschäftigen, in welche Richtung es danach gehen soll. Dann kam Friedhelm Funkel auf mich zu und meinte, er würde was in mir sehen, was sein damaliger Trainer auch in ihm gesehen habe.
Und was war das?
Nichts Konkretes. Ich glaube, das war mehr so ein Bauchgefühl. Dass Friedhelm Funkel an mich als zweiten Co-Trainer hinter Thomas Kleine gedacht hat, war für mich auf jeden Fall ein riesiger Vertrauensbeweis.
Und wie fühlt es sich nach zwei Jahren als Co-Trainer an?
Großartig. Ich habe festgestellt, näher komme ich an die Jungs nicht mehr ran, als täglich mit ihnen auf der Wiese zu stehen. Das gibt mir sehr viel.
Im Mittelpunkt steht immer der Cheftrainer. Wird in der Öffentlichkeit die Rolle der anderen Mitglieder des Trainerteams unterschätzt?
Ich finde, da hat sich in der Wahrnehmung schon viel verändert – was auch daran liegt, dass die Cheftrainer immer wieder auf die Leistung des gesamten Trainerteams hinweisen. Früher kannte man die Namen der Co-Trainer doch nicht. Heute ist schon der eine oder andere bekannt. Andererseits sieht man nicht einmal als Spieler, was alles dahinter steckt. Ich weiß noch, wie ich als Co-Trainer-Neuling den Auftrag bekommen habe, vor Trainingsbeginn das Feld für ein Neun-gegen-Neun-Spiel vorzubereiten. Ich stand da wie der Ochs vorm Berg. Zuerst habe ich das Feld viel zu klein und dann wieder viel zu groß abgesteckt. Mein Gott, was bist du als Spieler für ein Lemming gewesen, dachte ich mir. Selbst nach zwei Jahren als Co-Trainer bin ich immer noch ein Greenhorn und kann so viel von Friedhelm Funkel und Thomas Kleine lernen.
Friedhelm Funkel gilt für viele mit seinen 65 Jahren als „Trainer-Dino“ und Gegenentwurf zu den jungen „Laptop-Trainern“…
Laptop-Trainer, das ist so ein komischer Begriff. Als die Spiele noch mit Videorecordern analysiert worden sind, hat man doch auch nicht von VHS-Trainern gesprochen. Friedhelm ist seit ewigen Zeiten im Geschäft. Aber ist es ja auf keinen Fall so, dass er sich nicht weiterentwickelt hätte. Sein großer Vorteil ist, dass er ganz viele Situationen schon durchlebt hat. Und bei allen Veränderungen im Fußball: Das Spiel ist nicht neu erfunden worden. Egal welche Taktik man wählt, der Fußball muss immer mit Leben erfüllt werden.
Das gelingt dem Trainerteam auch in dieser Saison. Allerdings geht es jetzt gegen die Bayern und danach folgen die Partien gegen Hoffenheim, Dortmund und Leipzig. Hadern Sie ein wenig mit dem Spielplan?
Darüber mache ich mir keine Gedanken. Man kann ja sowieso nichts daran ändern. Klar, das ist schon ein gewaltiger Block, da gibt es keine zwei Meinungen. Aber wir müssen jedes Spiel für sich alleine nehmen.
Bei diesem Programm muss man als Fortuna-Verantwortlicher damit rechnen, dass die Abstiegsplätze näher rücken. Hat sich das Trainerteam mit diesem Szenario schon beschäftigt?
Nein. Sollte das wirklich passieren, werden wir damit in der gleichen Weise umgehen wie in der vergangenen Saison – nämlich indem wir Ruhe bewahren. Da waren wir nach sechs Niederlagen in Folge richtig in den Abstiegskampf geraten. Das Wichtigste für uns im Trainerteam ist, wie das Team auftritt. Dass die Jungs auf dem Platz Herz zeigen. Wenn das der Fall ist, können wir ihnen keinen Vorwurf machen.
„Gekommen, um zu bleiben“ – das war das Motto der Fortuna nach dem Bundesliga-Aufstieg 2018. 2013, in ihrem ersten Jahr nach der Rückkehr von Augsburg nach Düsseldorf, hat das nicht geklappt. Ihr Klub war nach nur einer Saison gleich wieder abgestiegen. Was hat sich seitdem bei der Fortuna verändert?
Es ist heute viel mehr Ruhe im Verein. Mit Friedhelm Funkel haben wir ja auch einen Trainer, der das verkörpert, der diese Ruhe weitergibt – auch in schlechten Phasen. 2017/18 hatte niemand damit gerechnet, dass wir aufsteigen. Und es hatte auch niemand damit gerechnet, dass wir dann die Klasse halten würden. Wir haben Negativphasen überstanden. Das gibt Selbstbewusstsein und Mut. Genau das hat uns in der Saison 2012/2013 gefehlt. In den letzten acht Spielen haben wir nur einen Punkt geholt. Hätten wir in diesen acht Spielen noch ein Mal gewonnen, wären wir nicht abgestiegen. Das hat dann nichts mehr mit falscher Taktik zu tun. Das war eine Frage der Mentalität.