Seit Viktor Orbán in Ungarn regiert, verschlechtert sich die Lage für queere Menschen im Land. Luca Dudits, Sprecherin der ältesten LGBT-Organisation in Ungarn, über ein dummes UEFA-Verbot, Péter Gulácsis Solidarität und einen gefeuerten TV-Experten.
Luca Dudits arbeitet für Háttér Society, die größte und älteste LGBTQI-Organisation in Ungarn. Außerdem ist sie Mitgründerin von Lazy Women, einer Plattform, auf der junge Autorinnen über Weiblichkeit und Faulheit schreiben.
Luca Dudits, die UEFA hat verboten, dass die Allianz Arena in Regenbogenfarben erstrahlt. Was denken Sie darüber?
Manuel Neuer lief im Spiel gegen Portugal mit Regenbogenbinde auf. Die UEFA nahm Ermittlungen auf und stellte sie recht schnell wieder ein. Begründung: Neuers Regenbogenbinde ist kein politisches Symbol, sondern ein Zeichen für Diversität. Nun sagt der Verband, ein Stadion in Regenbogenfarben ist zu politisch. Wie kann so etwas zu politisch sein? Gerade jetzt?
Die UEFA behauptet, die Allianz Arena in Regenbogenfarben wäre eine konkrete politische Ansage an das ungarische Nationalteam gewesen.
Es wäre eine Reaktion auf die ungarische Politik gewesen und ein Zeichen der Solidarität mit der LGBTQI-Community in Ungarn – und das wäre gut gewesen. Denn hier verschlechtert sich seit Jahren die Situationen für uns. Vor einer Woche hat Viktor Orbán ein Gesetz erlassen, das einen großen Teil unserer Bevölkerung diskriminiert. Es sieht zum Beispiel ein Verbot von Medien mit queeren Inhalten vor. Auch in der Werbung sollen Homosexuelle oder Transsexuelle nicht mehr als Teil einer Normalität gezeigt werden. All das geschieht unter dem kruden Vorwand, Kinder zu schützen.
Was sollte die UEFA tun?
Sie sollte mehr Solidarität zeigen und sich klar bekennen. Nicht nur durch Symbole oder Slogans, sondern durch Aktionen. Sie sollte eine Anti-Homophobie-Kampagne machen, so ähnlich wie sie eine Anti-Rassismus-Kampagne gemacht hat.
In ungarischen Stadien sind homophobe Sprüche keine Seltenheit. Sind Sie Fußballfan? Unterstützen Sie die Nationalmannschaft?
Ich unterstütze die ungarische Mannschaft, ich hoffe auch, dass sie heute gewinnt – aber es fühlt sich seltsam an. Vor ein paar Jahren habe ich in London gelebt, da bin ich gelegentlich ins Stadion gegangen. Es war offener und inklusiver als in Ungarn. Hier hört man immer wieder homophobe Gesänge im Stadion, bei Länderspielen und bei Klubspielen. Der ungarische Verband müsste ganz klar sagen: Das ist verboten! Aber er tut das nicht. Ich spüre daher einen Zwiespalt, eine Unvereinbarkeit zwischen meiner ungarischen Identität und meiner LGBT-Identität.
Können Sie das konkretisieren?
Wir können wieder auf die aktuelle Diskussion zurückkommen. Ungarns Reaktion auf die Regenbogenfahnen in anderen Stadien ist es, das eigene Stadion in den Nationalfarben zu beleuchten. Das ist für mich eine Art des Othering: Hier wir, die Ungarn – da ihr, die LGBT-Community. Diese Ausgrenzung wird seit einigen Jahren von der Regierung vorangetrieben, vor allem von Viktor Orbán. Ich finde das sehr gefährlich.
Wenn es etwas Gutes an dem UEFA-Verbot gibt, dann ist es die breite Solidarität. Verschiedene andere deutsche Städte haben verkündet, dass sie ihre Stadien in Regenbogenfarben erstrahlen lassen. Wird Orban diese Reaktionen für sich nutzen? Oder wird er dadurch in die Defensive gedrängt?
Klar, Orbans Spin der ganzen Geschichte wird sein: Der Westen macht Stimmung gegen uns Ungarn, er wird irgendwas von West-Propaganda erzählen. Immerhin, er hat seinen Besuch in München abgesagt, und ich bin mir sicher, das hängt mit den Reaktionen zusammen. Er scheut die Diskussionen, er geht dem Konflikt aus dem Weg.
In den Neunziger- und Nullerjahren galt Ungarns Politik beim Thema Homosexualität als liberal. Änderte sich die Politik erst mit Orbán?
Vor 1990 wurden queere Menschen in Ungarn, wie überall im Ostblock, kriminalisiert. Danach entspannte sich die Lage, das Land schien sogar fast fortschrittlich. In den Nullerjahren wurde eine registrierte Partnerschaft für homosexuelle Paare legalisiert, es wurde das Gleichstellungsgesetz verabschiedet, und Gleichstellungsbeauftragte nahmen ihre Arbeit auf. Seit 2010 regiert aber Viktor Orbáns Fidesz-Partei. Queere Menschen wurden nun immer weiter marginalisiert und diskriminiert, seit etwa drei Jahren werden wir von Orban als Staatsfeinde gebrandmarkt. In einigen Medien macht die Regierung sogar Werbung für Konversionstherapie. Und zu den Pride Events kommen regelmäßig militaristische, rechtsextreme Gruppen, die das Event stören, Teilnehmer bedrohen oder sogar angreifen.