Christian Wörns zählte zu den festen Größen im deutschen Fußball der Neunziger. Doch an vielen Titeln schrammte er vorbei. Vor ein paar Jahren sprachen wir mit ihm über ein Foul an Davor Suker, die Meisterschaft mit Dortmund und Kuchen bei Calli.
Ein Jahr später, zur Saison 1991/92, wechselten Sie zu Bayer Leverkusen. Sie trafen sich mit Reiner Calmund?
Nicht zu Beginn. Aber ich erinnere mich noch an eine Begegnung mit ihm. Calli saß gegenüber von mir und meiner Freundin am Schreibtisch, hatte sich eine große Krawatte vor das spannende Hemd gebunden. Die Sekretärin brachte ein knappes Pfund Marmorkuchen herein, wie man ihn heute noch im Supermarkt bekommt. Wir hörten ihm zu, er redete und nach einer Zeit schaute ich auf den Kuchen. Nur: Da war keiner mehr, alles weg. Und wir hatten nicht ein Stück gesehen (Lacht.).
Calmund holte die ersten Brasilianer in die Bundesliga. Jorginho, Ze Elias oder Paulo Sergio, die auf Typen wie Sie, Jens Nowotny und Markus Happe trafen. War Grüppchenbildung vorprogrammiert?
Überhaupt nicht. Die Brasilianer waren bescheiden und lustig zugleich, das funktioniert natürlich in einer Mannschaft. Der Verein hatte einen Rentner abgestellt, der Portugiesisch sprach und den Brasilianern bis auf den Trainingsplatz folgte. In meinem ersten Jahr habe ich mit Jorginho zusammengespielt, der kurz darauf Weltmeister wurde. Meine Güte, der löste als Rechtsverteidiger jede Situation auf, machte Läufe nach vorne. Und später dann: Emerson. Der hatte so eine feine Technik, aber sobald er am Ball war, war er ganz robust und nicht vom Ball zu trennen.
Am Ende der ersten Saison feierten Sie als Pokalsieger einen Ihrer größten Erfolge. Im Finale bezwangen Sie Herthas Amateure mit 1:0.
Da war Druck auf dem Kessel. Wir konnten etwas gewinnen und wir wussten um die Chance, aber die Sympathien in der Stadt waren natürlich klar verteilt. Ich bin rausmarschiert und habe versucht, das Spiel zu gewinnen. So einfach ist das.
Wie feierten Sie den Pokalsieg?
Wir haben extrem gefeiert (Lacht.). Auf dem Festbankett trugen wir Anzüge mit karierten Hemden. Es sah lächerlich aus, und wir hatten einen Riesenspaß!
1992 waren Sie in den Kader der Nationalmannschaft gerückt und fuhren als jüngster Spieler mit zur EM. Wie erging es Ihnen im Mannschaftsbus voller Weltmeister?
Das war sehr schwierig. Das waren allesamt Platzhirsche, viele hatten 1990 dem Weltmeisterkader angehört, mir wurde nichts geschenkt. Ich war 19 Jahre alt, die Nächstälteren waren Stefan Effenberg, Matthias Sammer und Andi Möller – die waren aber fünf Jahre älter als ich. Ich war das Nesthäkchen, und mir fehlte das Pendant.
Mit wem verbrachten Sie ihre Zeit?
Bei uns saßen Bodo Illgner, Michael Schulz, Michael Frontzeck und Jürgen Kohler. An den Tisch mit Lothar Matthäus, Andi Brehme und Rudi Völler hätte ich mich zu dieser Zeit nicht getraut.
Jeder schwärmt von internationalen Turnieren. Konnten Sie es genießen?
Ich war in der Mühle. Das war die beste Mannschaft, mit der ich je gespielt habe, auch sportlich fand ich keinen Anschluss. Weil ich so jung war, verlor ich das Selbstbewusstsein und wurde im Training immer schlechter. Da bin ich an Grenzen gestoßen. Die EM war eine harte Schule, hat aber für ein dickes Fell gesorgt.