Holger Klemme prägte als Lautsprecher und Lebemann den Beruf des Spielerberaters in den achtziger Jahren. Er machte Spieler wie Rudi Völler und die Allofs-Brüder zu Stars und zog sich durch seine Arbeitsmethoden den Zorn sämtlicher Bundesliga-Manager zu.
Es kam nicht oft vor, dass Holger Klemmes Schützlinge noch größere Schlitzohren waren als er selbst. Doch Rudi Völler gelang es, ihn zu überlisten, als Klemme dem Stürmer 1981 riet, nach dem Abstieg von 1860 München mit in die zweite Liga zu gehen: „Schieß da 30 Tore, dann kannst du dir einen Klub aussuchen.“ Was denn passieren würde, wenn er noch häufiger träfe, wollte der damals 21-Jährige wissen, und Klemme bot ihm 1000 Mark für jeden weiteren Treffer. Schon vor dem letzten Spieltag hatte Völler 33 Mal getroffen, dann ging es gegen seinen Ex-Klub Kickers Offenbach. Die Münchner gewannen mit 5:2, Rudi Völler erzielte vier Tore, und Klemme musste noch einmal 4000 Mark abdrücken. Sein Schützling berichtet ihm gut gelaunt, dass er Michael Kutzop, seinem ehemaligen Mannschaftskameraden und Gegenspieler an diesem Tag, die Hälfte abgegeben habe – absprachegemäß.
Vielleicht war es auch nur ein Scherz, jedenfalls waren für Holger Klemme 4000 Mark im Sommer 1982 noch viel Geld. Doch sie sollten sich als die beste Investition seines Lebens erweisen. Die Zusammenarbeit mit dem künftigen Mittelstürmer der Nation wurde ein Meilenstein in seiner Karriere als Spielerberater. Oder wie sagte Klemme damals: „Rudi macht die Tore, ich mache den Rudi.“ Schon 1983 wollte er ihn aus Bremen zum AC Turin transferieren. Die Italiener boten vier Millionen Mark, das Flugticket nach Turin war schon gebucht. Ein Jahr später war der AC Florenz bereit, acht Millionen Mark zu bezahlen. Fünf Jahre später ging Völler für 9,3 Millionen Mark zum AS Rom und am Ende der Karriere noch einmal von Olympique Marseille zu Bayer 04 Leverkusen. Klemme verdiente immer gut mit und ist heute der einzige Mensch auf der Erde, der zu Rudi Völler ungestraft „Rudolf“ sagen darf, außer Völlers Mutter.
Heute sind die damals ungeheuerlichen Summen längst Alltag und Spielerberater ein selbstverständlicher Teil des Geschäfts. Gut 400 sind allein in Deutschland lizenziert, doch in den frühen Achtzigern waren sie eine absolute Neuheit in der Bundesliga. Holger Klemme war einer der ersten, Ballack-Berater Michael Becker nennt ihn gar den „Erfinder und Urvater des Spielerberaterwesens“.
Stoff für die Überholspur: Metallica und Deep Purple
Als Klemme 1977 erstmals auf der Bildfläche erschien, war er erst 24 Jahre alt, hatte Betriebswirtschaft studiert und sich mit Studentenjobs in Kneipen und Diskotheken nebenbei Geld verdient, bis sein alter Kumpel Norbert Nigbur bei ihm anklopfte. Der Torwart wollte von Hertha BSC zum 1. FC Köln wechseln, Klemme übernahm die Verhandlungen. Am Ende blieb Nigbur dank eines Handgeldes von 20 000 Mark zwar doch in Berlin, aber Klemme wusste nun, was er machen wollte.
Er war damit aber nicht nur der erste Spielerberater, sondern auch jung und laut. Klemmes Komposition aus gepflegten Kleinstlocken und großer, randloser Brille wurde dabei genauso sein Markenzeichen wie die Seidenkrawatten. Auf dem Weg zu Terminen fuhr er in seinem Mercedes-Benz 280 CE bevorzugt nachts. Wenn er auf der Überholspur Stoff gab, hörte er laut Musik, um sich wach zu halten. Sein Soundtrack zur Bundesliga stammte von Deep Purple, den Scorpions und Metallica. Wenn er doch einmal tagsüber unterwegs war, hielt er, es war das Zeitalter vor dem Mobiltelefon, spätestens nach zwei Stunden an einer Autobahnraststätte, um nervös im Büro nachzufragen, ob jemand für ihn angerufen habe. „Ich stand in dieser Zeit so unter Strom, dass ich keinen Kaffee mehr brauchte.“
Eine besondere Nähe zu seinen Klienten ergab sich dadurch, dass sie damals im gleichen Alter waren und die Vorliebe für schnelle Autos teilten. So fuhren Rudi Völler, Klaus Allofs und Holger Klemme dieselben Wagen, sogar die Sonderausstattung – superbreite Reifen, kürzere, harte Stoßdämpfer und Federn extrem tief über dem Boden – war identisch. Klemme bewies auch hier, dass er Geschäftsmann war. Er entdeckte eine Lücke in den Bestimmungen der Autoversicherung. Weil die drei Fahrzeuge so ungewöhnlich aussahen, konnten er sie als weniger diebstahlgefährdet geltend machen und erreichte einen Preisnachlass von 30 Prozent.