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Sahin Aygünes, Sie sind in Ans­bach geboren und in Deutsch­land auf­ge­wachsen. Wie sehr sind Sie tür­kisch geprägt?

Relativ stark. Zuhause wurde fast nur tür­kisch gespro­chen, auch die tür­ki­sche Kultur wurde mir durch meine Eltern ver­mit­telt. Außerdem war ich fast jedes Jahr in den Som­mer­fe­rien in der Türkei. Von daher war der Wechsel in die Türkei kein großes Pro­blem für mich.



Haben Sie als Kind Bun­des­liga oder Süper Lig geschaut?

Bun­des­liga, die war wesent­lich attrak­tiver als der dama­lige tür­ki­sche Fuß­ball. Das hatte eine andere Qua­lität.

Wo haben Sie das Fuß­ball­spielen gelernt?

Ich habe mit elf Jahren ange­fangen, damals beim FV 08 Hocken­heim, wo ich bis zur B‑Jugend gespielt habe. Von dort bin ich zu Waldhof Mann­heim gewech­selt, ein Jahr später dann zum Karls­ruher SC.

Hatten Sie als Spieler mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund jemals das Gefühl benach­tei­ligt zu werden?


Nein, kaum. Beim KSC war ich voll akzep­tiert und hatte ein sehr gutes Ver­hältnis zu den Trai­nern und Spie­lern. Im Gegen­teil: Wir haben sogar Witze über die typi­schen Kli­schees gemacht, der Trainer hat bei­spiels­weise manchmal ver­sucht Tür­kisch zu spre­chen. Das war alles ganz locker.

Gab es Erfah­rungen dieser Art in Ihrem Freun­des­kreis?

Es ist doch so: Wenn man nicht spielt, sagt man schon mal der Trainer mag keine Türken“. Bei mir war das aber nicht der Fall.

Haben Sie jemals über­legt, einem tür­ki­schen Verein bei­zu­treten?


Ich hatte ein Angebot von Tür­ki­y­em­spor Berlin, das war für mich aber sport­lich nicht inter­es­sant.

Was halten Sie von tür­ki­schen Ver­einen in Deutsch­land? Manche Men­schen behaupten, die Türken würden sich dort iso­lieren…

Das ist voll­kom­mener Quatsch! So etwas habe ich zumin­dest nie erlebt, da geht es ein­fach um die kul­tu­rellen Aspekte.

Später sind Sie dann beim KSC gelandet. Warum haben Sie sich dort nicht durch­setzen können?

Ich wollte so schnell wie mög­lich Profi werden. Beim KSC ging der Weg über die Ama­teure, das dau­erte mir aber zu lange – des­halb habe ich das Angebot von Kasim­pasa ange­nommen. Es war die rich­tige Ent­schei­dung.

Sie spielen für die tür­ki­sche U21. Warum nicht für die deut­sche?

Seit der U16 bin ich tür­ki­scher Natio­nal­spieler. Bei einem B‑Ju­gend-Bun­des­li­ga­spiel hat mich ein Scout der tür­ki­schen Natio­nal­mann­schaft gesichtet und zum Lehr­gang ein­ge­laden. Später bekam ich auch ein Angebot von der deut­schen Natio­nal­mann­schaft, aber zu dem Zeit­punkt hatte ich mich schon für die Türkei ent­schieden.

Aber der DFB wollte Sie.

Richtig. Mein Aus­wahl­trainer Ronald Rei­chelt hat den DFB auf mich auf­merksam gemacht. Bei den deut­schen Meis­ter­schaften konnte ich dann noch mehr Inter­esse wecken. Aber wie gesagt, da war es schon zu spät.



Die Ent­schei­dung ist also end­gültig zu Gunsten der Türkei gefallen?

Nein, ich über­lege immer noch. Damals habe ich mich in der tür­ki­schen Natio­nal­mann­schaft sehr wohl gefühlt, des­halb bin ich dort geblieben. Für die Zukunft möchte ich mich aber noch nicht fest­legen.

Ist Ihnen der Wechsel in die Türkei schwer­ge­fallen?

Ja, das war für die ganze Familie eine schwere Ent­schei­dung. Mein Vater ist eine Zeit lang mit mir in die Türkei gekommen und hat mich unter­stützt, auch mein Manager war eine große Hilfe für mich.

Hatten Sie Anpas­sungs­pro­bleme?

Nein, das nicht. Für mich war von Vor­teil, dass ich in der tür­ki­schen Jugend­na­tio­nal­mann­schaft gespielt habe – die Jungs sind in der Türkei alle Profis, man kennt sich also.

Außerdem haben Sie mit guten Leis­tungen über­zeugt.

Richtig, so ist das im Fuß­ball­ge­schäft: Wenn man die Leis­tungen zeigt, wird man schnell akzep­tiert. Das war bei mir Gott sei Dank der Fall.

In Deutsch­land wird gerade eine leb­hafte Inte­gra­ti­ons­de­batte geführt. Sind Sie jemals mit Inte­gra­ti­ons­maß­nahmen in Berüh­rung gekommen?

Nein, ich hatte aber auch nie das Gefühl, nicht inte­griert gewesen zu sein.

Ver­missen Sie Deutsch­land?

Sicher, ich bin dort auf­ge­wachsen und habe viele schöne Erin­ne­rungen an Deutsch­land. Außerdem ver­misse ich die blonden Mäd­chen. Auf das kalte Wetter kann ich aller­dings gut ver­zichten.

Was läuft in der Türkei sport­lich anders als in Deutsch­land?

Die Vor­be­rei­tung ist hier viel härter. In Deutsch­land wird wis­sen­schaft­li­cher gear­beitet: Man macht zwar weniger, dafür aber inten­siver. Es wird bewusster und pro­fes­sio­neller trai­niert. Ich würde daher auch wirk­lich gerne in der Bun­des­liga spielen! Schon letztes Jahr waren ein paar deut­sche Mann­schaften inter­es­siert, momentan gibt es wieder Anfragen – ich hoffe, dass ein Wechsel klappt.