Krassimir Balakow war der Anführer des Magischen Dreiecks und verzauberte die Bundesliga – dabei wäre er beinahe in Bulgarien versauert. Heute wird Stuttgarts ehemaliger Strippenzieher 55 Jahre alt. Die Geschichte eines besonderen Spielmachers.
Balakow spricht fließend Deutsch. Beziehungsweise eine Art Balkan-Schwäbisch. Das „R“ rollt er, seine Sätze beendet er gerne mit einem „weisch“. Sprachen waren für ihn nie ein Problem. Er kann Bulgarisch und Deutsch, Portugiesisch und Russisch, Serbisch und Kroatisch, er versteht Spanisch und Italienisch und Englisch. Sein Kopf kann Informationen, so scheint es zumindest, besser verarbeiten, als das bei anderen Menschen der Fall ist. Zumindest auf dem Platz ist es immer so gewesen.
„Das Geheimnis eines guten Playmakers ist sein Vorstellungsvermögen, weisch?“, sagt er. „Jeder kann einen Ball stoppen und ihn acht Meter weiter passen. Aber ein guter Zehner denkt voraus, er kreiert die Situation im Geist. Das Außergewöhnliche, es entscheidet sich im Kopf, nicht in den Füßen.“ Auch jetzt entscheidet sich alles im Kopf, Balakow soll sich möglichst gut erinnern. Er soll seine Geschichte erzählen. Wie er aufwuchs im Sozialismus. Wie er in Lissabon auf den jungen Luis Figo traf. Und wie das damals war mit dem Fredi und dem Giovane. Warum deutsche Fußballfans beim Gedanken an drei Fußballer der neunziger Jahre noch immer Gänsehaut bekommen. „Es waren nur zwei Jahre, die wir drei zusammen in Stuttgart wirbelten. Aber wir haben den schönsten Fußball im Land gespielt. Viel schöner als die Bayern. Jedes Spiel war eine Attraktion.“
„Wir waren wie die Beatles in Liverpool“
Zum ersten Mal treffen sich Balakow, Elber und Bobic im Sommer 1995 auf dem Stuttgarter Trainingsplatz. Die beiden damals noch unbekannten Stürmer sind schon seit einem Jahr beim VfB, Balakow soll als neuer Spielmacher endlich Raffinesse ins Spiel bringen. Und er merkt gleich: Mit den zwei Jungs, das kann etwas Besonderes werden. „Wir waren sofort eine Clique“, sagte Bobic einst zu 11 FREUNDE. „Wir waren wie die Beatles in Liverpool“, erzählte Giovane Elber. „Es funktionierte ohne Nachdenken, ganz natürlich, fast blind“, sagt Balakow.
Schon nach zwei Wochen spürt er intuitiv, wo Fredi steht und wo Giovane hinlaufen wird. Er weiß, wann er den Pass spielen muss, damit er einen der beiden neuen Kumpels erreicht. Und er hat die Gabe, das auch in einem hektischen Bundesligaspiel zu tun.
„Ich bin als Straßenfußballer aufgewachsen. Ich wohnte mit meinen Eltern im Plattenbau und lief jeden Tag nach unten, um zu kicken.“ Auf den unebenen Betonplätzen der Stadt und mit klobigen Turnschuhen an den Füßen wird Balakow zum besten Techniker der Straße. Er ist so talentiert, dass er die Aufnahmeprüfung der regionalen Sportschule besteht, schon mit 16 Jahren darf er für die erste Mannschaft von Tarnowo spielen. Als Linksaußen im Dreiersturm. Erst später, in Lissabon, wird er zum Zehner.
„7000 Dollar machte ich einfach kaputt“
War es bis 1990 für bulgarische Fußballer unter 28 Jahren unmöglich, das Land zu verlassen, steht dem noch immer jungen Balakow nach dem Sturz der sozialistischen Regierung und nach acht Jahren in der bulgarischen Liga plötzlich die Welt offen. Goldgräber strömen ins Land, Christo Stoitschkow wechselt nach Barcelona, Emil Kostadinow zum FC Porto. Balakow verschafft ein portugiesischer Berater im Januar 1991 schließlich den Vertrag bei Sporting.
Zum ersten Mal in seinem Leben verdient er viel Geld, genau wie seine Ostblock-Kollegen muss er erst lernen, mit der neuen Freiheit umzugehen. „Die anderen kauften Gold, viel zu teure Uhren und noch teurere Autos. Ich hatte Glück, ich habe nur einen einzigen Fehler gemacht. Und der war verhältnismäßig günstig.“ Als das erste Gehalt da ist, 8000 Dollar, zieht Balakow los in die Lissabonner Innenstadt. Bei einer Boutique macht er Halt. „Ich legte 1000 Dollar beiseite für die Bank – und 7000 machte ich einfach kaputt!“ Wie im Rausch kauft er den Laden leer. Doch schon am nächsten Tag gefallen ihm die extravaganten Klamotten nicht mehr. Was für ein Quatsch, denkt er sich und ist fortan immun gegen die Verlockungen der Glitzerwelt.