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Seite 2: „7000 Dollar machte ich einfach kaputt“

Balakow spricht flie­ßend Deutsch. Bezie­hungs­weise eine Art Balkan-Schwä­bisch. Das R“ rollt er, seine Sätze beendet er gerne mit einem weisch“. Spra­chen waren für ihn nie ein Pro­blem. Er kann Bul­ga­risch und Deutsch, Por­tu­gie­sisch und Rus­sisch, Ser­bisch und Kroa­tisch, er ver­steht Spa­nisch und Ita­lie­nisch und Eng­lisch. Sein Kopf kann Infor­ma­tionen, so scheint es zumin­dest, besser ver­ar­beiten, als das bei anderen Men­schen der Fall ist. Zumin­dest auf dem Platz ist es immer so gewesen.

Das Geheimnis eines guten Play­makers ist sein Vor­stel­lungs­ver­mögen, weisch?“, sagt er. Jeder kann einen Ball stoppen und ihn acht Meter weiter passen. Aber ein guter Zehner denkt voraus, er kre­iert die Situa­tion im Geist. Das Außer­ge­wöhn­liche, es ent­scheidet sich im Kopf, nicht in den Füßen.“ Auch jetzt ent­scheidet sich alles im Kopf, Balakow soll sich mög­lichst gut erin­nern. Er soll seine Geschichte erzählen. Wie er auf­wuchs im Sozia­lismus. Wie er in Lis­sabon auf den jungen Luis Figo traf. Und wie das damals war mit dem Fredi und dem Gio­vane. Warum deut­sche Fuß­ball­fans beim Gedanken an drei Fuß­baller der neun­ziger Jahre noch immer Gän­se­haut bekommen. Es waren nur zwei Jahre, die wir drei zusammen in Stutt­gart wir­belten. Aber wir haben den schönsten Fuß­ball im Land gespielt. Viel schöner als die Bayern. Jedes Spiel war eine Attrak­tion.“

Wir waren wie die Beatles in Liver­pool“

Zum ersten Mal treffen sich Balakow, Elber und Bobic im Sommer 1995 auf dem Stutt­garter Trai­nings­platz. Die beiden damals noch unbe­kannten Stürmer sind schon seit einem Jahr beim VfB, Balakow soll als neuer Spiel­ma­cher end­lich Raf­fi­nesse ins Spiel bringen. Und er merkt gleich: Mit den zwei Jungs, das kann etwas Beson­deres werden. Wir waren sofort eine Clique“, sagte Bobic einst zu 11 FREUNDE. Wir waren wie die Beatles in Liver­pool“, erzählte Gio­vane Elber. Es funk­tio­nierte ohne Nach­denken, ganz natür­lich, fast blind“, sagt Balakow.

Schon nach zwei Wochen spürt er intuitiv, wo Fredi steht und wo Gio­vane hin­laufen wird. Er weiß, wann er den Pass spielen muss, damit er einen der beiden neuen Kum­pels erreicht. Und er hat die Gabe, das auch in einem hek­ti­schen Bun­des­li­ga­spiel zu tun.

Ich bin als Stra­ßen­fuß­baller auf­ge­wachsen. Ich wohnte mit meinen Eltern im Plat­tenbau und lief jeden Tag nach unten, um zu kicken.“ Auf den unebenen Beton­plätzen der Stadt und mit klo­bigen Turn­schuhen an den Füßen wird Balakow zum besten Tech­niker der Straße. Er ist so talen­tiert, dass er die Auf­nah­me­prü­fung der regio­nalen Sport­schule besteht, schon mit 16 Jahren darf er für die erste Mann­schaft von Tar­nowo spielen. Als Links­außen im Drei­er­sturm. Erst später, in Lis­sabon, wird er zum Zehner.

7000 Dollar machte ich ein­fach kaputt“

War es bis 1990 für bul­ga­ri­sche Fuß­baller unter 28 Jahren unmög­lich, das Land zu ver­lassen, steht dem noch immer jungen Balakow nach dem Sturz der sozia­lis­ti­schen Regie­rung und nach acht Jahren in der bul­ga­ri­schen Liga plötz­lich die Welt offen. Gold­gräber strömen ins Land, Christo Stoitschkow wech­selt nach Bar­ce­lona, Emil Kosta­dinow zum FC Porto. Balakow ver­schafft ein por­tu­gie­si­scher Berater im Januar 1991 schließ­lich den Ver­trag bei Sporting.

Zum ersten Mal in seinem Leben ver­dient er viel Geld, genau wie seine Ost­block-Kol­legen muss er erst lernen, mit der neuen Frei­heit umzu­gehen. Die anderen kauften Gold, viel zu teure Uhren und noch teu­rere Autos. Ich hatte Glück, ich habe nur einen ein­zigen Fehler gemacht. Und der war ver­hält­nis­mäßig günstig.“ Als das erste Gehalt da ist, 8000 Dollar, zieht Balakow los in die Lis­sa­bonner Innen­stadt. Bei einer Bou­tique macht er Halt. Ich legte 1000 Dollar bei­seite für die Bank – und 7000 machte ich ein­fach kaputt!“ Wie im Rausch kauft er den Laden leer. Doch schon am nächsten Tag gefallen ihm die extra­va­ganten Kla­motten nicht mehr. Was für ein Quatsch, denkt er sich und ist fortan immun gegen die Ver­lo­ckungen der Glit­zer­welt.