Besondere Spiele brauchen eine besondere Atmosphäre, dachte man bei den Spurs – und griff gegen Chelsea tief in die Technik-Trickkiste. Heraus kam eine peinliche Lachnummer.
Auch die Spieler auf dem Rasen hatten während der Partie gestutzt ob der komischen Geräuschkulisse. Chelsea-Torwart Thibaut Courtois spottete nach dem Match: „Wenn man irgendwelche Geräusche über die Lautsprecher einspielen muss, dann funktioniert doch irgendwas nicht besonders gut.“ Dann fügte der Belgier grinsend hinzu: „Tottenham hat in Wembley Platz für sehr viele Fans – aber es wäre besser, wenn sie auch mal ein bisschen Lärm machen würden.“
Dabei ist der aktuelle Trommel-Fall von Tottenham nur die Spitze des Eisbergs in der englischen Premier League. Erst im April hatte Manchester-City-Coach Pep Guardiola die Klubverantwortlichen um CEO Ferran Soriano und führende Fanvertreter an einen runden Tisch gebeten, um zu besprechen, wie man richtige Fußballstimmung erzeugen könnte im Etihad Stadium. Das Resultat der Unterredung – nun: Es gibt bisher keines, zumindest kein hörbares.
Nachhilfe von Leverkusen?
Ein Problem der Premier League sind jene, die heutzutage ins Stadion gehen: Menschen aus der englischen Middle- und Upper Class, Touristen und Kinder, die allesamt vor allem eines wollen: unterhalten werden. Das zweite Problem der Liga sind die Fans von früher, die nicht mehr hingehen, weil sie sich die exorbitanten Ticketpreise nicht erlauben können oder wollen. Sie verfolgen die Spiele via TV in den Pubs der Umgebung, während ihre Nachfolger erst drei Minuten vor Anpfiff ins Stadion kommen, gut zehn Minuten vor dem Ende wieder heimgehen und dazwischen den „Roar“ der guten, alten Zeit vermissen.
Heute weiß man: Die Gentrifizierung der Tribünen führte zwar zu erheblichen Mehreinnahmen. Doch in Sachen Stimmung schrieben nahezu alle Klubs in den letzten Jahren tiefrote Zahlen. Guardiola klagte schon bald nach seiner Ankunft in England, er vermisse dort „den massiven Druck von den Rängen“, wie er in Deutschland oder Spanien gang und gäbe sei. Er hätte es wissen können, hätte Pep vor seinem Wechsel auf die Insel nur mal einen Blick auf die dortigen Ticketpreise geworfen: 230 Euro für einen Platz auf der Gegengeraden sind in England keine Seltenheit.
Und die Spurs? Eine offizielle Erklärung des Klubs zum Trommel-Fall gab es bislang nicht. Man verwies nach dem Chelsea-Spiel lediglich auf einen neuen Zuschauerrekord für die Premier League, mit etwas mehr als 73.500 Besuchern. Tottenhams Allzeit-Bestmarke (85.512) wurde ebenfalls in Wembley aufgestellt – in der Champions League gegen Bayer Leverkusen. Apropos! Beim Werksklub gibt es der Legende nach seit Jahren einen „Arbeitskreis Stimmung“. Vielleicht sollten die Spurs mal in Leverkusen nachfragen, wie’s geht.