Heute spielt Arsenal gegen Tottenham. Das Spiel sorgte schon vor über 100 Jahren für Trubel und gehört auch heute noch zu den derbsten Rivalitäten auf der Insel. Sol Campbell kann davon ein Lied singen.
Denn das Londoner Derby zwischen Arsenal und Tottenham ist es eines der erbittertsten im englischen Fußball. Und das, obwohl es zunächst ein ganz gewöhnliches Spiel zweier zufällig in der gleichen Stadt beheimateter Teams war. Erst mit dem Umzug Arsenals nach Highbury – bis 1913 hatten die Gunners in Woolwich im Südosten Londons gespielt – und damit in die unmittelbare Nachbarschaft der Spurs, begann eine ernstzunehmende Rivalität, die alsbald auch derart heftig auf dem Feld ausgetragen wurde, dass die FA sich nach einer wüsten Treterei im September 1922 dazu genötigt sah, den Klubs den vielleicht ersten Zuschauerausschluss der Fußballgeschichte anzudrohen.
Zur Verschlechterung der Stimmung zwischen den Nachbarn hatte nicht zuletzt beigetragen, dass die erste Liga 1919 von 20 auf 22 Vereine aufgestockt wurde. Chelsea, als Tabellenneunzehnter eigentlich abgestiegen, durfte die Klasse halten. Der letzte noch verbleibende Platz ging jedoch nicht an den Zwanzigsten der Liga aus Tottenham, sondern wurde in einer Abstimmung vergeben: an den Fünften der zweiten Liga, den FC Arsenal. Freilich halten sich bis heute Gerüchte um Mauscheleien des damaligen Arsenal-Vorsitzenden Sir Henry Norris zuungunsten der Spurs. Naturgemäß aber auch eher auf der Seite der Spurs.
Den Beinamen „Judas“ wird Campbell nicht mehr loswerden
Wie vergiftet das Verhältnis zwischen beiden Fanlagern ist, sieht man nicht nur daran, dass die Spurs-Fans Arsenals Anhänger noch immer als „Woolwich Nomads“ verunglimpfen, über ein Jahrhundert nach deren Umzug. Auch nicht nur daran, dass im Gegenzug eine verbitterte Diskussion darüber herrscht, ab wann Tottenham eigentlich von London eingemeindet wurde, was den Gunners natürlich Rückschlüsse auf die Provinzialität des Rivalen erlaubt und darauf, wer ein waschechter Londoner Klub ist und wer nicht.
Man erkennt es auch daran, dass es in der über ein Jahrhundert langen Geschichte des North London Derbys erst 15 Spieler gewagt haben, zum ungeliebten Nachbarn zu wechseln. Der prominenteste Überläufer dürfte dabei Sol Campbell sein, der ehemalige Abwehrchef der Spurs, der nach zehn Jahren im Verein den Anhängern seinen Verbleib versprach, dann aber ansatzlos und in einer andymöllerschen Volte zum Erzrivalen ging, um dort Champions League zu spielen. Den Beinamen „Judas“ wird Campbell zumindest an der White Hart Lane nicht mehr loswerden, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass er die Gunners in der Folge zu zwei Meisterschaften und drei FA-Cup-Siegen führte.
Noch 2009, als der 73-fache englische Nationalspieler schon längst nach Portsmouth weitergezogen war, wurden vier Spurs-Fans mit einem landesweiten Stadionverbot bedacht, weil sie einen Schmähgesang auf Campbell angestimmt hatten, der derart ehrabschneidend und derb war, dass er an dieser Stelle nicht wiederholt werden kann.
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