Am Samstag kehrt Markus Babbel in die Hauptstadt zurück. 1899 Hoffenheim spielt in der ersten Pokalrunde beim Berliner AK. Vor dem Spiel sprachen wir mit ihm über Ryan Babel, Ablösesummen und seinen neuen Häuptling Tim Wiese.
Markus Babbel, gab es in der Sommerpause Momente, in denen Sie sich wünschten, nur Trainer zu sein?
(lacht) Nein, meine Sommerpause war erholsam. Das wäre allerdings anders gewesen, wenn ich alle Aufgaben, die von einem Manager verlangt werden, alleine beackern müsste. Glücklicherweise stehen hier in Hoffenheim Leute an meiner Seite, die mir wahnsinnig viel abnehmen – wir arbeiten Hand in Hand. Das macht die ganze Sache unproblematisch.
War das eine Ihrer Bedingungen oder hat sich diese Arbeitsteilung ergeben?
Sagen wir mal so: Ich kann meine Fähigkeiten selbst einschätzen – ich bin nicht größenwahnsinnig. Da der Managerjob für mich Neuland ist, habe ich von Beginn an darauf gepocht, mit Experten zusammenzuarbeiten. Meine Botschaft lautete: „Leute, der Trainerjob darf nicht unter meiner Arbeit als Manager leiden – sonst wird das hier nichts.“
Wie sieht die Arbeitsteilung konkret aus? Sie wollen Spieler X verpflichten, nehmen Kontakt mit dessen Berater auf – und dann?
Mir ist enorm wichtig, zunächst den Spieler zu treffen. Ich will mich mit ihm in Ruhe unterhalten; erfahren, wie er tickt; wie er mir gegenüber auftritt. Ebenso soll der Spieler mich kennenlernen. Erst anschließend kann ich einschätzen, ob ein Wechsel Sinn ergäbe. Es geht schließlich nicht nur darum, wie der Junge sich auf dem Fußballplatz bewegt. Bin ich überzeugt von einem Spieler, verhandeln wir mit dessen Berater – selbstverständlich nachdem wir den Verein des Spielers informiert haben.
Nochmal: Sitzen Sie auch am Verhandlungstisch und feilschen mit der Gegenseite um die Höhe der Ablösesumme?
Ich bin zwar nicht derjenige, der den Vertrag ausfüllt und all die formalen Dinge regelt, aber ich bin zumindest dabei, ja. Seien Sie sicher: Ich äußere meine Vorstellungen klar und deutlich.
Sie haben mal gesagt „Ich stehe auf verrückte Spielertypen.“ Wo ziehen Sie die Grenze? Was ist noch verrückt – und was ist schädlich?
Das ist ziemlich einfach: Ein Spieler muss alles dafür tun, erfolgreich zu sein, darf dabei allerdings nicht das sportliche Fairplay verletzen. Gelegentlich kommt es vor, dass ein Profi gewisse Grenzen überschreitet, derlei kenne ich nur allzu gut aus meiner aktiven Karriere. Entscheidend ist in solchen Momenten die schnelle Einsicht des Spielers. Er muss aus seinen Fehlern lernen.
Dulden Sie es, wenn Ihre Spieler öffentlich Fehler benennen?
Ich bin ein Freund klarer Worte, verlange aber von meinen Jungs Teamgeist und Respekt. Ich habe kein Problem damit, wenn ab und an intern die Fetzen fliegen, es darf auch rumgeschrien werden, kein Thema! Redet ein Spieler allerdings öffentlich schlecht über seine Mitspieler oder das Trainerteam, bekommt er Probleme mit mir. Ich erwarte von einem Leistungssportler professionelles Verhalten – auch abseits des Platzes.
Weiß Ihr neuer Kapitän Tim Wiese Bescheid?
Selbstverständlich. Tim ist ein intelligenter und erfahrener Spieler, der stets hochmotiviert an die Aufgaben herangeht. Er darf eine eigene Meinung haben, und er soll diese auch äußern.
Wie schätzen Sie Ihren Neuzugang Joselu ein?
Zumindest mache ich mir keine Sorgen, dass er auf Deutsch komische Interviews gibt (lacht).
Er wirkt eher zurückhaltend…
…Joselu ist natürlich ein anderer Typ als Tim Wiese. Glücklicherweise. Hätte ich zehn Tim Wieses im Team, bekäme ich wahrscheinlich graue Haare. Jede Mannschaft braucht eine Mischung aus Häuptlingen und Indianern. Wir haben einige Typen dabei, die die Richtung vorgeben – ich nenne nur die Namen: Delpierre, Compper, Salihovic, Weis und eben Wiese.
Mit anderen Worten: Joselu zählt zu Ihren Indianern.
Alles andere wäre doch seltsam. Der Junge muss sich zunächst einmal einfügen und beweisen, er muss etwas leisten, bevor er in der Lage ist, den nächsten Schritt zu machen. Respekt muss man sich stets erarbeiten; das kennt doch jeder Arbeitnehmer. Es bringt nichts, lediglich wilde Parolen zu schwingen.
Wie ist denn Ihr erster Eindruck von ihm?
Ich freue mich riesig, dass wir ihn verpflichten konnten, wir sind absolut überzeugt von seinen Fähigkeiten. Exakt diesen Spielertypen haben wir lange gesucht. Er gehört zu jenen Spielern, die mit dem Rücken zum Tor Bälle sowohl halten als auch exzellent auflegen können. Zudem weiß der Junge, wo das Tor steht. Kurz: Joselu passt bestens ins Team.
Auf seiner Position hatten Sie in der vergangenen Saison große Probleme…
…Ja, leider. Wir wollen nie wieder in eine Situation geraten, in der uns nur noch ein Stürmer zur Verfügung steht. Es gab in der Rückrunde Momente, in denen ein Offensivwechsel automatisch eine Schwächung bedeutete. Derartiges darf uns auf diesem Niveau nicht passieren. Mittlerweile haben wir mir Derdiyok, Schipplock und Joselu drei Stürmer, die ich jederzeit bringen kann, ohne dass ich hinterher Magenschmerzen bekomme.
Zurück zu Joselu: Sie haben den Wechsel bekanntgegeben mit dem Hinweis: „Über die Ablösemodalitäten vereinbarten beide Klubs Stillschweigen.“ Wollen Sie Joselu damit Druck nehmen?
Schlicht gesagt: Die Summe geht niemanden etwas an. Punkt.
Aber in anderen Fällen werden doch auch Zahlen genannt?
Seit ich hier bin, haben wir keine einzige Summe bestätigt oder dementiert. Ich frage Sie ja auch nicht, was Sie verdienen. So etwas geht mich ebenfalls nichts an. Außerdem: Wenn der Spieler 25 Buden macht, sagt jeder „Der ist das Geld wert“. Steckt allerdings derselbe Spieler in einer kleinen Krise, heißt es sofort „Der Typ war viel zu teuer – ein Mega-Flop.“
Also doch eine Art Selbstschutz?
Ich will das nicht weiter kommentieren.
In diesen Tagen fällt im Umfeld häufig der Name Ryan Babel…
…Dazu habe ich bereits alles gesagt!
Wir haben eben über verrückte Typen gesprochen. Herr Babbel, ist Ryan Babel in Hoffenheim an seiner zurückhaltenden Art gescheitert?
Es reicht einfach nicht aus, was Ryan gezeigt hat. Ich habe ihm das auch immer wieder ehrlich gesagt. Superlative wie „Riesenfußballer“ oder „Bombenpotenzial“ helfen uns nicht, wenn der Spieler all das nicht konstant abruft. Habe ich einen 600-PS-Wagen, fahre aber nur in 30-Zonen, bringt mir das gar nichts.
Träumen Sie eigentlich immer noch davon, als Rockstar wieder geboren zu werden?
(Pause) Wie meinen Sie das?
Sie sagten einmal, „Ich könnte als Rockstar sagen und tun, was ich will und müsste keine Rechenschaft ablegen – je wilder, desto besser.“ Daher die Frage: Wie oft kommt es vor, dass man als Bundesligatrainer in der Öffentlichkeit Dinge verschweigt?
Oft. Das ist jedoch in anderen Berufen ähnlich. Ich muss mir stets die Frage stellen: Was bringt mir diese Aussage? Was löse ich damit aus? Wer behauptet, er sage im Bundesligageschäft alles, was er gerade denkt, der lügt sich in die eigene Tasche. Derartiges wäre sowohl für einen selbst als auch für den Klub kontraproduktiv. Man muss unheimlich aufpassen, was man sagt – und wie man es sagt.
Apropos: Beim Blick in die Fanforen wird eines sofort deutlich: Die TSG-Fans träumen vom Europapokal.
Kein Problem. Das ist ein realistisches Ziel, obwohl ich natürlich weiß, dass viele Klubs ähnliche Aussagen treffen. Es kommt nun darauf an, eine Einheit zu bilden und gemeinsam an dieses Ziel zu glauben. Ich bin sicher, die Fans werden am Ende Grund zum Jubeln haben.