Männer wie er werden nicht mehr gebaut, schon gar nicht im modernen Profifußball. Wir sagen nur ein Wort zum 70. Geburtstag von Horst Hrubesch: vielen Dank!
Die Jungstars wussten: Auf das Wort des Alten können sie sich verlassen. Und auch wenn’s weh tut, die Kante aus Hamm sagt ihnen die Wahrheit. Immer. Und ohne Schnörkel. Kurzum: Der Aufschwung des deutschen Fußballs nach der WM 2006 ist ohne Horst Hrubesch nicht vorstellbar, der mit fast allen U‑Mannschaft über die Jahre große Erfolge einfuhr.
Als Jérôme Boateng nach der WM 2014 mit dem Pokal nach Hause kam, rief er als erstes seinen alten Förderer an:„Trainer, ich bin Weltmeister.“ Sollte er auf ein Lob gehofft haben, wurde er enttäuscht, denn aus Hrubeschs Mund klumpten Worte erneut wie Findlinge:„Ja, schon klar, aber bei den langen Bällen musst du noch an dir arbeiten.“
Coaches, an denen er selbst sich ausgerichtet hatte, waren aus anderem Holz geschnitzt. Branko Zebec, ein geigespielender Feingeist mit subtiler sadistischer Ader, und natürlich Ernst Happel, der mit einer hochgezogenen Augenbraue seinen Männern mehr mit auf den Weg gab, als andere Übungsleiter mit stundenlangen Monologen.
In der Lüneburger Heide hat Hrubesch lange Jahre Edelbluthaflinger gezüchtet. In der Küche seines Hofs unweit von Uelzen klebten die Hanuta-Bilder deutscher Profis an der gekachelten Wand. Und ganz oben – fast wie eine Zielscheibe – das Bildchen von Jogi Löw. Im Gegensatz zur ätherischen Laptop-Atmosphäre bei der A‑Mannschaft wirkte Hrubesch in seinem Nachwuchsgewerke stets wie der letzte Mofarocker aus der Vorstadt. Dennoch hat er alle Personalrochaden im Verband unbeschadet überstanden. Einen mit seinem Händchen kann man eben nicht eben mal ersetzen. Solche Typen werden heute nicht mehr gebaut.
Pferdezucht ist ein Geduldspiel, aber wer wie er in der Lage ist, gleichermaßen Vertrauen, Zuneigung und Autorität zu verkörpern, bringt es auch in diesem Job zu wahrer Meisterschaft.„Pferde sind Lebewesen“, sagt er,„da gibt es viele Parallelen zu jungen Menschen.“ Seiner Gattin Angelika hatte er versprochen, dass er nach den Olympischen Spielen 2016 – dem letzten großen Highlight seiner Laufbahn – Schluss mit dem aktiven Fußball machen wolle. Dann aber schied Hansi Flick aus dem Amt als DFB-Sportdirektor und beim Verband fiel auf die Schnelle keinem eine bessere Lösung ein als: der Lange.
Und als Steffi Jones als Trainerin bei der Frauen-Nationalelf scheiterte, ließ er sich ebenfalls nicht bitten. It’s a dirty job, but someone… Wohl auch, weil ihn der Frauenfußball mit den weniger gelackten, bodenständigeren Begleitumständen an seine eigene Zeit als Profi erinnerte.
Die Frauen schlossen den bollerigen Grizzly auf Anhieb in ihr Herz. Er nannte sie„Mädels“, seine„Kleenen“. Er darf das, schließlich könnten alle seine Enkelinnen sein. Hrubesch nahm sie in den Arm, scheuchte sie und wenn es nötig war, trat er sie auch in den Hintern. Heute sagt er, dass die Frauen seine Art viel besser abkonnten als manche Männer, dass sein allerletztes Kapitel in seiner Zeit beim DFB für ihn das schönste gewesen sei, weil die Arbeit mit den Frauen so leicht gewesen sei, weil diese seinen Erwartungen von vornherein viel mehr entsprochen hätten als die Männer. Echte Typen, sagt er, seien diese Mädels.
Eigentlich war damit im Fußball alles erledigt. Bei der Gattin löste er das Versprechen ein, auf Weltreise zu gehen. Er wollte ein Buch schreiben, über Fliegenfischen. Doch dann kam Corona, das Reisen wurde zum Ding der Unmöglichkeit und ihm wurde etwas fad. Als HSV-Boss Jonas Boldt ihn anrief und fragte, ob er sich vorstellen könne, Leiter des Nachwuchsbereichs in Stellingen zu werden, schlug er nach kurzer Bedenkzeit ein. Nicht, weil er unbedingt noch etwas gut zu machen hatte bei seinem alten Klub. Nein, sondern weil er das Gefühl hatte, dass der neue Chef am Volkspark es ernst mit ihm meint – und ihn nicht, wie viele seiner Vorgänger, nur als Galionsfigur missbrauchen will.
Nun feiert Horst Hrubesch seinen 70. Geburtstag – in Amt und Würden und emsig wie eh und je. Andere in seinem Alter spielen Boule, glotzen Fernsehen oder jäten Unkraut. Er nicht, ihm gefällt das Gefühl, noch mittun zu können und im Zweifel, ein, zwei, drei junge Spieler pro Saison zu den HSV-Profis aufsteigen zu sehen. Damit der gefallene Klub nicht nur sportlich wieder nach vorne kommt, sondern sich auch von seinem über Jahrzehnte hart erarbeiteten Image befreit, nichts besser zu beherrschen, als sinnlos Geld für Söldnerprofis zu verprassen, denen die Raute sonstwo vorbei geht.
Irgendwie gut, dass er immer noch da ist. Wie lange noch, das bestimmt er ganz allein. Es gibt nichts, was er noch beweisen müsste. Aber fertig hat der Alte ganz bestimmt noch nicht. Und sollte der Cowboy irgendwann doch gen Wohnort Neumünster in den Sonnenuntergang reiten und den aktiven Fußball hinter sich lassen, steht sowieso das nächste Projekt bereits an. Das geplante Buch über die weltweit schönsten Gewässer zum Fliegenfischen mit dem unschlagbaren Titel: „Fliegen – um die Welt“.
Herzlichen Glückwunsch zum 70sten, Horst Hrubesch. Uns bleibt nur, ein Wort zu sagen: Vielen Dank!