Jürgen Klopp hat es immer gewusst: „Thiago ist der beste Spieler der Bundesliga.“ Haben es die Bayern zu spät erkannt?
Thiago wurde im Laufe der Jahre besser, teilweise spielte er überragend. In der jüngeren Vergangenheit schien es gar, als stünde ein neuer Spieler auf dem Platz. „Kicker“-Kolumnist Didi Hamann schrieb 2017, dass Thiago ein „Hoffnungsträger“ sei: „Wir haben das Beste von Thiago noch nicht gesehen.“ So dachten viele. Thiago. Der geniale Lenker im Mittelfeld. So gut wie Xavi oder Iniesta. Bald würde es uns allen zeigen. Das Versprechen einlösen. Er selbst sagte: „Man kann immer alles besser machen. Es ist wie bei einer Doktorarbeit, jeden Tag lernt man etwas hinzu.“
Aber erst unter Hansi Flick promovierte Thiago. Vielleicht weil er nun wirklich deutsch spielte, was seine alten Fans, die ihn nicht „Pfau“, sondern „Magier“ nannten, manchmal traurig stimmte. In der vergangenen Bundesligasaison war Thiago der beste Zweikämpfer der Liga, er gewann 57,8 Prozent seiner Duelle, und das deutsche Fachblatt „Kicker“ jubelte im Frühjahr dieses Jahres, dass sich der Spanier mit den brasilianischen Wurzeln „vom Künstler zum Arbeiter“ gewandelt habe. Im Wintertrainingslager in Doha habe man einen neuen Thiago gesehen, „ein unheimlich aggressiver Leader, der knallharte Zweikämpfe führte; ein Kämpfer, der den Ball auch mal zu treten und nicht nur zu streicheln wusste“. Man hätte am liebsten direkt den gold bestickten Lederball verliehen und Horst-Dieter Höttges gefragt, ob er mit Thiago knallhart um die Wette grätschen möchte.
Nun ist er also in Liverpool angekommen. Bei Jürgen Klopp, der schon sehr lange Thiago-Fan ist. Als sich der FC Liverpool im Frühjahr 2017 um Naby Keita bemühte, sagte der Trainer: „Keita ist neben Thiago der beste Spieler der Bundesliga.“
Thiago ist zum richtigen Zeitpunkt gewechselt. Als Triple-Sieger. Im Finale der Champions League war er der wichtigste Spieler, keiner spielte gegen PSG mehr Pässe als Thiago, 91 Prozent kamen an. Und er war der Feldspieler mit den meisten Balleroberungen (7). Hatte er etwa Sorge, noch deutscher zu werden? Wollte er den Absprung vor der endgültigen Horstdieterisierung schaffen? Und wie kommt der FC Bayern nun ohne Thiago zurecht?
Bis jetzt geht alles gut. Der geradlinigere Kimmich harmoniert mit dem torgefährlicheren Goretzka. Und auch Thiago kommt offenbar ganz gut ohne die Bayern zurecht. Am Sonntag machte er beim 2:0‑Sieg gegen Chelsea sein Debüt für Liverpool. Es war, laut Statistik, phänomenal. Seit Datenerfassung im Jahr 2003 spielte kein Spieler so viele Pässe in 45 Minuten wie Thiago, nämlich 75. Er hatte damit mehr Pässe gespielt als jeder Chelsea-Spieler in 90 Minuten.
Die beste Aktion aber hatte er am Ende, als er einen wichtigen Zweikampf im Mittelfeld gegen N’Golo Kante gewann. Danach ballte er die Faust und schlug sich auf die Brust. Horst-Dieter Höttges wäre stolz auf ihn gewesen.