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Seite 2: Ein folgenschweres Interview

Schmel­zers Stern begann all­mäh­lich unter­zu­gehen, als er 2016 Wider­wil­lens ins Kapi­täns­samt gehievt wurde. In einer Zeit voller Umbrüche und einer Mann­schaft auf der Suche nach der eigenen Iden­tität sollte Marcel Schmelzer den Kom­mu­ni­kator nach außen geben, musste Cha­rakter beweisen. Eine Rolle, mit der er nie zurechtkam.

Trotzdem durfte Schmelzer als Kapitän 2017 den DFB-Pokal in den Himmel recken. Und demon­tierte sich anschlie­ßend selbst. Denn nur wenige Minuten später gab er der ARD ein fol­gen­schweres Inter­view, in dem er seinen Trainer Thomas Tuchel öffent­lich dafür kri­ti­sierte, seinen Buddy Nuri Sahin aus dem Kader gestri­chen zu haben. Als Dort­munds Trainer letzt­lich – vor allem wegen Dif­fe­renzen mit Hans-Joa­chim Watzke – gehen musste, sahen Teile der Fans in Marcel Schmel­zers Sahin-Bekenntnis eine Art Königs­mord.

Auch auf Anraten seines För­de­rers Jürgen Klopp gab Schmelzer ein Jahr später die Kapi­täns­binde an Marco Reus weiter. Es hatte eine befrei­ende Wir­kung. Eine kurze Hoch­phase mit dem Neu­be­ginn unter Lucien Favre durch­kreuzten jedoch wie­der­keh­renden Ver­let­zungen.

Das erfolg­reiche Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Prinzip

Weder auf noch abseits des Platzes trat Schmelzer Zeit seiner Kar­riere vor­aus­schauend auf. Er war nie einer, der den Kopf oben hatte. Nie­mand, der sein Umfeld zu scannen ver­suchte. Ein typi­scher Schmelzer hatte den Kopf gesenkt, Blick auf den Ball. Ver­mut­lich hätte er seine Beine ansonsten auch nur schwer koor­di­niert bekommen. Mit dem Kopf durch die Wand wird nicht gehen. Da siegt zum Schluss immer die Wand“, hat Angela Merkel mal gesagt. Natür­lich in einem völlig anderen Zusam­men­hang. Es ging um einen Tarif­kon­flikt zwi­schen der Lok­füh­rer­ge­sell­schaft GDL und der Bahn. Hätte sie Marcel Schmelzer aber zu diesem Zeit­punkt gekannt, viel­leicht hätte sie diesen Satz dann nie gesagt.

Schließ­lich hat der das erfolg­reiche Kopf-durch-die-Wand-Prinzip paten­tiert. Was näm­lich genau seine Stärken sind, ist gar nicht so ein­fach her­aus­zu­stellen. Er hatte keinen feinen Fuß, war kein kluger Ver­tei­diger, hatte nicht das größte Spiel­ver­ständnis, unver­gessen in Dort­mund seine 70-Meter-Flan­ken­läufe, um den Ball dann in den Ober­rang zu prü­geln. Doch, und das ist manchmal schon genug: Schmelzer hat einen Kopf, zwei funk­tio­nie­rende Beine und ein ver­dammt großes Herz. Und wenn ein Spieler diese drei Kom­po­nenten auf den Rasen bekommt, dann kann selbst für einen limi­tierten Kicker aus Sachsen-Anhalt eine der­ar­tige Fuß­ball­reise zustande kommen. Und wenn er dafür mit dem Kopf durch die Wand muss.

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Nuri Sahin, Marcel Schmelzer und Lukas Piszczek nach dem Pokal­sieg 2017.

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Und sowieso gilt: Wer sein Team gegen Real Madrid zum Sieg schießt, der hat eine lebens­lange Aus­rede für jede Flanke, die hin­term Tor landet, jeden Pass, der ver­hun­gert und jeden Ball, den er an der Sei­ten­aus­linie kläg­lich ver­stol­pert.

Mit Marcel Schmelzer ver­liert die Bun­des­liga nun ihren ver­eins­treu­esten Spieler. Nicht mal Thomas Müller kommt auf die 13 Jahre und 10 Monate, die Schmelzer beim BVB unter Ver­trag gestanden hat. Ein wun­der­samer Abschied wie Lukas Piszczek im ver­gan­genen Jahr wird ihm am Samstag leider nicht zuteil. Schmelzer stand beim BVB in diesem Jahr bloß noch unter Ver­trag, weil er seine Reha nach einer Knie-OP in gewohntem Umfeld absol­vieren sollte. Er habe seit vier Monaten nicht trai­niert, ein Ein­satz am Samstag sei dem­nach nicht umsetzbar“, sagte Trainer Marco Rose. Auch wenn ich es mir wün­schen würde und ich weiß, dass sich auch die Fans das wün­schen würden.“ Es kommt also kein 368. Ein­satz hinzu. Auch nicht für zwölf Sekunden. Doch was ist das schon wert, ver­gli­chen mit einer Kar­riere für die Dort­munder Ewig­keit?