Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp und Berater Roger Wittmann sind durch komplizierte Firmengeflechte in die Geschäfte eines unterklassigen brasilianischen Klubs verwickelt. Über eine Zusammenarbeit, die Fragen aufwirft.
Der Barra Futebol Clube ist ein kleiner, unscheinbarer Klub aus der Stadt Balneario Camboriu im Bundesstaat Santa Catarina an der brasilianischen Ostküste. Er wurde erst 2013 gegründet und kickt seitdem in den Regionalmeisterschaften des Landes. Am bekanntesten ist der Verein vermutlich für etwas, womit er nur mittelbar zu tun hat: Beim tragischen Flugzeugabsturz von Chapecoense Ende 2016 war Matheus Biteco, ehemaliger Gastspieler bei Hoffenheim und damals bei Barra FC unter Vertrag, unter den Opfern. Auch Yann Rolim, früher unter anderem beim FSV Frankfurt und dem Karlsruher SC in der zweiten Bundesliga aktiv, ist vertraglich an den Klub gebunden. Sein Marktwert wird auf immerhin 325.000 Euro taxiert. Ein vermeintlich unbedeutender Verein also, der dennoch wiederholt Spieler bei höherklassigen Vereinen platzieren konnte.
Ist der Barra FC nur ein ambitionierter Verein oder dient er als Werkzeug höherer Interessen? Recherchen des Kicker deuten zumindest auf enge Beziehungen zwischen Roger Wittmanns Berateragentur Rogon und dem brasilianischen Verein hin. Benjamin Pereira Sobrinho etwa ist Präsident des Barra FC und arbeitet (oder arbeitete) zugleich als Scout für Rogon. Auch Marcos Menezes war mehrere Jahre als Scout und Marktanalyst für Rogon und den brasilianischen Verein tätig.
Zudem gibt es schon länger Verbindungen zwischen Dietmar Hopp und Roger Wittmann: So berät Rogon beispielsweise Roberto Firmino, der 2015 für satte 41 Millionen Euro von Hoffenheim zum FC Liverpool wechselte. Auch sein Landsmann Joelinton, der für 45 Millionen Euro von den Kraichgauern zu Newcastle United ging, gehört zu Rogon. Doch wie eng sind die Verbindungen von Hopp/Rogon zum Barra FC?
Ziemlich eng, wie die Kicker-Recherchen nun zeigen. Denn der Mäzen der TSG Hoffenheim ist über Wittmann und Rogon durch komplizierte Firmengeflechte mit dem brasilianischen Drittligisten verbunden. So heißt der Rechteinhaber des Barra FC seit kurzem Braho Administracao de Bens Ltda., ein Unternehmen, das seinen Bürostiz mit der Roger Wittmann zugehörigen Firma Rawi Investimentos Ltda. teilt. Die Braho Ltda. gehört über mehrere Sub-Unternehmen wiederum der Firmen DH-Holding GmbH und der ILC Besitz GmbH & Co. KG. Sie haben eines gemeinsam: Geschäftsführer der beiden ist Oliver Hopp, Sohn von Dietmar Hopp. Bei letzterer Firma ist zudem Hopps zweiter Sohn Daniel Co-Vorsitzender.
Vereinskooperationen sind im heutigen Fußball nichts Neues, auch nicht für Hoffenheim. Vor einem Jahr etwa, verriet Tomislav Stipic, ehemaliger Trainer beim chinesischen Nantong Zhiyun, gegenüber Spox, dass die „Trikots, die Spielweise und die Geschäftsstelle des chinesischen Vereins“ denen der TSG Hoffenheim ähneln sollten. Damals hatte der Klub eine Kooperation mit Hopps Unternehmen SAP und Rogon abgeschlossen. Das Projekt wurde allerdings nach ein paar Jahren wegen Unstimmigkeiten auf Eis gelegt. Holger Kliem, Medienchef bei Hoffenheim, dementierte damals übrigens Stipics Aussagen, er hätte ein Cheftrainer-Angebot der TSG vorliegen gehabt. „Und auch vom Rest der Geschichte ist bei uns keinem etwas bekannt“, so Kliem. 2017 gingen die Sinsheimer dann eine Kooperation im Jugendbereich mit dem chinesischen zweitligisten Meizhou Hakka Football Club ein.
Doch die Zusammenarbeit mit dem Barra FC scheint eine andere Dimension anzunehmen: Denn es steht der Verdacht im Raum, dass der Klub über Hopp und Rogon mit einem von einer Berateragentur gegründeten Verein kooperiert. Ist diese Zusammenarbeit gar eine Art des 2015 von der FIFA verbotenen TPO-Systems? TPO steht für Third-Party-Ownership und funktioniert wie folgt: Eine dritte Partei wie beispielsweise eine Spielerberateragentur erkauft sich die Rechte eines Spielers und kann so an einem späteren Verkauf des Spielers verdienen. Dadurch wird das finanzielle Risiko der Vereine reduziert. Allerdings wird das System oft als eine Form von modernem Sklaventum kritisiert, da es „einen oft noch sehr jungen Spieler zu einem Quasi-Leibegenen verschiedener Beteiligter reduziert“, sagt Hans-Joachim Eckert, ehemaliges Mitglied der FIFA-Ethikkommission, gegenüber dem Kicker.
Im Fall Barra-Rogon sieht man am Beispiel Yann Rolim, wie das in der Praxis funktioneren kann: Durch sein Engagement bei Barra konnte Rogon sich die Transferrechte des Spielers erwerben. Ob auch die TSG Hoffenheim direkt oder indirekt von der Hopp-Rogon-Barra-Verbindung profitiert und sogar möglicherweise in verbotene TPO-Geschäfte verwickelt ist, ist unklar.
Dass Hoffenheim und Rogon bereits lukrative Geschäfte machen konnten, die ebenfalls unter TPO-Verdacht stehen, wurde im Fall Roberto Firmino klar: Die Spielerberaterfirma Transfair, die von Dietmar Hopp mitbegründet wurde und 15 Prozent der Transferrechte am heutigen Liverpool-Stürmer hält, erwarb 2014 für 20 Millionen Euro auch die restlichen 85 Prozent. Laut Enthüllungen der Football Leaks überwies Hoffenheim nach Firminos Transfer zum FC Liverpool 70 Prozent der Transfersumme an Transfair. In anderen Worten: Die TSG aus Hoffenheim war schon in der Vergangeheit in dubiose Geschäften verwickelt. Und auch die komplizierten Verstrickungen zwischen Dietmar Hopp, Rogon und dem Barra FC werfen mehr Fragen auf als sie beantworten.