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Seite 2: Eine selbsterfüllende Prophezeiung?

Dann sind da die Reisen. Früher konnte die Anfahrt zu einem Aus­wärts­spiel mit echten Stra­pazen ver­bunden sein, viel­leicht gar mit Aben­teuern wie dem Besteigen eines zwei­mo­to­rigen Ost­block­flug­zeugs. Das ist heute nicht mehr so, trotzdem bleibt jede Reise eine Fahrt ins Unge­wisse. Umge­kehrt könnten Sportler daheim eine Art Grund­ver­trauen spüren, weil sich jeder Mensch an einem ihm bekannten Ort sicherer fühlt. Die ver­traute Umge­bung ist wich­tiger als der Ein­fluss des Heim­pu­bli­kums“, sagt daher Günter Ames­berger, lange sport­psy­cho­lo­gi­scher Betreuer der öster­rei­chi­schen Natio­nal­mann­schaft.

Der Psy­cho­loge Strauß ver­tritt eine dritte These. Er sagt, dass der Heim­vor­teil nicht viel mehr ist als eine Art selbst­er­fül­lende Pro­phe­zeiung: Die Spieler der Heimelf glauben, dass sie einen Vor­teil haben, und gehen daher mit grö­ßerem Selbst­ver­trauen in die Partie, wäh­rend die Gäste ver­un­si­chert sind, weil sie sich im Nach­teil wähnen.

Unauf­halt­sames Schrumpfen

Die meisten Wis­sen­schaftler halten den Heim­vor­teil für eine Kom­bi­na­tion aus all diesen Ele­menten. Doch selbst daran gibt es Zweifel seit einer Studie der schwe­di­schen Uni­ver­sität Gävle, deren Ergeb­nisse man im März 2013 in der Zeit­schrift Journal of Sport Beha­viour“ nach­lesen konnte. Drei Psy­cho­logen hatten sich einen Sport ange­sehen, in dem es keinen Schieds­richter und keine Zuschauer gibt: Schach. Die Schweden ana­ly­sierten die Resul­tate von zehn Jahren und schluss­fol­gerten: Solange die Teams Spieler von annä­hernd glei­cher Stärke haben, lässt sich kein Heim­vor­teil fest­stellen.“ Die Autoren glauben, dass dies die These von der selbst­er­fül­lenden Pro­phe­zeiung wider­legt und auch die Bedeu­tung der ver­trauten Umge­bung min­dert. Ihre Studie, schreiben sie, stützt die Ver­mu­tung, dass der Heim­vor­teil durch das Publikum und den Schieds­richter ent­steht“.

Doch es geht immer weiter: Denn seit geraumer Zeit beob­achten Sta­tis­tiker im Fuß­ball ein inter­es­santes Phä­nomen – das unauf­halt­same Schrumpfen des Heim­vor­teils. Die oben erwähnten 50,9 Pro­zent der Spiele in der Bun­des­liga, die einen Heim­sieg pro­du­zieren, stellen ja nur einen Mit­tel­wert dar. Span­nend wird es, wenn man sich die Ent­wick­lung ansieht. So endeten in den ersten 25 Jahren der Liga­ge­schichte nie weniger als 50 Pro­zent der Spiele mit einem Erfolg des Gast­ge­bers. Doch seit 2004 wurde diese Marke kein ein­ziges Mal mehr geknackt. Der his­to­ri­sche Höchst­wert stammt aus dem Jahr 1978, als die Heim­teams 62,4 Pro­zent der Spiele gewannen, der schlech­teste Wert liegt bei 40,2 Pro­zent und wurde zweimal erreicht, 1991 und 1996. Auch des­wegen schreibt die Sta­tis­ti­kerin Eva Hein­richs: Ende der acht­ziger, Anfang der neun­ziger Jahre kommt die Trend­wende. War bis dahin der Heim­vor­teil vor­handen und stark, nimmt seit diesem Zeit­punkt die Bedeu­tung signi­fi­kant ab.“