Nirgendwo auf der Welt sind Machismo und Fußball so eng verknüpft wie in Lateinamerika. Umso erstaunlicher ist die Erfolgsgeschichte von „Fútbol de Tacón“ aus Honduras. Das Radioprogramm von Frauen für Frauen begeistert längst auch männliche Anhänger, und das weltweit.
Irgendwie scheinen Erfolgsgeschichten immer mit einem Drink zu beginnen. Anfangs war es nichts weiter als eine Schnapsidee: Irgendwann vor zwei Jahren, bei einem gemütlichen Cocktail unter Freundinnen, kam der Sportjournalistin Alejandra Carillo und ihren Kolleginnen ein aberwitziger Gedanke: „Wir sind Frauen, wie lieben Fußball – warum machen wir nicht eine Radiosendung darüber? Von Frauen, und für Frauen.“ Aus der Euphorie der fünf jungen Damen wurde „Fútbol de Tacón“ geboren. „Tacón“ ist dabei ein raffiniertes Wortspiel, kann sowohl „Absatz“ als auch „Stollen“ bedeuten. Heute ist die Fußballsendung eines der erfolgreichsten Sportprogramme im Radio in Honduras.
Etwa 5000 Hörer schalten im Schnitt zu, wenn Carillo und ihre Freudinnen am Samstag vor den Ligaspielen von 17 bis 18 Uhr über Themen rund um den Fußball fachsimpeln. Zum Vergleich: zu einem normalen Match in der höchsten honduranischen Spielklasse, der „Liga Nacional de Fútbol Profesional de Honduras“, gehen etwa 300 Leute – ein Drittel davon Frauen, Fußball ist der populärste Sport des Landes. Aber: „Die Fans hier sind extrem launisch“ verrät Carillo. „Wenn ihr Team gewinnt, ist beim nächsten Spiel das Stadion voll. Verlieren sie aber, will plötzlich keiner mehr hingehen.“ Die Nationalmannschaft habe übrigens dasselbe Problem mit ihren Anhängern.
Beliebteste Themen: Ronaldos Modeeskapaden und das Liebesleben von Pique
Carillo und ihre Kolleginnen schwimmen auf einer Welle der Sympathie und haben sich mit professionellem Sportjournalismus und einer vielfältigen Themenauswahl mittlerweile Zuhörer in aller Welt erarbeitet – und den Respekt ihrer männlichen Kollegen. Jede der fünf Freundinnen ist für einen anderen Themenbereich zuständig, wenn Samstag abends über den Fußball gefachsimpelt wird. Die beliebteste Kategorie der Sendung ist „Fútbol Fashion“, da lästern sie dann über Cristiano Ronaldos neueste Eskapaden/Frisuren oder das Liebesleben von Piqué und Shakira. Und längst haben sie sich über die Grenzen von Honduras hinaus einen Namen gemacht, werden heute regelmäßig als Expertinnen in TV-Shows eingeladen oder für Spiel-Einschätzungen zugeschaltet.
„Ende des Jahres bekommen wir wohl sogar unsere eigene Fernsehshow“, sagt Carillo stolz. „Dann werden wir täglich auf Sendung sein.“ Anfangs, so gibt sie zu, habe man schon ein wenig Angst vor dem in Honduras herrschenden (Fußball-)Machsimo gehabt, doch auch die Männerwelt würde „Fútbol de Tacón“ sehr positiv aufnehmen und unterstützen. Und auch sonst profitieren sie immer mehr von der Popularität ihres Programmes: eine von ihnen wurde kürzlich zur Programmchefin für das Web TV von „Diario Diez“ befördert, die größte Sportzeitung des Landes. Carillo selbst arbeitet als Editorin bei der „Grupo OPSA“, dem größten Zeitschriftenverlag von Honduras. „Trotzdem gibt es zwischen uns weder Neid noch Stutenbissigkeiten. Jede hat ja hier ihre individuelle Rolle, und da ergänzen wir uns sehr gut.“
Dabei müssen die Ladies trotz ihres Erfolges immer noch Woche für Woche um das Überleben ihrer Sendung kämpfen, denn „Fútbol de Tacón“ ist eine unabhängig produzierte Sendung. Monatlich wird so für das benötigte Radiostudio eine Miete von etwa 1500 US-Dollar fällig – das Durchschnittsgehalt in Honduras beträgt kaum 200 Dollar. Erschwerend hinzu kommt der Kampf um die sehr wankelmütigen Fans. Auch für die Radiomacher ist das ein Problem.
„Verliert die Selektion oder ein populäres Team ein Spiel, schalten die Leute plötzlich nicht mehr zu. Dann verkaufen wir natürlich auch weniger Werbeplätze.“ Auch über der Liga in Honduras schwebt beständig dieses Damokles-Schwert, das „Estadio Nacional“ in der Hauptstadt Tegucigalpa bleibt meist gähnend leer, was schon zu den aberwitzigsten Promo-Aktionen geführt hat: Wer seine Familie zu einem Spiel mitbringt, kommt umsonst rein, genauso Pärchen, die sich am Eingang des Stadions küssen. Fans, die das Trikot ihrer Mannschaft tragen, müssen nur den halben Preis bezahlen – eine normale Eintrittskarte kostet zwischen drei und vier Dollar, auch das für die meisten Honduraner unerschwinglich.
„Wir haben uns den Respekt verdient“
Trotz des Erfolges von „Fútbol de Tacón“: Der Frauenfußball selbst befindet sich in dem mittelamerikanischen Land noch immer in den Kinderschuhen. Honduras hat erst seit 1998 eine eigene Damen-Nationalmannschaft, die sich noch dazu bisher nie für ein großes Turnier wie Olympia oder die WM qualifizieren konnte. Fußball ist hier auch ein Sport, den sich nur betuchte Familien für ihre Töchter leisten können, und selbst die kicken dann nur auf einem Feld, das in Deutschland bestenfalls als Dorfacker bezeichnet werden würde. Doch das ficht die jungen Damen nicht an: Im Herbst 2000 gab es Tegucigalpa die erste offizielle Stadtmeisterschaft für Mädchen der A- und B‑Jugend, seitdem werden regelmäßig Turniere ausgetragen. Und Programme wie „Fútbol de Tacón“ tragen zu immer mehr Akzeptanz und Begeisterung bei. Das Schönste dabei für Carillo und ihre Freundinnen: „Wir haben uns damit Respekt verdient und die Tür für andere Frauen in den Sport geöffnet.“