Schalke hat mit Christian Gross einen neuen Trainer und mit Sead Kolasinac einen neuen Wahnsinnigen, aber nur vage Aussichten auf weitere Verstärkungen. Die ersten Fans beginnen schon mit der Trauerarbeit.
Um den unguten Eindruck abzurunden forderte Gross in aller Öffentlichkeit gleich mal neue Spieler. Das sah seine Mannschaft auch so. „Es fehlen Qualität, Energie, Spielfreude“, stellte Alessandro Schöpf einen Totalschaden fest. Mark Uth sagte: „Wir brauchen jetzt Spieler, die uns sofort weiterhelfen.“ Die soll der zutiefst bemitleidenswerte Jochen Schneider heranschaffen. Ein sympathischer Mann, aber auch ein Manager von enorm trauriger Gestalt. Zumindest emotional gelungen ist Schneider etwas mit der Ausleihe von Sead Kolasinac. Mike Büskens, zuletzt Co-Trainer unter Interimscoach Huub Stevens, schrieb bei Instagram völlig aus dem Häuschen: „Endlich sehe ich den personifizierten Wahnsinn wieder im richtigen Trikot. In den letzten Wochen waren alle davon beseelt, Seo zurück an die Emscher zu holen.“
Kolasinac, in der Schalker Jugend ausgebildet, ist Fan des Klubs. Er machte eine Mottofahrt der Ultras Gelsenkirchen mit und sah 2017 das Spiel in Ingolstadt, bei dem er gesperrt war, aus dem Gästeblock. So ein Spieler würde überall geliebt. Nur soll der wilde Linksverteidiger fast schon im Alleingang die Schalker Verzagtheit vertreiben. Das ist vermutlich etwas viel verlangt von einem Spieler, der in dieser Saison beim kriselnden FC Arsenal gerade mal 727 Minuten eingesetzt wurde und das nur in nachrangigen Wettbewerben. In der Premier League machte er exakt ein Spiel. Die Abwehr ist zudem zwar einer der Brennpunkte bei Schalke, aber eigentlich fehlt vor allem ein Rechts- und kein Linksverteidiger. Und noch mehr fehlt es an Qualität im Angriff. Bei vielen Werten für ein erfolgreiches Offensivspiel steht Schalke auf einem Abstiegsplatz, ob bei den Pässen ins letzte Drittel oder der Zahl der Schüsse aufs Tor – von denen ins Tor (sieben) ganz zu schweigen.
Am Donnerstag wurde klar, dass der Klub bei möglichen Verstärkungen nicht auf Geld von Clemens Tönnies zurückgreifen wird, um mögliche Neueinkäufe wie auch immer zu finanzieren. Für den inneren Frieden des zerrissenen Klubs ist das sicherlich richtig, auf dem Transfermarkt wird es nun aber noch schwieriger. Ablösefreie Spieler oder Leihprofis der Kategorie „Soforthelfer“ zu finden, wäre ein Wunder. Dass sich der ausleihwillige Mitchell Weiser von Bayer Leverkusen gleich mal verletzte, passt ins Bild. Ob der formschwache Ozan Kabak mitten in einer Pandemie-Saison die bislang geforderten 25 Millionen Euro Ablöse bringt, ist mehr als fraglich. Der AC Mailand ist zwar schon länger interessiert, will aber nicht mehr als 15 Millionen bezahlen. Immerhin ist erst einmal Rabbi Matondo von der Payroll, der einst für neun Millionen Euro verpflichtet Spieler wurde zum englischen Zweitligisten Stoke City verliehen.
Die Aussichten von Schalke jedenfalls sind so düster, dass es für die Fans des Klubs vielleicht wirklich das beste ist, Holger Brinschwitz auf seinen Gedankenwegen zu folgen. „Ein wenig Hoffnung macht, dass nach fast einem Drittel aller Abstiege nach ein oder zwei Jahren direkt der Wiederaufstieg folgte“, macht er sich Mut. Denn selbst wenn es gerade nicht so aussieht: Auch für Schalke werden wieder bessere Tage kommen. Wann auch immer.