Eine Woche vor dem Saisonstart scharren die Drittliga-Aufsteiger mit den Hufen. Doch wer sind die vier Neuen eigentlich? Antwort: Ein Mix aus überbordender Emotion, teuflischer Tradition und pharmazeutisch gestärktem Lokalkolorit.
Der Running Gag geht so: Rot-Weiss Essen gibt das Ziel Drittliga-Aufstieg aus, bastelt sich einen teuren Kader zusammen – und verspielt die Sache letztlich doch. Gerne auch auf kuriose Weise. In diesem Jahr schien es ein Böllerwurf samt Abbruch der Partie gegen Preußen Münster zu sein, der den Aufstieg kostet. Überraschenderweise klappte es am Ende doch. Der RWE ist wieder da – nach 14 Jahren Regionalliga-Tristesse. Dass der Verein in den Profifußball gehört, ist ohnehin unübersehbar: ehemaliger deutscher Meister, Fanbase wie ein Bundesligist, finanzstarke Geldgeber um Modeunternehmer Sascha Peljhan im Hintergrund.
Nur: Die damit einhergehenden Ansprüche flogen den Jungs von der Hafenstraße eben Jahr für Jahr um die Ohren. Beweis für das unruhige Terrain in Essen: der Trainerverschleiß der jüngeren Vergangenheit. Erst kürzlich, zwei Spieltage vor Ende der abgelaufenen Saison, musste Christian Neidhardt dran glauben – auf Tabellenplatz zwei mit allen Chancen auf den Aufstieg. Neidhardt ist inzwischen bei Ligakonkurrent Mannheim untergekommen, in Essen versucht sich der aus Hannover gekommene Christoph Dabrowski. Noch kann er in Ruhe arbeiten, noch surft RWE lässig auf der Euphoriewelle. 3.000 Fans beim Trainingsstart stellten sogar den großen Ruhrpottnachbarn Borussia Dortmund in den Schatten.
Ob es so harmonisch bleibt, wird schon der Saisonstart zeigen. Klar ist nämlich, dass der Kader der Essener nicht dem eines durchschnittlichen Aufsteigers entspricht. RWE konnte es sich bisher leisten, den Anbiederungsversuchen höherklassiger Vereine zu widerstehen und die komplette Truppe beisammenzuhalten. Hinzu kamen Verteidiger Björn Rother und Flügelspieler Lawrence Ennali von den Zweitligisten aus Rostock und Hannover sowie Angreifer Ron Berlinski vom SC Verl. Potenzial ist also ohne Ende vorhanden. Ein Platz im Tabellenmittelfeld scheint nicht unrealistisch. Doch sehnt sich die geschundene RWE-Seele nach mehr. Gefühlte Größe und Realität sollen endlich wieder zusammenpassen. Also, 2. Bundesliga, mindestens. Dabei besonders wichtig: ruhig bleiben.
Ortsmarke: Spiesen-Elversberg. Klingt nach einem kleinen Kaff. Ist es auch. Nur rund 12.000 Einwohner bevölkern die Gemeinde im südöstlichen Saarland. Allerdings lassen sich die überschaubaren demographischen Daten des Ortes nicht ohne weiteres auf seinen Fußballverein übertragen. Unter den vier Aufsteigern ist die SV Elversberg nämlich ein Schwergewicht – zumindest in infrastruktureller und finanzieller Hinsicht. Der Aufstieg aus der knochenharten Regionalliga Südwest? Alles andere als eine Überraschung. So kratzte der SVE in den vergangenen Jahren immer wieder an der Tür zum Profigeschäft, scheiterte mehrfach erst in den Aufstiegsspielen. Für ein Jahr, in der Saison 2013/14, durfte Elversberg bereits Drittligaluft atmen.
Dieses Mal soll es nicht bei einem kurzen Abstecher nach oben bleiben. Die Vorzeichen dafür stehen gut: Trainer Horst Steffen (früher Chemnitz, Münster und Stuttgarter Kickers) ist seit knapp vier Jahren im Amt und weiß genau, was seine Mannschaft draufhat. Und das ist so einiges, wie der Blick auf den Kader zeigt. Die Profierfahrung trieft der Truppe geradezu aus den Poren. Allein in der 3. Liga bringen es die Spieler zusammengenommen auf eine vierstellige Zahl an Pflichtspielen. Namen wie Kevin Conrad, Carlo Sickinger oder Luca Schnellbacher sind der Konkurrenz bestens bekannt – sicher nicht unter der Kategorie Rohrkrepierer.
Die SVE kann sich in finanzieller Hinsicht auf seinen Hauptsponsor Ursapharm verlassen. Geschäftsführer Frank Holzer war früher Präsident des Vereins, ehe er in den Aufsichtsrat wechselte. Sohn Dominik übernahm das Präsidium. Wenig überraschend, dass auch das Stadion an der Kaiserlinde den Namen des Pharmaunternehmens trägt. Für namhafte Neuzugänge waren ebenfalls noch ein paar Euro übrig. Innenverteidiger Marcel Correia etwa kam von Zweitligist Paderborn. Empfehlung: 19 Bundesliga- und 188 Zweitligaspiele. Auch Bremens Thore Jacobsen hat bereits Rang und Namen. Wenn schon nicht in Sachen Fanszene, so bewegt sich die SVE bei der Kaderqualität doch in den Sphären von Rot-Weiss Essen.