Weil die Flugzeuge nicht fliegen, wird der FC Liverpool heute Abend auf einen Großteil seiner Anhänger verzichten müssen, das vermelden jedenfalls die Agenturen. Schade eigentlich für die Stadt Madrid, denn die Jungs aus Liverpool haben in der Vergangenheit durchaus bewiesen, dass sie ganz spezielle Gäste mit hohem Unterhaltungswert sein können.
Nicholas Allt hat mit seinem Buch „The Boys from the mersey“ (in Deutschland im „Trolsen-Verlag“) erschienen, seinen Scousers ein besonderes Denkmal gesetzt. Wir haben Euch mal ein paar der schönsten Auswärtsanekdoten rausgesucht…
Europapokal-Halbfinale 1978
Mönchengladbach
„Bei früheren Liverpool-Spielen in Deutschland, in Frankfurt und auf dem Weg nach Dresden, kamen einige Leute, die nie auch nur zwei Pennis in der Tasche gehabt hatten, um mit ihnen zu klimpern, auf eine neue Art des Geldbeschaffens. Das begann, als die deutschen Krankenhäuser damit begannen, um Blutspenden zu werben. Während man in England eine mitfühlende und karikative Ader haben musste, war dies im Vaterland eine geschäftliche Angelegenheit; denn man bekam etwa fünfzehn Pfund, wenn man ´nen Halben mit der eigenen Tomatensoße den sonnenliegen-räubernden Doktoren und Krankenschwestern aus Germany überreichte.
Solche Nachrichten machen schnell die Runde, und als das Gladbach-Spiel kam, wollten wir alle auf diesem Wege zu Geld kommen. Kaum hatte die größte Gruppe unserer Leute eine Gelegenheit zum Blutspenden gefunden, da standen schon hundert junge Männer in der Schlange – schneller, als man sagen konnte: „Sportschau-Moderator Frank Bough trägt Strapse“. Nachdem er bereits gutes Scouser-Blut übergeben hatte, verkleidete sich Joey O, um sich dann erneut anzustellen, und einige andere beeilten sich, es ihm gleichzutun. Ein Haufen Pimmelköpfe! Joey wäre beinahe gestorben, und das für nur 30 Ditscher. Wie dumm, denn vermutlich wurde ihm nur Blut abgenommen, um Adolf Hitler davon eine Infusion zu geben, von dem man annahm, er würde unter falschem Namen in einem Bungalow bei Köln leben. Außerdem schien wahrscheinlich, dass der Keyboard-Spieler der Band Sparks in Wirklichkeit der brillant verkleidete Adolf war.
Saisonvorbereitung 1981
Zürich
Zu dieser Zeit kamen die Fahrtangebote für Ausflüge nach Europa volles Programm. Denn, obacht, jetzt! Wo entschloss sich Liverpool FC, eine Saisonvorbereitungstour zu absolvieren? Nirgendwo anders, als in jenem guten, alten Liverpooler Lagerhaus, das LFC-Fans „Vorgezogene Weihnachten“ nannte, der Rest des Landes jedoch unter dem Namen „Schweiz“ kannte. Europa bat die Annie Road Boys zum Tanz, als die Eröffnungstour 1981 anstand. Geschichten unzähliger Reichtümer, von Straßen gepflastert mit Rolex, und Samba mit goldenen Sohlen machten schon seit Jahren die Runde, erzählt von den frühen Allesfahrern wie unserem Haufen.
Jene Straßen waren wirklich gepflastert mit Halsketten von der Größe und Länge einer alten Klospülung, rechteckigen Siegelringen, die an Kaffeetabletts erinnerten und original güldenen Ohrringen in WC-Brillen-Größe. Der Abend des großen Spiels kam. Und mit ihm der Regen, Es regnete so heftig, dass das Spiel hastig auf den nächsten Tag verschoben wurde. Aber nun wussten all die jungen Engländer nicht, wohin sie gehen sollten, und aus dem grauen Himmel wurde schnell der wohlbekannte rote Nebel vor ihren Augen, während sie sich mit 300 Mann vom netten, kleinen Stadion mit der Straßenbahn Richtung Stadtzentrum begaben. Von hier an kann ich nur sagen, dass die Heuschrecken die Straßenbahnen verließen, um dann systematisch fünfzehn bis zwanzig Juweliere zu verspeisen. Liverpool sah in jener Woche aus, als würde die Stadt der Juwelier-Kette Samuel gehören, aber mit weniger Onyx, dafür mehr Gold überall.
Der nächste Tag in Zürich erinnerte an an eine Szene aus Mad Max oder The Warriors, denn die Stadtverwaltung – oder die örtliche Polizei – entschloss sich, eine an die Hell´s Angels erinnernde Security-Truppe zu engagieren, die die Bekleidungs- und Schmuckgeschäfte mit ihren bereits eingeschlagenen Fenstern bewachen sollten. Diese riesigen, am Arsch behaarten Ketten- und Messerwirbler standen überall herum. Ich vermute, Scouser-getestetes Doppelglas fand in den folgenden Tagen rasenden Absatz. Die Einkaufsstraßen insgesamt sahen aus, als hätten sie gerade einen Wirbelsturm überstanden. Jeder aus Liverpool, der sich am nächsten Tage in der Gegend zeigte, wurde entweder gejagt oder gar von den bayrischen Hell´s Angels verprügelt. Einer der Unschuldigen wurde von einer großen Gruppe knüppelschwingender bayrischer Biker gestellt. Als man ihn in die Ecke drängte, machte er sich vor Angst in die Hose. War eben eine angsteinflößende Bande, diese Bayern. Des Einen Mad Max, des Anderen Hosendrecks. Noch heute hört der gute Mann auf den Spitznamen „Puh-Ah-Ah“.
Europapokal-Halbfinale 1981
München
Das Halbfinale war gekommen, und wir hatten gegen die Meister des Vaterlandes, Bayern München, zu spielen. Das Hinspiel fand an der Anfield Road statt und endete mit einem 0:0‑Unentschieden. Und wichtig war, was der Bayern-Kapitän sagte; Herr, Entschuldigung, „Hair“ Paul Breitner, ein Mann, der wie Rory McGrath aussah – man kennt solche Leute; das sind die, die, wenn sie sich ihre Springfeder-Locken waschen, in den Spiegel schauen und denken, ach scheiß drauf, dann ich mir auch gleich das ganze Gesicht einschampoonieren; is ja eh alles gleich. Flaumgesicht sagte also, Liverpool würde im Rückspiel von des Kaisers Mannen auseinandergenommen werden. Also nahm auch der Rest von München an, wir würden nur mit unseren üblichen Adidas-Taschen voller zollfreier Beschaffungen nach Hause fahren.
Mo-ment! Warte mal eben, du unverschämte, schamhaarköpfige deutsche Ausführung eines Leo Sayer, und was ist mit den Klamotten, speziell einem Paar von diesen sanften, bayrischen Lätzchen mit Hosenträgern, die aussehen wie frisch aus dem Rentier geschnitten? Die würden doch kernig aussehen, mit einem netten Paar Sandalen. Am Nachmittag vor dem Spiel gelangte ein Liverpooler Straßenkind, pleite durch die Innenstadt Münchens stolpernd, in ein Museum, in dem unter anderem die Manschettenknöpfe Adolf Hitlers ausgestellt waren. Unser junger Mann unterrichtete die anderen Jungs in den Bierkellern Münchens, er gedenke, diese an sich zu nehmen.
Etwa eine halbe Stunde später kam der Junge wieder– mit ein paar Freunden, und mit einem Paar Manschettenknöpfe in der Hand. Sofort war er bereit die Ware an den Mann zu bringen: Es war Zeit für „Nenn Deinen Preis!“. Andere bürgten für ihn; der Junge war kein Geschichtenerzähler. Ach du Kacke! Wie berechnet man einen Preis für ein Stück Natzi-Reliquie wie dieser? Einige, deren Köpfe schon gut mit Gunter Spezial-Bräu abgefüllt waren, glaubten partout nicht an die Echtheit der Teile. Letztlich kam kein Geschäft zustande, und der Gute kehrte nach Liverpool zurück, Hitlers Manschettenknöpfe im Münzfach seiner Geldbörse.
Das großartige Buch „The Boys from the mersey“ ist im „Trolsen-Verlag“ erschienen und kostet schmale 13,90 Euro.
Beim Verlag: trolsen.de
Im Original: amazon.de
In der deutschen Übersetzung: amazon.de