Über Hertha BSC wird in dieser Saison eine opulente Dokumentation gedreht. Fragt sich nur, welchen Platz das schwerverdauliche Spiel beim 1.FC Union darin findet.
Am 4. August letzten Jahres vermeldete das amerikanische Branchenmagazin Variety ein erstaunliches Filmprojekt. Regisseur James Marsh, der 2008 einen Oscar für den Film „Man on Wire” gewonnen hatte, in dem er einen illegalen Hochseillauf zwischen den Twin Towers in New York dokumentierte, würde in der deutschen Hauptstadt arbeiten. Dabei ging es um einen, so Variety, „ambitionierten Vierteiler, der die Geschichte Berlins durch das Prisma seines ikonischen Fußballklubs Hertha BSC sichtbar machen will“. Marsh erklärte zudem: „Wir lassen ein Dokument für die Nachwelt entstehen.“
Seither sind die Filmemacher fleißig dabei, Hertha durch diese Saison zu begleiten. Wie sich das heutzutage gehört, haben sie dazu überall ihre Kameras aufgestellt und sind so präsent, dass manch einer bei Hertha schon mit den Augen rollt. Aber so ist halt das Leben eines Big City Clubs, für den sich Entertainment-Schwergewichte aus den USA interessieren, weil Berlin natürlich „fucking awesome“ ist. Roaring Twenties, Hitler, The Wall, Techno im Berghain, der ganze crazy Shit halt, für den sich alle Welt interessiert – vor allem durch das Prisma von Hertha BSC.
So war auch am Sonntag eine sechsköpfige Crew nach Köpenick angereist, um An der Alten Försterei das Lokalderby beim 1.FC Union zu dokumentieren, oder wie man in Hollywood vermutlich sagt: Die Schlacht um Berlin. Sogar an der Trainerbank wurde eine Kamera arretiert, nur war leider vergessen worden, eine Fluggenehmigung für die Kameradrohne einzuholen. Dadurch blieb ein echter Höhepunkt ohne Luftaufnahme: ein mit Anpfiff beginnendes Feuerwerk, das unbekannte Pyromanen auf dem Dach einer Würstchenbude vermutlich sogar aus der Ferne zündeten. Es dauerte fast drei Minuten, knallte beeindruckend laut und die Bude wurde auch fast abgefackelt.
So ging dieses Hauptstadtderby wie ein ordentlicher B‑Movie los, und gerne würde man heute schon wissen, wie ein Oscargewinner das anschließende Gekicke veredelt. Denn im Grunde war spektakulär nur dessen fortgeschrittene Lausigkeit. Nachdem Union durch einen schönen Fernschuss von Robert Andrich früh in Führung gegangen war und kurz darauf noch eine weitere große Chance vergab, verwandelte sich das Spiel bald in ein anstrengendes Nichts. Nur wer auf Zweikämpfe im Sekundentakt steht und ähnlich häufige Ballbesitzwechsel, kam auf seine Kosten. Und das ist dann doch eine sehr kleine Zielgruppe.
Ansonsten war viel Schreierei und Reklamieren für die Nachwelt zu dokumentiern, wozu auch ein nicht immer ganz sattelfester Schiedsrichter einlud. Bald hatte man nicht mehr das Gefühl, dem Spiel der beiden besten Mannschaften der größten deutschen Stadt beizuwohnen, sondern dem Gekeife bei einem Kreisligakick. Wobei man sagen muss, dass Herthas Legende und Co-Trainer Zecke Neuendorf dem Ganzen an der Seitenlinie etwas gewohnt Basisverbundenes gab. Nicht, weil er so viel rumschie, aber sein Auftreten kann man ihn sich am Ascheplatz halt so gut wie in der Bundesliga vorstellen.
Vielleicht wird Hertha BSC in der Mini-Serie (Arbeitstitel „Welcome to Berlin“) ja durch das Prisma von Zecke Neuendorf erzählt, ein raffinierter Kniff wäre das. Oder durch den alten Schlawiner Pal Dardei, der als ewiger Herthaner den Klub gerade wieder zu sich führt, auch wenn er seiner Mannschaft hinterher grollte. „Heute war das nicht okay. Ich habe meine Mannschaft nicht erkannt, sie war komplett gelähmt.“ Weil den Gelähmten ein Foul von Union zu einem Elfer verhalf, reichte es zumindest zum Ausgleich. Der Treffer von Dodi Lukebakio war aber auch schon ein Drittel aller Hertha-Torschüsse.
Ein richtig guter Filmemacher dürfte sich von den schnöden Realitäten der Jetztzeit allerdings nicht zu sehr beeindrucken lassen. Einerseits gibt eine in Zeitlupe kokelnde Würstchenbude vielleicht ein Sinnbild lodernder Emotionen her. Und anderseits gibt’s ja immer noch die Vergangenheit mit dem ganzen aufregenden Berlin-Kram, von der Vorahnung kommender Größe ganz zu schweigen.