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Oliver Bier­hoff wackelte auf seinem Stuhl zweimal hin und her. Die Frage nach sin­kenden Zuschau­er­zahlen bei Spielen der deut­schen Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft gefiel ihm nicht. Gleich­wohl hat auch er die Zei­chen der Zeit regis­triert. Wir laufen gerade nicht vor­neweg“, sagte der 51-Jäh­rige, der seit einem Jahr den sper­rigen Titel Direktor Natio­nal­mann­schaften und Aka­demie“ trägt.

Aber wenn es nur das wäre, dass der wich­tigsten deut­schen Mann­schaft die Zuschauer weg­laufen. Die beiden anste­henden Qua­li­fi­ka­ti­ons­spiele zur Euro­pa­meis­ter­schaft 2020 am Samstag in Mön­chen­glad­bach gegen Weiß­russ­land und drei Tage später in Frank­furt am Main gegen Nord­ir­land werden erneut nicht aus­ver­kauft sein. Für das Spiel in Glad­bach sind bis­lang rund 30 000 und für das Spiel am Dienstag in Frank­furt gegen Nord­ir­land 37 000 Tickets ver­äu­ßert worden. Die – bei allem Respekt – über­schau­bare Zug­kraft der Geg­ner­schaft ist nur ein Grund. Denn zum Län­der­spiel vor einem Monat gegen den zwei­ma­ligen Welt­meister Argen­ti­nien blieb auch das ansonsten so stim­mungs­volle Dort­munder Sta­dion fast halb leer.

Abge­kühltes Ver­hältnis

Spä­tes­tens seit den desas­trösen Auf­tritten der Mann­schaft von Joa­chim Löw bei der WM im Sommer 2018 hat sich das Ver­hältnis der Deut­schen zu ihrer Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft merk­lich abge­kühlt. Fami­li­en­un­freund­liche Anstoß­zeiten, zum Teil gepfef­ferte Ein­tritts­preise und aus­blei­bender Erfolg haben die deut­sche Elf Sym­pa­thie­punkte gekostet. Auch des­halb wurden Län­der­spiele zuletzt in klei­nere Sta­dien wie die in Mainz und Wolfs­burg ver­geben.

Aber es gibt auch haus­ge­machte Pro­bleme. Unlängst hat Bier­hoff Fehler bei der Ver­mark­tung“ rund um das Natio­nal­team zuge­geben. Wir haben das, ja, ein biss­chen über­dreht. Wir haben das viel­leicht über­be­tont“, sagte Bier­hoff, als er nach Hash­tags oder Claims wie Die Mann­schaft“ befragt worden war. Des­halb haben wir das stark zurück­ge­nommen.“

Richtig ist, dass die Bewer­tungen sol­cher Aktionen auch vom sport­li­chen Ergebnis abhängen. Das Wich­tige ist, dass das Pro­dukt auf dem Platz passt. Wenn wir guten Fuß­ball spielen, sind die ganzen Logos völlig unwichtig“, sagte Bier­hoff. 2018 haben wir keine ein­zige Aktion mehr gemacht als 2014. Damals hatte es keine Dis­kus­sion gegeben. Aber davon, womit wir die Mann­schaft ver­binden, haben wir 2018 viel kaputt­ge­macht.“

Bis zum Titel­ge­winn bei der WM 2014 galt die Natio­nalelf als eine Art Vor­reiter, ja Leit­stern. Davon ist fünf Jahre später nicht mehr viel geblieben. Wir müssen uns bewusst werden, dass es nicht ein­fa­cher wird“, sagte Bier­hoff nun am Mitt­woch. Mit der WM 2006 im eigenen Land war eine große Euphorie um die Natio­nalelf ent­standen. Auf dieser Welle schwamm die Mann­schaft viele Jahre. Heute müssen wir mehr tun, um das halten zu können“, sagte Bier­hoff. Die Natio­nalelf befindet sich im Kampf um die Gunst des Publi­kums in einem harten Wett­be­werb mit einem Über­an­gebot an Fuß­ball. Der Fan muss auch aus Gründen der Kosten und Zeit Abstriche machen.

Goretzka mahnt

Aber auch sonst hat die Natio­nalelf nicht immer ein glück­li­ches Bild abge­geben. Vor und nach dem Spiel gegen Est­land vor einem Monat lösten Insta­gram-Likes von Ilkay Gün­dogan und Emre Can nega­tive Schlag­zeilen aus. Sie hatten ein Like unter ein Foto gesetzt, auf dem ein befreun­deter Natio­nal­spieler der Türkei per Tor­jubel die mili­tä­ri­sche Offen­sive der des Landes in Nord­sy­rien unter­stützte. Trotz klarer State­ments gegen Krieg und Terror durch die Spieler nach dem Est­land-Spiel, erin­nerten sich viele Fans an die Bilder von Mesut Özil und Gün­dogan mit dem tür­ki­schen Prä­si­denten Recep Tayyip Erdogan, die im Sommer 2018 eine Krise beim Deut­schen Fuß­ball-Bund (DFB) aus­lösten.

Nicht nur die Mann­schaft ist in einer Fin­dungs­phase. Auch die Spitze des DFB hatte in den zurück­lie­genden Jahren ein zum Teil erschre­ckendes Bild abge­geben und mithin ein gewal­tiges Image- und Ver­trau­ens­pro­blem an der Basis. Allein die drei letzten DFB-Prä­si­denten (Zwan­ziger, Niers­bach und Grindel) schei­terten und mussten vor­zeitig abdanken. Künftig kann es für den DFB und seine erste Mann­schaft nur darum gehen, ver­spielten Kredit zurück­zu­ge­winnen. Oder wie es Leon Goretzka am Mitt­woch aus­drückte: Man muss sehen, dass der Fuß­ball das bleibt, was er war – ein Volks­sport.“