Der Portugiese Luis Boa Morte war einer der ersten Transfers von Arsene Wenger beim FC Arsenal. Am Rande der Präsentation des neuen Puma-Schuhs „evoPOWER“ in Barcelona sprachen wir mit dem knallharten Defensivmann über den Mythos Arsenal und das Coming-out seines Ex-Kollegen Thomas Hitzlsperger.
Luis Boa Morte, Sie waren einer der ersten Spieler, den Arsene Wenger zum FC Arsenal holte. Welche Eindrücke sind Ihnen noch im Gedächtnis?
Ich war 19, ein blutjunger Spieler aus Portugal, der plötzlich mit den „Big Guys“ spielen durfte. Selbstverständlich war ich nervös und sehr unsicher, was mich erwarten würde. Aber meine Bedenken wurden schnell zerstreut. Ich wurde von allen mit offenen Armen empfangen. Es war, als wenn man in eine Familie kommt. Das ist im Profifußball nicht immer so, das können Sie mir glauben.
Vater dieser Familie war und ist Arsene Wenger. Als Sie 1996 verpflichtet wurden, hatte er gerade das Amt beim FC Arsenal übernommen. Was war er damals für ein Trainer?
Wenger vereint zwei Eigenschaften, die ihn zu einem außergewöhnlichen Trainer machen: Er kennt den Fußball wie kein Zweiter und ist ein echter Gentleman, ein toller Mensch. Bei mir war es so wie bei den vielen anderen Jungs, die nach mir zum Klub stießen: Er gab mir gleich das Gefühl, zur richtigen Stelle am richtigen Ort zu sein. Und er kümmert sich um seine Spieler.
Wie meinen Sie das?
Er weiß über seine Spieler Bescheid – und zwar nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern auch im privaten Bereich. Wie gesagt, ich war damals fast noch ein Kind, Arsenal war mein erster Klub als Profi. Ich hatte Heimweh. Also schickte er mich zur Weihnachtszeit 1996 nach Hause und ließ mich mit meiner Familie in Lissabon feiern. Und dass, obwohl über die Feiertage in England wichtige Ligaspiele anstehen. Das war allerdings das letzte Mal in meiner Karriere, dass ich die „Boxing Days“ (Premier-League-Spiele am Weihnachtstag, d. Red.) verpasst habe! (lacht)
Sie blieben bis 1999 in London. An welche Spieler haben Sie die intensivsten Erinnerungen?
Eine einzelne Person herauszupicken, würde diesen Klassefußballern nicht gerecht werden. Ich hatte das große Glück, mir meine ersten Sporen im Profifußball an der Seite von Leuten wie Marc Overmars, Dennis Bergkamp oder Patrick Vieira zu verdienen. Selbst mit Thierry Henry stand ich noch gemeinsam auf dem Platz, allerdings nur für zwei Spiele, dann verließ ich den Klub. Solche Fußballer machen dich besser, weil du gerade als junger Spieler unglaublich viel von ihnen lernen kannst.
Welchen Einfluss hatte das bei den Fans geradezu mystisch aufgeladene Highbury auf Sie und Ihr Spiel?
Ich habe Highbury geliebt. Wenn du in so einem Stadion spielst, dann riechst und schmeckst du auf jedem Quadratmeter die Geschichte dieses Vereins. Du wirst Teil des Vereins und möchtest deine Spuren in diesem Stadion hinterlassen. Das beeinflusst selbstverständlich deine Leistung. So ging es jedenfalls mir.
2006 wurde das Highbury abgerissen. Hat Sie das bewegt?
Natürlich, ich war sehr traurig. Wie vermutlich auch alle anderen Spieler, die den Luxus hatten, in diesem Stadion Fußball spielen zu dürfen. Ein Teil der Tribüne steht ja noch, sie haben Appartements drum herum gebaut. Immer, wenn ich dort vorbei fahre, kommen die alten Erinnerungen hoch. Fußballer sind eben manchmal sentimental! (lacht)
Sie blieben bis 2011 auf der Insel, spielten für Southampton, Fulham und West Ham United. Und bei jedem Ihrer Vereine galten Sie als harter Hund, den die Fans aufgrund seiner körperbetonten Spielweise ins Herz schlossen. Ist es wirklich wahr, dass es im englischen Fußball härter zur Sache geht als anderswo?
Ich glaube schon. Weil die Menschen hier die Herausforderung und den Kampf so lieben. Als Fußballer spürst du das gleich: Die Zuschauer wollen dich hier arbeiten sehen, sie wollen, dass man dir nach dem Spiel ansieht, dass du Gras gefressen hast. Nun, das war genau mein Spiel (lacht).
Das brachte Sie unter anderem in die portugiesische Nationalmannschaft und zu 27 Einsätzen für Ihr Land. Was verbinden Sie mit diesen Auftritten?
Teil des Kaders für die WM 2006 zu sein, war schon großartig. Die Stimmung in Deutschland hat uns Spieler alle fasziniert. Genau so habe ich mir eine Weltmeisterschaft immer vorgestellt: Menschen aus der ganzen Welt, aus den unterschiedlichsten Kulturen, kommen zusammen, weil sie die Liebe zum Fußball vereint. Und feiern dann eine große Party. Gut, das Halbfinal-Aus gegen Frankreich (0:1, d. Red.) und die 1:3‑Pleite im Spiel um Platz 3 gegen Deutschland haben unsere Party beendet. Aber selbst der Kater nach der Fete fühlte sich noch gut an.
Thomas Hitzlsperger stand 2006 im deutschen WM-Kader, später spielten Sie gemeinsam mit ihm bei West Ham United. Wie beurteilen Sie sein Coming-out?
Ich habe Hochachtung vor dem, was er getan hat. Das war mutig, weil so viele es geheim halten. Ich habe Thomas immer respektiert – weil er ein toller Fußballer und ein sehr kollegialer Mitspieler war. Ehrlich gesagt: Mir, und ich denke, auch den meisten anderen Fußballern, ist es egal, ob jemand auf Frauen oder Männer steht. Dass die Sexualität dennoch ein so großes Thema ist, zeigt allerdings, dass es der Gesellschaft nicht egal ist. Und deshalb muss man Thomas zu seinem Coming-out gratulieren – vielleicht hat er ja damit einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass endlich vernünftig und tolerant mit diese Thema umgegangen wird.
Würden Sie einem Fußballer raten, schon während seiner Karriere seine Homosexualität öffentlich zu machen?
Nein.
Warum nicht?
Weil es unter den Fans auf den Rängen immer ein paar Idioten gibt, die damit nicht klar kommen und so ein Coming-out zum Anlass nehmen würden, den jeweiligen Spieler zu beleidigen. Und wer möchte so etwas schon über sich ergehen lassen? Das ist schade, meiner Ansicht aber nun mal die Realität.