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Jörg Schmadtke, auf die Gefahr, dass Sie es nicht mehr hören können: Ein Düs­sel­dorfer in Köln, wie soll das auf Dauer gehen?
Ich bin Rhein­länder. Düs­sel­dorf ist meine Geburts­stadt, die For­tuna mein Hei­mat­klub. Des­halb bin ich dort ver­wur­zelt, aber ich bin da nicht mehr behei­matet. Ich sehe mich als Kind des Rhein­lands. Das können Sie übri­gens auch an meiner Vita ablesen: Ich war in Aachen, Glad­bach, Lever­kusen, Düs­sel­dorf und jetzt in Köln – viel mehr Rhein­land geht nicht. 

Hatten Sie kei­nerlei Anpas­sungs­pro­bleme?
Nein, ich bin nicht im klas­si­schen Sinne die köl­sche Froh­natur, aber viel­leicht passe ich genau des­wegen gut hierher, weil ich neue Facetten rein­bringe. Ich fühle mich wohl, weil ich ein Arbeits­um­feld vor­ge­funden habe, das weitaus struk­tu­rierter ist als befürchtet. In der Außen­be­trach­tung heißt es immer, in Köln herr­sche Chaos. Das kann ich nach einem halben Jahr über­haupt nicht bestä­tigen.

Was haben Sie statt­dessen vor­ge­funden?
Einen sehr großen Klub mit einigen Pro­blemen zwar, aber voll­kommen intakt. Jetzt müssen wir vor allem zusehen, dass die Dinge auf dem Platz in die rich­tige Bahn laufen.

Sie waren schon im Sommer 2012 hier im Gespräch.
Es stimmt, dass es vor einem Jahr mal Kon­takt gab. Damals war bekannt geworden, dass ich Han­nover 96 wegen pri­vater Dinge ver­lassen wollte. Aber Martin Kind hat sehr um mich gekämpft und mir die Mög­lich­keit gegeben, mich frei­zu­stellen. Damit war Köln kein Thema mehr, denn mir war wichtig, dass ich zurück zu meiner Familie komme. Nichts­des­to­trotz ist es dann später so gekommen, dass für mich die Zeit kam, meine Zelte in Han­nover abzu­bre­chen. Das hat der FC mit­be­kommen und sich erneut um mich bemüht.

Dabei hatten Sie sich zwi­schen­zeit­lich auch beim Ham­burger SV als Sport­di­rektor vor­ge­stellt.
Ich habe dort ein Gespräch mit dem neun­köp­figen Auf­sichtsrat geführt, das stimmt. Ich hatte aber schnell das Gefühl, dass das nicht passt. Obwohl ich die Stadt und den Klub als große Her­aus­for­de­rung ansah.

Über Ihren lang­jäh­rigen Weg­be­gleiter und Kumpel Jörg Jakobs, der seit der Saison 2012/13 als Kader­planer und inof­fi­zi­eller Sport­di­rektor in Köln wirkt, waren Sie über die Situa­tion beim FC ständig auf dem Lau­fenden.
Inso­fern war der Weg zum FC nicht weit. Jörg hat mir gesagt, dass es schon nicht ein­fach mit den vielen Bau­stellen sei, aber auch, dass der Klub die Men­schen in seinen Bann zieht. Ich habe ihn wegen der unge­wohnt über­schwäng­li­chen Art, über den FC zu reden, anfangs sogar ein biss­chen hoch­ge­nommen, weil er sonst ein eher zurück­hal­tender Typ ist. Aber inzwi­schen teile ich seine Begeis­te­rung.

In Köln heißt es immer, der Köl­sche Klüngel“, das Umfeld des Klubs mit Vete­ranen und Jour­na­listen, sorge für stän­dige Über­hit­zung. Wie sehen Sie das?
Das gibt’s doch überall. In Han­nover wird es Han­nover-Con­nec­tion“ genannt, hier ist es der Klüngel“.

In Han­nover gibt es aber keine Welt­meister, keine Euro­pacup-Helden oder Double-Gewinner.
Nö, da gibt es nur Dieter Schatz­schneider. (Lacht.) Aber wir haben hier bestimmte Arbeits­weisen abge­stimmt und dar­über gespro­chen, wie wir mit Extrem­si­tua­tionen umgehen. Dafür ist wichtig, dass es zwi­schen sport­li­cher Lei­tung und Prä­si­dium stimmt. Das tut es.

Ent­spricht der Schmäh von Peter Stöger Ihrer Men­ta­lität?
Er ist ein sehr unter­halt­samer Typ, wir kommen sehr gut mit­ein­ander aus.

Er sagt, er sei eher skep­tisch, ob er die Chance bekommt, mehr als vier Trans­fer­pe­ri­oden in Köln zu erleben.
Ich kann ihn ver­stehen, denn gleich zu Beginn der Saison wurde in Dresden sein Kumpel Peter Pacult ent­lassen, bis zur Win­ter­pause wurden sieben Zweit­li­ga­trainer raus­ge­schmissen. Was soll er da sagen? Aber ich weiß auch, dass wir nach den beiden Nie­der­lagen im Herbst die Lage gemeinsam sehr sach­lich ana­ly­siert haben und auch die posi­tiven Dinge gesehen haben. Wir haben ruhig, kri­tisch dis­ku­tiert, ohne auf­ge­regt zu sein und haben anschlie­ßend an der Reak­tion der Mann­schaft erkannt, dass diese Art und Weise der rich­tige Weg ist.

Stich­wort: Ruhig bleiben“. Nach dem Sieg im DFB-Pokal gegen Mainz 05 haben Sie die Fans in einer auf­se­hen­er­re­genden Video­bot­schaft zum Ruuuhig­blieben“ auf­ge­rufen.
Nach dem Sieg traf ich auf dem Weg in die Kabine unsere Jungs von FC-TV“. Die waren ganz auf­ge­regt und ich habe nur gesagt: Jungs, ruhig, ganz ruhig.“ Am nächsten Tag kamen sie und meinten, wir müssten damit irgendwas anstellen. Das Video war ihre Idee, und ich habe gerne mit­ge­macht.

Hatte der FC so einen iro­ni­schen Umgang mit der Hys­terie nicht schon lange nötig?
Ich mag es gerne, wenn man sich etwas selbst­iro­nisch dar­stellt. Der kleine Film sollte signa­li­sieren: Wir wissen, dass ihr glaubt, wir seien schon wieder kurz davor die Cham­pions League zu gewinnen, aber wir haben nur ein Pokal­spiel gewonnen.“

Kann man auf diese Weise län­ger­fristig die Emo­tionen kana­li­sieren?
Ich glaube, zu Anfang der Saison hatten wir so etwas wie Wel­pen­schutz. Ich bin sicher, wenn wir nach den drei Unent­schieden das Spiel gegen Sand­hausen ver­loren hätten, wäre es wieder los­ge­gangen. Genauso wäre es los­ge­gangen, wenn wir nach den beiden Nie­der­lagen auf St. Pauli ver­loren hätten. Ich mag diese Emo­tio­na­lität, aber ich lasse mich davon nicht lenken. Genauso anders­herum: Ich genieße es total, vor dem Spiel im Sta­dion die Atmo­sphäre auf­zu­saugen. Aber ich lasse mich davon nicht blenden.

Sind Sie den Job in Köln anders ange­gangen als frü­here Sta­tionen?
Ja. Man kann nicht mit einer Werk­zeug­kiste durch die Gegend ziehen und ein­fach los­schrauben. Ich glaube, jeder Klub hat seine eigene Genetik und bei jedem Klub muss man erst schauen, an wel­cher Schraube man drehen muss.

Wo mussten Sie in Köln in der Hin­runde am stärksten drehen?
Ich habe ver­sucht zu ver­mit­teln, dass ich kon­zen­triert und unauf­ge­regt dem Klub dienen will. Ich habe einen gewissen Erfah­rungs­schatz, den ich bereit bin zu teilen. Diese Ein­stel­lung ist hier auf frucht­baren Boden gefallen und hat zu einer Gesamt­be­ru­hi­gung bei­getragen. Zumal auch unser Trainer nicht dazu neigt, auf den Tischen zu tanzen. Es war also vor allem wichtig, einen Pro­zess, der bereits in Gang gekommen war, nicht zu stören.

Sie kamen zur rich­tigen Zeit an den rich­tigen Ort?
Ich konnte Dinge ernten, mit denen ich fast gar nichts zu tun hatte. Ganz ehr­lich: Meine Haupt­auf­gabe lag zunächst darin, mög­lichst wenig durch­ein­ander zu bringen.

Jörg Schmadtke, haben Sie für Ihre Kar­riere als Manager eine Art Mas­ter­plan?
Ach was, ich habe meinen ersten Job in Aachen über eine Zei­tungs­an­nonce gefunden. Ein Inserat von einem Klub, der ver­zwei­felt war und eine neue Struktur benö­tigte. Darauf habe ich mich beworben. Ich musste damals mein eigenes Profil erst schaffen. Es also nicht so, dass ich sage: Nach Han­nover musste ein grö­ßerer Klub her – und eines Tages will ich Meister werden.“

Son­dern?
Mich inter­es­sieren Auf­ga­ben­stel­lungen. Da ist mir fast egal in wel­cher Liga. Wichtig ist, dass ich weiß, wo es hin­gehen kann. Und diese Aus­sicht hängt immer von Mög­lich­keiten und Res­sourcen ab.

Wie sind denn die Mög­lich­keiten in Köln?
Die Ver­bind­lich­keiten haben natür­lich einen Ein­fluss auf unsere Beweg­lich­keit. Aber es hat auch einen gewissen Reiz, aus den vor­han­denen Mög­lich­keiten das Opti­male raus­zu­holen.

Und wie sehen Ihre Ziele aus?
Natür­lich wollen wir auf­steigen und uns in der ersten Liga sta­bi­li­sieren. Wir müssen weg von diesem Fahr­stuhl­i­mage und die Schere zwi­schen den Großen und uns wieder etwas schließen. Wir sollten des­halb nicht zu spät auf­steigen, weil wir die Schere sonst nicht mehr geschlossen kriegen. Aber der 1. FC Köln macht im Moment um die 50 Mil­lionen Euro Umsatz. Das ist für die 2. Liga unge­wöhn­lich hoch. Und ich pro­gnos­ti­ziere, dass wir in der Lage sind, in der 1. Liga 100 Mil­lionen umzu­setzen. Das ist eine Größe, mit der man pla­ne­risch einiges angehen könnte. Das war übri­gens auch ein Grund für mich zum 1. FC Köln zu gehen. Hier steht eine unge­heure Wucht dahinter.

Anders als Peter Stöger gehen Sie also fest davon aus, eine eigene Ära beim FC begründen zu können.
Ich habe einen Vier-Jahres-Ver­trag unter­schrieben, weil mir bewusst war, wenn ich nach Köln gehe, brauche ich für diese Auf­gabe Zeit. Ich wollte ein deut­li­ches Signal setzen, dass der FC für mich kein Zwi­schen­schritt ist, um im Vor­bei­gehen ein biss­chen Geld zu ver­dienen. Ich will mit­helfen, dass dieser Klub län­ger­fristig auf ein höheres Niveau gehoben wird.

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