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Die Pres­se­tri­büne des IFK Göte­borg platzte aus allen Nähten. Doch die meisten, die hinter den Schreib­pulten hockten, waren keine Reporter. Mehr als 90 inter­na­tio­nale Scouts sahen Göte­borgs Liga­match gegen den Stock­holmer Klub AIK Solna – dar­unter Ver­treter von ManU, Chelsea, Liver­pool, Milan, Barca, Real, Monaco und vom FC Bayern. Als der Ball rollte, rich­teten sich alle 180 Dia­manten-Augen auf einen ein­zigen Mann, besser gesagt: auf ein schmales Bürsch­lein mit spin­del­dürren Bambi-Beinen. Und dann? Nix! Solnas Jahr­hun­dert-Juwel Alex­ander Isak wirkte an diesem Okto­bertag irgendwie glanzlos.

Göte­borgs Mat­tias Bjärsmyr spot­tete später bei den Jour­na­listen: Schreibt ihr mal schön über Isak. Hat der über­haupt mit­ge­spielt?“ Die Haus­herren, die übri­gens 1:0 gewonnen hatten, waren genervt ob des Tru­bels um einen 17-Jäh­rigen, der keine 30 Erst­liga-Par­tien gemacht hat. Wobei: Allzu viele Ein­sätze in der All­s­venskan“ werden für Alex­ander Isak eh nicht hin­zu­kommen – der Junge ist viel zu gut für die schwe­di­sche Liga.

Die Frage lautet nur noch: Wohin geht die Reise?

Die Späher aus dem Aus­land wirkten jeden­falls zufrieden. Dazu bedurfte es keiner Gala wie einige Wochen zuvor, als Isak beim 6:0 über Norr­kö­ping zwei Tore und zwei Assists gelie­fert hatte. In Göte­borg wies der beid­füßig Begabte auch ohne Scor­er­punkt all die kleinen Kunst­fer­tig­keiten nach, die sich im Rating-Bogen eines Scouts gut machen: schneller Antritt, hohe End­ge­schwin­dig­keit, enge Ball­füh­rung, großes Finten-Arsenal, prä­zise Flach­pässe, sau­bere Schuss­technik, exzel­lentes Tak­tik­ver­ständnis, immense Lauf­be­reit­schaft. Und einiges mehr.

Die Frage ist nicht mehr, ob Isak dem­nächst ins Aus­land wech­selt. Die Frage lautet nur noch: Wohin geht die Reise? Alex ist ein Spieler, dem jeder ansieht, dass er für ein anderes Level bestimmt ist“, sagt Solnas Coach Rikard Nor­ling. Es ist schön, ihn begleiten zu dürfen. Und ich hoffe, er bleibt noch sehr lange. Aber das ist reine Utopie.“ 

69 Inter­es­senten buhlen um Isak

Ange­bote gibt es von vielen Klubs – wenn nicht von allen. Laut der schwe­di­schen Zei­tung Expressen“ buhlen 69 (!) Inter­es­senten um Isak. Dessen Lands­mann Zlatan Ibra­hi­movic emp­fahl den Jüng­ling sogar per­sön­lich bei seinen Ex-Klubs Juventus Turin und Paris St. Ger­main. Dass Isak in Schweden wahl­weise als nächster Zlatan“ oder als neuer Ibra­hi­movic“ gehan­delt wird, ist zwar nicht beson­ders ori­gi­nell, aber auch nicht allzu ver­wegen.

Zur Wahl des künf­tigen Arbeit­ge­bers äußert sich Solnas Nummer 36 nur ungern: Wir werden sehen“, sagt Isak schüch­tern. Natür­lich ist es auf­re­gend, wenn man man­ches hört oder liest. Aber ich genieße ein­fach jede Minute meines Lebens als Fuß­baller. Bei AIK, wo ich seit meinem fünften Lebens­jahr spiele, lebe ich jetzt schon meinen Traum.“ Und eigent­lich läuft sein Ver­trag ja noch bis Ende 2018.

Isaks Fähig­keit, das Hier und das Jetzt wert­zu­schätzen, resul­tiert viel­leicht aus seiner per­sön­li­chen Geschichte. Die Familie, im Hei­mat­land Eri­trea von Krisen, Kriegen und Kor­rup­tion gebeu­telt, floh in den 90ern unter dra­ma­ti­schen Umständen nach Schweden. Ihr letztes Hab und Gut ging an geld­gie­rige Schlepper. Es muss schreck­lich gewesen sein.

Umworben von Real, Barca und ManU

Sohn Alex­ander wurde 1999 im Stock­holmer Vorort Ulriksdal geboren. Den­noch ist er in Eri­trea ein Volks­held. Dazu sollte man wissen: In dem kleinen Nach­bar­land von Äthio­pien gibt es zwar viele her­aus­ra­gende Lang­stre­cken­läufer. Aber nie zuvor war ein aus Eri­trea stam­mender Fuß­baller von Real, Barca und ManU umworben worden!

Der bis­lang erfolg­reichste eri­tre­ische Kicker ist Henok Goitom von den San José Ear­th­quakes (MLS). Die Familie des 32-Jäh­rigen war wie die Isaks einst nach Schweden emi­griert. Den­noch spielt Goitom für Eri­treas Natio­nal­team. Als Profi schaffte er es bis nach Udine und nach Val­la­dolid. Von 2012 bis Anfang 2016 spielte Goitom dann bei AIK Solna, wo er für Isak zu einer wich­tigen Bezugs­person und zum Vor­bild wurde. Doch fuß­bal­le­risch ist der Rou­ti­nier im Ver­gleich zum Youngster eine kleine Nummer.

Alex muss schon sehr bald auf einem deut­lich höheren Niveau spielen“

Für den ehe­ma­ligen Hof­fen­heim- und Schalke-Legionär Chi­nedu Obasi ist Isaks Zukunft schon vor­ge­zeichnet: Alex kann der neue Ibra­hi­movic werden“, sagt der Nige­rianer. Er hat alles, was man dazu braucht.“ Obasi, der in Solna an Isaks Seite stürmt, findet: Ein Talent wie Alex muss schon sehr bald auf einem deut­lich höheren Niveau spielen. Sonst kommt seine Ent­wick­lung zum Stoppen.“

Dabei gibt es an Alex­ander Isak kaum noch etwas zu ver­bes­sern. Sicher, mit 70 Kilo bei 1,90 Meter Kör­per­länge ist er noch ein wenig schwach auf der Brust. Vor dem Tor könnte der Gym­na­siast (Fach­rich­tung: Wirt­schaft) auch noch cooler werden. Doch in seinen ersten 23 Profi-Ein­sätzen ver­buchte Isak immerhin zehn Treffer und drei Assists – ganz okay für einen, der erst Ende Sep­tember 17 geworden ist.

Man darf den Jungen nicht ver­heizen.“

Sein erstes Trai­ning mit Solnas Pro­fi­team bestritt Isak im zarten Alter von 15. Mit 16 stand er bereits im Kader der schwe­di­schen U21. Inzwi­schen gibt es nicht wenige Stimmen, die seine Nomi­nie­rung fürs A‑Nationalteam for­dern. Auch Schwe­dens Coach Janne Andersson hat sich längst als Isak-Fan geoutet, betont jedoch: Man darf den Jungen nicht mit Erwar­tungen über­frachten und man darf ihn nicht ver­heizen.“

Dass es einen wie Isak über­haupt gibt, ist einem Para­dig­men­wechsel im schwe­di­schen System zu ver­danken. Vor 15 bis 20 Jahren wäre der Afro-Skan­di­na­vier wohl als zu fein­gliedrig und zu ball­ver­liebt durchs Raster gefallen. Beides schien nicht zum eng­lisch geprägten schwe­di­schen Fuß­ball zu passen. Mit dem Durch­bruch von Zlatan Ibra­hi­movic bei Malmö FF setzte ein Umdenken ein. Seit Anfang des Jahr­tau­sends werden in der Heimat von Zlatan und Pippi Lang­strumpf freche Indi­vi­dua­listen beson­ders geför­dert.

Schweden pro­du­ziert jetzt Offen­siv­kräfte nach Maß

Das Resultat kann sich sehen lassen: Schweden, lange gefürchtet ob seiner kan­tigen Ikea-Schränke in der Innen­ver­tei­di­gung, pro­du­ziert jetzt Offen­siv­kräfte nach Maß. Mat­tias Svan­berg (17) vom frisch geba­ckenen Meister Malmö ist einer dieser Namen, die man sich merken sollte. Oder Jordan Larsson (19) aus Hel­sing­borg, wo er vom berühmten Papa Henrik gecoacht wird.

Alex­ander Isak aber ist das Pre­mi­um­pro­dukt. Im Januar, wenn das Trans­fer­fenster wieder offen steht, dürfte er zum teu­ersten schwe­di­schen Export­ar­tikel aller Zeiten werden. Die bis­he­rige Best­marke für einen Transfer aus der All­s­venskan“ hält Ibra­hi­movic, der 2001 für rund 8,2 Mil­lionen Euro zu Ajax wech­selte.

Wer Isak will, muss wohl einen zwei­stel­ligen Mil­lio­nen­be­trag hin­blät­tern.