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Nur noch wenige Tage, dann schließt das Trans­fer­fenster. Höchste Zeit, zurück­zu­bli­cken auf die abso­luten Lieb­lings­trans­fers unserer (ehe­ma­ligen) Redak­teure.

Ich bin in den späten neun­ziger Jahren zum Werder-Fan geworden. Also genau recht­zeitig, um die erfolgs­ver­wöhnten späten Acht­ziger und frühen Neun­ziger ver­passt zu haben. Die Wun­der­taten von Andy Herzog, Uli Borowka und Wynton Rufer kannte ich nur vom Hören­sagen. Dass Werder Bremen jah­re­lang der hei­ßeste Scheiß der Bun­des­liga war, musste ich mir erst anlesen. Meine Gegen­wart hieß Juri Maximov, Andree Wie­dener und Rade Bog­d­a­novic. Feinstes Mit­telmaß. Maus­grauer Nie­sel­re­gen­fuß­ball.

Neue Kicker brauchte die Han­se­stadt!

Thomas Schaaf und Klaus Allofs, die Wun­der­heiler, hatten zwar schon 1999 ihre Arbeit in Bremen auf­ge­nommen, aber Werder lag nach den großen Otto-Zeiten und dem anschlie­ßenden de Mos/­Ma­ga­th/­Di­xie/­Sidka-Kol­laps sport­lich wie finan­ziell am Boden, einem tüchtig ver­mö­belten Kir­mes­boxer nicht unähn­lich. Und mit der bestehenden Werder-Mann­schaft zum Jahr­tau­send­wechsel war auch kein Blu­men­pott zu gewinnen. Neue Buffer brauchte die Han­se­stadt! Nur, wen sollte man mit dem schmalen Trans­fer­budget nach Bremen locken?

Schaaf und Allofs machten sich an die Arbeit. Ent­warfen sich ihr Traum­haus und suchten dann nach bezahl­barem Bau­ma­te­rial. Zur Saison 2000/01 ver­pflich­tete das Duo den beim HSV ver­geb­lich auf den Durch­bruch hof­fenden Fabian Ernst und einen bis dato relativ unbe­kannten Ver­tei­diger namens Mladen Krstajic. Aus der Reser­ve­mann­schaft wurden Paul Stal­teri und Tim Borowski beför­dert. Kos­ten­punkt für diese in der Meis­ter­saison 2003/04 tra­genden Säulen: 2,25 Mil­lionen Euro.

3,75 Mil­lionen Euro für sechs Spieler der Meis­ter­saison

Ein Jahr später folgten mit Krisz­tián Lisztes und Ivan Klasnic zwei wei­tere sol­cher Säulen für 1,5 Mil­lionen Euro. Ins­ge­samt 3,75 Mil­lionen Euro für sechs spä­tere Stamm­spieler der Double-Saison. Daran sollten Werder-Fans denken, wenn sie im Früh­jahr 2013 Klaus Allofs die Pest an den Hals wün­schen.

Ich will nicht ver­hehlen, dass daneben auch Rohr­kre­pierer den Weg nach Bremen fanden. Dong-Gook Lee etwa, ein süd­ko­rea­ni­scher Stürmer, der beim Warm­laufen zwar stets fre­ne­tisch von der Ost­kurve besungen wurde (des drol­ligen Namens wegen), aber ver­mut­lich als unge­fähr­lichster Stürmer der Werder-Geschichte gelten muss (sieben Spiele, kein Tor). Oder Ivica Banovic, der 2000 mehr kos­tete als Paul Stal­teri, Tim Borowski, Fabian Ernst und Ivan Klasnic zusammen. Oder Roberto Silva, von dem ich heute gar nicht mehr sagen kann, wer das eigent­lich genau war. (Laut Internet angeb­lich ein perua­ni­scher Natio­nal­stürmer, der 2001 1,35 Mil­lionen Euro kos­tete und in sechs Spielen torlos blieb.)

Den­noch: Als die Trans­fer­pe­riode für die Saison 2002/03 begann, hatten die Archi­tekten Schaaf und Allofs bereits ein gutes Fun­da­ment für ihr Traum­haus bei­sammen. Aber irgend­etwas fehlte noch. Das beson­dere Etwas. Ein Ele­ment, um aus stink­nor­malen Häus­le­bauern echte Star­ar­chi­tekten zu machen. Eben eine echte Über­ra­schung. Einer wie Johan Micoud.

Johan, wer? Johan Micoud, 29 Jahre alt, Mit­tel­feld. Spiele und Tore für AS Cannes, Giron­dins Bor­deaux, AC Parma. Fran­zö­si­scher Natio­nal­spieler. WM-Teil­nehmer 2002. Mir ging es trotzdem wie den meisten Werder-Fans: der Mann sagte mir nicht viel. Und als wei­tere Infos über den mög­li­chen Neu­zu­gang bekannt wurden, kamen schnell Zweifel: beim AC Parma saß Micoud nur noch auf der Bank, in der Natio­nal­mann­schaft war er eben­falls nur Ersatz (und hatte Frank­reich – mit Micoud! – nicht 2002 das Kunst­stück voll­bracht, als amtie­render Welt­meister sieglos in der Grup­pen­phase aus­zu­scheiden?). Außerdem, und das ging ja nun mal gar nicht in Bremen, sollte der Kerl eine echte Diva sein. Und wie der aussah! So eine Mischung aus hero­in­chic, Stra­ßen­köter und fran­zö­si­scher Land­schafts­maler. Na ja.

Das erste Spiel. 10. Sep­tember 2002, 4. Spieltag. Werder gegen Nürn­berg. 4:1. Ein Tor von Micoud, ein Elf­meter an den Pfosten, ein Schlag in die Fresse aller Zweifler. Was. Für. Ein. Fuß­baller! Ein Zehner, ein echter Spiel­ma­cher, ein Tech­niker, viel­leicht ja sogar ein Genie! Mir ging es wie vielen anderen Zuschauern im Weser­sta­dion: Ich war ver­knallt. Liebe auf den ersten Blick. Du siehst einen Fuß­baller das erste Mal gegen den Ball treten und weißt: der Typ wird dein Leben ver­än­dern! Oder zumin­dest deinen gewohnten Gang zu Werder-Spielen.

Plötz­lich machte alles einen Sinn. Sogar Dong-Gook Lee!

Im Mai 2004 stand ich dann mit tau­senden anderen glücks­be­sof­fenen Bre­mern im Mün­chener Olym­pia­sta­dion und ver­stand die Welt nicht mehr. Werder hatte die Bayern mit 3:1 gede­mü­tigt, ange­führt von Jo“ Micoud, dem Zehner, dem Spiel­ma­cher, unserem Genie! Plötz­lich ergab alles einen Sinn. Juri Maximov. Rade Bog­d­a­novic. Ja, sogar Dong-Gook Lee!

Wir sangen ein Lied. Sein Lied. Den Abspann des Beatles-Klas­si­kers Hey Jude“. Sha-la-la-la-lalala-lal­a­lala-Micouuuuuud…!“ Für mich noch immer der schönste Fan­ge­sang aller Zeiten. Diesen Song“, hat Johan Micoud mal gesagt, also Hey Jude, den habe ich ja ohnehin schon immer geliebt. Aber jetzt, wo die Fans mich damit auch noch besingen, bekomme ich jedes Mal eine Gän­se­haut.“

Ach, Johan Micoud, Danke für alles.