… denn heute beginnen die Olympischen Spiele. Und bei denen ist irgendwie alles anders als im richtigen Fußballleben. Was gar nicht schlecht sein muss.
Womit wir wieder bei Olympia als Mythbuster wären. Denn obwohl wir alle immer wieder zu hören bekommen, dass es nur ein einziges Spiel zwischen den beiden deutschen Staaten gab, und zwar bei der WM 1974 in Hamburg, gehört eine Partie Ost gegen West zu den heimlichen Hits der olympischen Fußballgeschichte, nicht zuletzt wegen eines Tores, mit dem man heute das Internet zum Einsturz bringen könnte. Doch es fiel leider schon 1972, weshalb man ganz schön suchen muss, bis man einen Blick auf das unglaubliche Zusammenspiel zwischen Uli Hoeneß und Ottmar Hitzfeld – na, wie klingt das? – werfen darf.
Aber der Reihe nach. Zu den Olympischen Spielen 1972 in München durfte (West-)Deutschland nur Fußballer schicken, die noch keinen Profivertrag unterschrieben hatten, weshalb Hoeneß – der zwei Monate vorher Europameister geworden war – für 2000 Mark brutto die Frankiermaschine auf der Geschäftsstelle des FC Bayern bediente und mit der Karriere als Berufsfußballer noch wartete. Er war bei weitem der bekannteste Spieler im DFB-Team, auch wenn Ronald Worm, Bernd Nickel oder Manfred Kaltz noch von sich reden machen sollten. Wie auch ein 23-jähriger Student vom FC Basel namens Hitzfeld.
Im letzten Spiel der Zwischenrunde traf diese Mannschaft am 8. September 1972 (drei Tage nach dem Attentat) vor 80.000 Zuschauern im Olympiastadion auf die DDR. Der Westen musste gewinnen, um das Spiel um Bronze zu erreichen, dem Osten reichte dazu schon ein Unentschieden. Der 19-jährige Jürgen Pommerenke brachte die DDR früh in Führung, dann fiel das besagte Tor. Hoeneß, der im ganzen Turnier nicht an seine EM-Form anknüpfen konnte, spielte aus zentraler Position einen halbhohen Ball auf Hitzfeld und sprintete dann sofort los. Hitzfeld, der mit dem Rücken zum Tor an der Strafraumgrenze stand, ließ das Leder von der Brust abtropfen und lupfte es dann direkt mit rechts in den Lauf von Hoeneß. Etwa zwölf Meter vor dem Tor sprang der Bayern-Spieler hoch und beförderte das Zuspiel volley – halb Heber, halb Schuss – in den Winkel.
Nach dem Wechsel traf der unvermeidliche Joachim Streich zum 2:1 für die DDR, Hitzfeld glich mit einem schönen Kopfball aus. In der Schlussphase warf der Westen alles nach vorne, und Trainer Jupp Derwall brachte noch einen zusätzlichen Stürmer. Doch das ging auf Kosten der Defensive, und so schloss Eberhard Vogel einen Konter zum 3:2 für die DDR ab. Der Westen musste also weiter auf seine Medaille warten. Die gab es erst 1988, als das von Hennes Löhr trainierte Team nach der Niederlage gegen Brasilien das Spiel um Platz drei gegen den alten Rivalen Italien – mit Mauro Tassotti, Andrea Carnevale, Ciro Ferrara oder Ruggiero Rizzitelli – deutlich gewann. Erst ein Elfmeterschießen vergeigen, dann Italien 3:0 wegfiedeln? Wie gesagt, Olympia ist ein einziger großer Mythbuster.