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Es war eine Ent­schei­dung für’s Leben. Ich bin glück­lich noch viele Jahre bei Ath­letic zu spielen“, sagte Kepa Arrizaba­laga im Januar und lachte in die Kameras. Der 23-jäh­rige Tor­wart hatte gerade einen neuen Ver­trag bei Ath­letic Bilbao unter­schrieben. Bis 2025. Für viele eine über­ra­schende Nach­richt, denn in den Wochen zuvor hatten Kepa und Real Madrid sehr öffent­lich über einen Wechsel gespro­chen. Er hatte eine Aus­stiegs­klausel von 20 Mil­lionen, ein Schnäpp­chen für den zweit­besten spa­ni­schen Tor­hüter hinter David De Gea. Doch die Ver­hand­lungen gerieten ins Sto­cken, Kepa ver­län­gerte bei Ath­letic und bekam eine Gehalts­er­hö­hung. Die fest­ge­schrie­bene Ablö­se­summe ver­vier­fachte sich auf 80 Mil­lionen Euro.

Der FC Chelsea zahlt nun genau diese Summe und macht Kepa damit zum teu­ersten Tor­wart aller Zeiten. Aus vielen Jahren“ wurden 198 Tage. Es ist nichts Neues, dass Treue­be­kennt­nisse im Fuß­ball nicht viel wert sind, das des jungen Tor­warts zumin­dest 60 Mil­lionen Euro. Schaut man sich diesen Transfer genauer an, so wirkt es wie Kalkül, wie ein Gefallen, den Kepa dem Verein tut, bei dem er alle Jugend­ab­tei­lungen durch­laufen hat. Denn sein Ver­trag wäre diesen Sommer aus­ge­laufen, er hätte ablö­se­frei gehen und deut­lich mehr Hand­geld und Gehalt von Chelsea, Real oder sonst wem bekommen können.

Jeder hat seine Prio­ri­täten.“

Doch Ath­letic Bilbao ver­lässt man nicht ein­fach so durch die Hin­tertür. Jugend­ar­beit und Iden­ti­fi­ka­tion sind die Stützen des Ver­eins. Ohne sie könnte er nicht exis­tieren. Als der Wechsel von Kepa bekannt wurde, sagte Ander Itur­raspe: Ich bin seit 20 Jahren in diesem Verein und kenne Kepa mein ganzes Leben. Es ist sehr schade, dass er geht, aber jeder hat seine Prio­ri­täten.“ Viele Spieler bleiben ihre gesamte Kar­riere in Bilbao. Aus dem aktu­ellen Kader haben unter anderem Iker Muniain (25), Itur­raspe (29) und Markel Susaeta (30) nur für die Basken gespielt. Denn der Ath­letic Club de Bilbao wider­setzt sich mit seiner Trans­fer­po­litik allen Gesetzen des modernen Fuß­balls. Der Wechsel eines Leis­tungs­trä­gers gilt als Verrat am Verein und seinen Werten. In den letzten 10 Jahren sind nur vier Spieler diesen Schritt gegangen.

Seit es die spa­ni­sche Liga gibt, war es in den Ver­eins­sta­tuten fest­ge­legt, dass aus­schließ­lich Basken für den Verein auf­laufen dürfen. Trotz dieses geringen Spie­ler­pools ist Bilbao einer der erfolg­reichsten Ver­eine Spa­niens, ist noch nie abge­stiegen und regel­mä­ßiger Teil­nehmer an euro­päi­schen Wett­be­werben und im Finale der Copa del Rey. Vor drei Jahren gewannen sie im Spa­ni­schen Supercup den bisher letzten Titel. Ein Grund dafür ist, dass die meisten Spieler sich tat­säch­lich mit dem Verein iden­ti­fi­zieren, auch ohne mar­kige Slo­gans wie Echte Liebe“ oder Mia san Mia“. Ein anderer Grund ist, dass es fast unmög­lich ist, einen Spieler gegen den Willen des Ver­eins zu kaufen.

Über 50 Spieler ver­ließen Bilbao in den ver­gan­genen zehn Jahren, doch die meisten taten das, weil sie keine Zukunft mehr in Bilbao hatten und des­halb ablö­se­frei zu klei­neren Klubs wech­selten oder ihre Kar­riere been­deten. Mit Aus­nahme von vier Spie­lern. Als Jupp Heyn­ckes 2012 unbe­dingt einen relativ unbe­kannten Mit­tel­feld­spieler zum FC Bayern holen wollte, ver­suchten die Münchner alle mög­li­chen Tricks, um Bilbao an den Ver­hand­lungs­tisch zu bekommen. Doch die wei­gerten sich. Selbst als Javi Mar­tínez, ohne Absprache mit dem Klub, nach Mün­chen reiste und einen Medi­zin­check absol­vierte, blieben die Basken stur. Der Spieler wird nicht ver­kauft, hieß es. Also musste der FC Bayern die, damals extrem hoch wir­kende, fest­ge­schrie­bene Ablö­se­summe von 40 Mil­lionen Euro bezahlen, einen Teil davon über­nahm Mar­tínez selbst.

Bei Ander Her­rera, zwei Jahre später, das selbe Spiel. Man­chester United hatte ein Jahr lang ver­sucht mit dem bas­ki­schen Verein zu ver­han­deln – ohne Erfolg. Her­rera musste selbst einen Teil der fest­ge­schrie­benen Ablöse über­nehmen und sich von seinem frü­heren Klub harte Kritik anhören: Unser Ziel ist es, Spieler zu haben, deren erste Prio­rität es ist, unser Trikot zu ver­tei­digen. Anders Ent­schei­dung ist mit dieser Ein­stel­lung nicht zu ver­ein­baren, das ist ent­täu­schend“, schrieb der Verein in einer Pres­se­mit­tei­lung.

Am Tag als Kepa seine Ver­trags­ver­län­ge­rung bekannt gab, war es Aymeric Laporte, der Ath­letic ent­täuschte. Man­chester City hatte seit März 2016 ver­sucht den Innen­ver­tei­diger zu ver­pflichten, wollte sogar schon einmal die Aus­stiegs­klausel bezahlen, doch Laporte ent­schied sich gegen einen Wechsel und ver­län­gerte den Ver­trag in Bilbao. Die Aus­stiegs­klausel wurde erhöht. Im Sommer 2018, fast zwei Jahre nach dem ersten Kon­takt, konnte City den Spieler doch noch von einem Wechsel über­zeugen. Auch er fiel beim Verein in Ungnade.

2011 lockerte der Verein seine Regeln

Ein Ersatz für Kepa drängt sich nicht auf, gute Tor­hüter sind selten, gute bas­ki­sche Tor­hüter noch viel sel­tener. Die wahr­schein­lichste Alter­na­tive ist Iago Her­rerín, bisher die Nummer Zwei hinter Kepa, der mit 30 Jahren erst 41 Erst­liga-Spiele bestritten hat. Auch er lernte in Bil­baos Jugend­ab­tei­lung das Fuß­ball­spielen. Beim AS St.-Étienne spielt der Baske Ste­phane Ruf­fier (31), Alex Remiro war bisher Bil­baos dritter Tor­wart und hat noch keine Erfah­rung in der Pri­mera Divi­sión. Wie lange Ath­letic diese Trans­fer­po­litik noch durch­ziehen kann ist nicht abzu­sehen.

Kleine Ände­rungen ihrer selbst­auf­er­legten Ein­stel­lungs­kri­te­rien mussten sie schon vor­nehmen: Im Jahr 2011 wurde die Rege­lung, wer für Bilbao auf­laufen darf, ein wenig gelo­ckert. Seitdem dürfen auch Spieler unter Ver­trag genommen werden, die das Fuß­ball­spielen im Bas­ken­land gelernt haben“, das heißt, die im Bas­ken­land auf­ge­wachsen sind und dort in Jugend­mann­schaften gespielt haben. So kam es, dass Iñaki Wil­liams, Sohn eines Gha­naers und einer Libe­ria­nerin, der erste dun­kel­häu­tige Tor­schütze und unum­strit­tener Leis­tungs­träger für Bilbao wurde. Wil­liams ver­län­gerte vor einem halben Jahr, als Gerüchte über einen Wechsel zu Dort­mund oder Real Madrid auf­kamen, seinen Ver­trag bis 2025. Seine fest­ge­schrie­bene Ablö­se­summe liegt bei 108 Mil­lionen Euro. Bei der Unter­schrift sagte er: Ich möchte ein Vor­bild für den Nach­wuchs sein, denn Ath­letic ist ein­zig­artig und das Beste was es gibt.“ Die Fans hoffen, dass er seine Worte ernst meint.