Edgar Prib von Hannover 96 verpasste fast zwei Jahre aufgrund von schweren Knieverletzungen. Wie hat er es nach dieser langen Pause zurück auf den Platz geschafft?
In den vergangenen Wochen haben wir uns mit Edgar Prib und Daniel Didavi ausführlich über schwere Verletzungen unterhalten. Wir wollten wissen: Wie fühlt sich ein Berufssportler, wenn er seinen Beruf vom einen Tag auf den anderen nicht mehr ausführen kann? Wie geht ein Profifußballer mit Schmerzen um? Wie verändert sich das Verhältnis zu den Mannschaftskollegen? Im zweiten Teil der Mini-Serie erzählt Prib von seiner nervenaufreibenden Reha und von den Schmerzen im Knie. Das Interview mit Daniel Didavi findet ihr hier.
Edgar Prib: Wissen Sie, wieviele Spiele Sie verletzungsbedingt zwischen August 2017 und April 2019 verpasst haben?
Nein.
Es waren 66.
Das finde ich in Anbetracht der Länge der Pause gar nicht mal so viel.
Beschäftigt man sich als Profifußballer mit solchen Statistiken?
Ich habe diese Zahl tatsächlich noch nie gehört und ich schaue mir solche Statistiken auch nicht an. Aber ich treibe mich schon auf transfermarkt.de rum und schaue mir an, wo ehemalige Weggefährten gelandet sind. Das ist interessant.
Sie haben am 31. Spieltag der Saison 2018/19 Ihr Comeback gegen Mainz 05 gegeben. Seitdem haben Sie etwa 21 Ligaspiele für Hannover 96 bestritten und – viel wichtiger – Sie sind über die vergangenen Monate verletzungsfrei geblieben. Wie geht es Ihnen heute?
Der Weg zurück zur alten Verfassung war zum Zeitpunkt meines Comebacks noch nicht ganz abgeschlossen und er ist es streng genommen noch heute nicht. Wenn man so lange verletzt ist, hangelt man sich von Ziel zu Ziel. Am Anfang steht natürlich das Comeback auf den Platz, danach fasst man den ersten Assist ins Auge und irgendwann steht man wieder in der Startaufstellung. Mir geht es gut, aber ich denke ich brauche noch immer ein wenig, bis ich wieder der „alte Eddy“ bin.
Welche Vorstellungen hatten Sie von der Dimension der Verletzung, als Sie sich im Sommer 2017 das erste Mal Ihr Kreuzband rissen?
Für mich war es eine völlig neue Situation. Es fühlte sich an, als würde man mich in kaltes Wasser schmeißen. Ich hatte überhaupt keine Erfahrungswerte und keine Idee davon, wie die Reha-Phase ablaufen würde. Ich hatte keine Ahnung, welche Bewegungen ich vermeiden sollte, um den Knorpel oder das Kreuzband nicht zu schädigen.
„In den ersten sechs Wochen konnte ich es ohne Medikamente nicht ertragen“
War Ihnen auf dem Platz klar: Da ist gerade was kaputt gegangen?
Nicht wirklich. Es gab einen Knall – und danach tat mir das Knie einfach unglaublich weh. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie mir auf dem Platz liegend der komplette Kreislauf zusammengebrochen ist und ich den Physio erstmal nach einer Cola gefragt habe. Nachdem ich einige Meter gelaufen war, habe ich gemerkt, dass das Knie sehr instabil ist und es sich anfühlt, als sei ein Schwamm zwischen dem Ober- und dem Unterschenkelknochen gesteckt worden.
Wussten Sie, was Sie erwartet?
Ich habe in der ersten Zeit nach der Diagnose viel im Internet über die Verletzung recherchiert und mir ist schnell aufgefallen, dass es nur wenige Erfahrungsberichte gibt. In der Öffentlichkeit ist in Bezug auf die Ausfallzeit immer von sechs bis neun Monaten die Rede, obwohl das Schwachsinn ist. Das würde auch jeder Arzt bestätigen. Bis die Struktur im Knie wieder so hergestellt ist, wie sie es sein sollte, bis die körpereigene Sehne als neues Kreuzband fungiert und richtig an den Knochen festgewachsen ist, vergehen häufig mindestens zwölf Monate. Ich habe das Gefühl, dass vielen Leute nicht bewusst ist, wie schwer eine solche Knieverletzung ist und wie lange es braucht, bis der Körper sich von dieser rehabilitiert hat. Auch ich habe einige Wochen gebraucht um eine Ahnung davon zu bekommen, wie weit der Weg sein würde.
Wie ging es Ihnen in den ersten Wochen nach der OP?
Ich glaube, dass sich viele nicht vorstellen können, was sich im Körper eines Leistungssportlers abspielt, wenn er von Heute auf Morgen einfach keine Energie mehr verbraucht. Von Herzrhythmusstörungen bis hin zur Schlaflosigkeit habe ich alles erlebt. Dazu kommt die Psyche: Man liegt nachts wach und macht sich Gedanken um seine Karriere. Auch für den Kopf bedeutet eine schwere Verletzung unglaublich viel Arbeit.
Wie sind Sie mit Schmerzen umgegangen?
In den ersten sechs Wochen konnte ich es ohne Medikamente nicht ertragen. Danach wurden die Schmerzen etwas weniger, gleichzeitig entwickelte der Körper eine gewisse Resistenz. Irgendwann gehörten die Schmerzen dann zum Alltag dazu. Ich wollte mich aufs Klo setzen und das Knie zwickte, ich ging unter der Dusche und konnte auf einmal kaum mehr stehen. Außerdem macht man sich ständig Sorgen um das Knie, fragt sich, ob es anschwillt und dick wird.
Wie sehr verunsichern einen die Schmerzen während der Reha-Phase?
Am Anfang sehr, doch je weiter ich in der Reha kam, desto sicherer wurde ich. Irgendwann kann man die unterschiedlichen Schmerzen voneinander unterscheiden und weiß, welcher Schmerz normal ist. Als es dann in einer zweiten Phase darum ging, die verlorene Muskulatur langsam wieder aufzubauen, spürte ich im gesamten Bein Schmerzen, da war es also nicht nur speziell das Knie. Der vordere und hintere Oberschenkelmuskel, die Gesäßmuskel – alles brannte.