Viele Jahre war Daniele De Rossi das Herz der AS Rom. Mit seinem Wechsel zu den Boca Juniors erfüllte er sich einen Kindheitstraum. Nun beendet er seine Karriere. Über einen, der immer Fan geblieben ist.
Und dann ist da natürlich noch die Historie des Klubs. De Rossi schwärmt seit seiner Ankunft in Buenos Aires Ende Juli permanent von Diego Armando Maradona, dessen Rückkehr zu Boca im Jahr 1995 er als Jugendlicher am Fernsehschirm verfolgt habe. Bei seiner Vorstellung in der legendären Bombonera, dem Stadion der Boca Juniors, posierte der Italiener in der Ruhmeshalle neben einer Statue Maradonas. Mitte August erfüllte er sich dann einen Kindheitstraum. Zusammen mit Bocas Präsident Daniel Angelici und Sportdirektor Burdisso wurde der Italiener von Diego Maradona in dessen Stadtresidenz in Buenos Aires empfangen. Zwei Stunden lang saß er am Kaminfeuer beim Mate-Tee in Maradonas Wohnzimmersessel. „Ich war beim Größten aller Zeiten und er empfing mich wie einen uralten Freund“, erzählte er im Anschluss. Und beinahe schon unterwürfig fügte De Rossi hinzu, er hoffe, die Erwartungen des von Maradona so sehr geliebten Vereins erfüllen zu können.
Da war der große De Rossi auf einmal ganz klein. Ein Kind von 36 Jahren, das zu seinem vom Leben, den ewigen Aufs und Abs und unzähligen Exzessen gezeichneten Helden aufblickte. Doch nicht nur Maradona verkörpert die Tradition dieses Vereins, sondern vor allem das Stadion. Die Bombonera sei „das einzige Stadion, das mich begeistert hat, obwohl ich noch nie dort war“, sagte De Rossi. Die Xeneizes, so die Selbstbezeichnung der Boca-Anhänger in Anlehnung an die Herkunft der Klubgründer aus Genua (genovesi), sind weltbekannt. Die Stadionbilder aus der Pralinenschachtel mit Papierschnipseln, Rauch und entfesselten Fans kennt jeder Fußballfan. Jetzt ist De Rossi selbst ein Teil dieses Spektakels. Am 1. September bestritt der Mittelfeldspieler seinen ersten Superclasico. Das Derby zwischen River Plate und den Boca Juniors endete allerdings unspektakulär mit 0:0.
Hitzige Verhältnisse
Boca gegen River Plate steht nicht nur für Momente großen Sports, sondern auch für die Abgründe des argentinischen Fußballs. 2015 griffen die Xeneizes die Spieler von River Plate mit Pfefferspray an, Boca wurde disqualifiziert. Und das letztjährige Finale der Copa Libertadores wurde letztlich in Madrid ausgetragen, weil River-Anhänger zuvor den Boca-Bus mit Steinen beworfen hatten. De Rossi kennt diese Verhältnisse nur zu gut aus Rom. Regelmäßig zetteln die Roma-Tifosi Straßenschlachten an, immer wieder gibt es antisemitische Beschimpfungen, Messerstechereien sind fast an der Tagesordnung.
Nichts Neues also für den Mann aus Ostia, der selbst schon mit der Organisierten Kriminalität in Kontakt gekommen ist. Der Vater seiner Ex-Frau Tamara wurde 2008 bei Clan-Auseinandersetzungen ermordet, und in einem Skandal um die Hauptstadtmafia geriet De Rossi wegen fragwürdiger Kontakte zu einem Boss der römischen Unterwelt in die Schlagzeilen. Manche Menschen im abergläubischen Rom behaupteten damals, De Rossi ziehe das Unglück buchstäblich an.
In Buenos Aires hingegen soll er Glück bringen und helfen, die schmerzhafte Vergangenheit vergessen zu machen. Der Stachel der Schmach gegen River Plate im Finale der letzten Copa Libertadores sitzt tief. Die spektakuläre Verpflichtung des Italieners hat die Wunde geschlossen, zumindest vorübergehend. „Auf einmal ist Boca wieder im Gespräch“, schrieb die argentinische Zeitung „La Nacion“.