Durch den Derbysieg mit Hertha BSC widerlegt Bruno Labbadia die Vorbehalte, die es immer noch gegen ihn und seine Arbeit gibt.
Dass die Mannschaft gegen Hoffenheim und Union kein Gegentor kassiert hat, spricht für eine defensive Stabilität. Im Derby ließ die Mannschaft nicht einen Schuss des Gegners auf ihr Tor zu. Und trotzdem gingen die Sicherungsmaßnahmen nicht auf Kosten des offensiven Bedrohungspotenzials – weil die Mannschaft auch gegen den Ball nach vorne denkt, als Ganzes aggressiv und höher verteidigt. „Mit dem Fußball, den wir heute gespielt haben, haben wir die Leute für uns gewonnen“, sagte Labbadia. „Die Art und Weise, wie wir die Tore gemacht haben, das hat echt Spaß gemacht.“
Nicht nur die Art des Fußballs, auch die Personalentscheidungen des neuen Trainers erweisen sich bisher als schlüssig. Nach dem Sieg in Hoffenheim nahm Labbadia nur einen Wechsel vor, und das sogar mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. Obwohl er gegen die TSG ein Tor vorbereitet hatte, musste Maximilian Mittelstädt seinen Platz für Vladimir Darida räumen.
Dafür widerstand Labbadia der naheliegenden Versuchung, Dodi Lukebakio aus der Startelf zu nehmen. Der Belgier, vor der Saison für 20 Millionen Euro verpflichtet, hat die hohen Erwartungen bisher generell nicht erfüllen können und auch beim Sieg gegen Hoffenheim war er deutlich abgefallen. Trotzdem ließ Labbadia ihn gegen Union von Anfang an spielen. „Ich habe ihn ein bisschen in die Pflicht genommen“, sagte er. Sein Plan ging auf: Lukebakio traf im Derby zum vorentscheidenden 2:0.
„Wir sind keine Träumer und denken: Jetzt ist alles klasse.“
Auch wenn Labbadia in diesem Fall von seinem reichen Erfahrungsschatz profitiert hat, sind seine Personalentscheidungen vor allem faktenbasiert. So wie bei Vedad Ibisevic, der unter Labbadia beide Male von Anfang an spielte und beide Male traf. „Er hat mir eine faire Chance gegeben, und die habe ich genutzt“, sagte Ibisevic. „Ich genieße keine Sonderbehandlung.“
Herthas Kapitän wird im Sommer 36 Jahre alt, seine Zeit bei den Berlinern schien schon so gut wie vorbei zu sein. Doch weder das Alter noch die Vertragssituation haben für Labbadia bei der Zusammenstellung seiner Mannschaft eine Rolle gespielt. Das galt für Peter Pekarik genauso wie für Per Skjelbred und Vedad Ibisevic. „Er hat in jedem Training und in jeder Spielform gezeigt: ‚Pass auf, ich will da vorne rein!‘“, sagte Labbadia.
Plausible Personalentscheidungen, eine unerschütterliche Ruhe, die Überzeugung vom eigenen Handeln, eine klare Ansprache und eine positive Außendarstellung – all das hat Hertha nach turbulenten Monaten doch noch zur Ruhe kommen lassen und die Gefahr, ernsthaft in den Abstiegskampf verwickelt zu werden, schon jetzt weitgehend gebannt. „Wir haben einen super Start hingelegt“, sagte Bruno Labbadia. „Aber wir sind keine Träumer und denken: Jetzt ist alles klasse.“
Nach all den Irrungen in dieser Saison hätte er eigentlich sagen müssen: Wir sind keine Träumer mehr.
Dieser Text erscheint im Rahmen unserer Kooperation mit dem Tagesspiegel.