Sportlich hat Hertha BSC im vergangenen Jahr nicht so wahnsinnig viel gerissen. Warum sie dennoch nachhaltig beeindruckt haben und stellvertretend für den gesamten Fußball stehen.
Wieder zehn Jahre später spielten sie unter Lucien Favre um die Meisterschaft. Marko Pantelic, Andrej Voronin und Raffael weckten eine ungekannte Euphorie. An jeder Ecke und nicht nur den berüchtigten, waren Hertha-Fahnen zu sehen. Plötzlich musste man den Eindruck gewinnen, in dieser Stadt gäbe es tatsächlich fast so viele Fans der Alten Dame wie solche von Werder Bremen, Bayern München oder dem VfB Stuttgart.
Davon ist der Hauptstadt-Klub eine weitere Dekade später so weit entfernt wie das Willy-Brandt-Haus von seinem Namensgeber. Und das ist nicht schlimm. Schlimm ist: Dass der HSV jetzt Hertha BSC heißt.
Der geleugnete PR-Gag
Nicht, weil er chronisch abstiegsbedroht wäre oder so viel Führungspersonal verschleißen würde oder mehr im Boulevard denn anderswo verhandelt wird. Der HSV heißt jetzt Hertha BSC, weil man schon gar keine Lust mehr hat, sich über ihn lustig zu machen.
Stattdessen: Fassungslosigkeit.
All die Kampagnen, die aus Hertha machen wollten, was Hertha nie war und werden würde. Die eine neue Geschichte erfinden wollten, statt die alte vernünftig zu erzählen. So wie sie es in Köpenick perfektioniert haben. All die Versuche, die Kritik an den Kampagnen von sich zu weisen, umzudeuten, zu leugnen.
Oder wie Javier Cáceres es unlängst in der „Süddeutschen Zeitung“ schrieb: „Für Aufsehen sorgte 2017 die ›Take-a-Knee‹-Aktion: Das Bundesligateam imitierte vor einem Heimspiel die Kniefall-Geste, mit der American-Football-Profis in den USA damals gegen Polizeigewalt und Rassismus protestieren. Hertha wurde im Anschluss unterstellt, aus Marketinggründen einen PR-Gag inszeniert zu haben; der Klub wehrte sich vehement dagegen. 2018 reichte die Agentur Jung von Matt die Aktion dann beim PR-Bewerb ›Clio Awards‹ ein – und landete auf dem zweiten Platz.“
Und dann kam Klinsmann
Die Bräsigkeit im öffentlichen Umgang. Die Twitter-Auftritte von Mitgliedern der Geschäftsleitung. Die Tochter des Geschäftsführers Sport, die in einem sexistischem Spot (für die gute Sache) mitspielt.
Die Verpflichtung von Jürgen Klinsmann als (Interims-)Trainer. Mein Moment des Jahres. Mein Moment der totalen Fassungslosigkeit.