Anfang Februar 2011 grüßte uns die Zukunft mit graumlierter Halbglatze und hölzerne Halbsätzen. Felix Magath, der vielleicht letzte Bundesligatrainer Ernst Happelscher Machart, filmte sich selbst. Er saß dabei an seinem Computer und legte sich ein Profil auf der Netzwerkseite Facebook an. Er sagte: „Fußball.“ Dann holte er Luft. Dann sagte er: „Fußball. Da kann ja jeder mitreden. Da ist ja immer was los.“
Felix Magath hatte ein Lehrvideo gedreht, in dem er sein eigener Schüler war. Er erklärte sich und uns, was dieses neue Medium Facebook kann. Nachdem es in den Wochen zuvor immer wieder zu Reibereien mit den Schalke-Anhängern gekommen war, wollte er via Youtube und Facebook Fannähe demonstrieren.
Magath schreibt einen offenen Brief
Jeder – der Familienblock-Fan, der Ultra, der Capo, der Althauer, der Teilzeitfan – sollte gemeinsam mit ihm in diese geheimnisvolle Welt Facebook und Internet eintauchen und sich an Zeiten erinnern, als Fußball eine Sache war, die ohne Diktatoren und Hierarchien auskam.
Am Ende schwenkte die Kamera auf den Bildschirm und zeigte, wie sich ein leeres Formular mit Buchstaben füllte. Felix Magath schrieb den Schalker Fans einen Brief. Einen offenen Brief.
Liebe Schalker,
mit der Anmeldung auf facebook betrete ich ein neues Spielfeld. Ich freu‘ mich auf zahlreiche Beiträge und einen regen Austausch!
Felix Magath
Zwei Wochen später. Wieder Youtube. Ein Büro, ein Schreibtisch, ein Computer, ein Mann. Er spricht in die Kamera: „Liebe Freunde der Spielvereinigung, ich freue mich heute, über das Sozialwerk Facebook mich an euch wenden zu können.“
Es musste irgendwann zu einer Kopie von Magaths groteskem Original kommen. Und so wartete man auf Oliver Kalkofe. Oder auf Matze Knop. Oder auf irgendjemanden, der das Freitagabendpublikum eines Privatsender bespaßte. Doch der Mann, der dort sprach, war: Mike Büskens. Ein Trainer. Ein Fußballtrainer.
Das Theater nennt dies eine Persiflage, der HipHop einen Diss, der Schlager einen Gruß, die Popkultur ein Zitat, der Rock einen Coversong. Alles in allem war es: Ein herrliches Spiel unter Männern.
Im Sommer 2009 war Büskens, trotz eines laufenden Vertrages bis 2010, gemeinsam mit den Interimstrainern Youri Mulder und Oliver Reck vom neuen Schalke-Coach Felix Magath aussortiert worden. Schon bei seiner Entlassung hatte er sich über die Methoden von Magath echauffiert.
Mike Büskens macht sich lustig
Danach gab es die eine oder andere Spitze. Das übliche Nachkarten. Bis zu jenem Tag im März 2011, als dieses sehr willkommene Video bei Youtube veröffentlicht wurde. Willkommen, weil sich der moderne Fußball oft ein bisschen zu ernst nimmt. Alles – Images, Aussagen, Meinungen – erscheinen nicht selten wie ein großes konstruiertes Gerüst, an dem sich die Protagonisten fethalten können. Der Profi von heute besitzt hinter der schützenden Hand der Vereine und Berater kaum noch ein eigenes Profil. Keine Ecken, keine Kanten, wenig Meinungen. Es ist die große Angst, auf der glatten und großen Profibühne als unbequem zu gelten. Mike Büskens macht sich auch darüber lustig.
„Man erkennt Ähnlichkeiten, wenn man dies feststellen will“
Das wird beim Blick auf die Details deutlich: In der ersten Einstellung trägt Mike Büskens (wie Magath) einen Anzug, er rührt (wie der Teetrinker Magath) in einer Teetasse, er spricht (wie Magath) in hölzernen Halbsätzen. Dann ein Schnitt. In der nächsten Einstellung: Ein neuer Mensch, ein neues Image. Nun hat Büskens eine Trainingsjacke an und nippt an einem Erfrischungsgetränk. Nun spricht er flüssiger. Nun sagt er: „Das Wichtigste im Leben ist, dass man authentisch bleibt, ja.“
Doch angeblich war das alles gar nicht so gemeint. Eine Retourkutsche? Von wegen. Büskens sagte zu seinem Video, er wollte sich nur selbst parodieren. Im großen 11FREUNDE-Interview (August 2011) reagierte er gar leicht genervt: „Ich muss und kann damit leben, dass man Ähnlichkeiten erkennt, wenn man dies feststellen will.“ Damals wie heute können wir sagen: Man will.