Oktober
Aufreger des Monats: Don Jupp kehrt zurück
Zuletzt einen Trainer in der laufenden Saison entlassen hatten die Bayern im April 2011. Der gelackmeierte damals: Louis van Gaal. Mit Carlo Ancelotti erwischte es im Herbst 2017 dann wieder einen der großen Trainer des internationalen Fußballs, nach (für bayrische Verhältnisse) katastrophalen Auftritten (die Bayern verspielten sowohl gegen Wolfsburg als auch gegen Hertha eine 2:0‑Führung), zog das Duo der Zornesröte die Reißleine. Um dann, Anfang Oktober, ihren alten Verbündeten Jupp Heynckes aus dem Hut zu zaubern. Der gleich auf seiner Vorstellungs-PK erklärte, den Dienst der Freundschaft zu Liebe anzutreten, unter anderem, weil ihm sein Hund dazu geraten hätte. Und so hatten sich in München endlich wieder alle lieb, was man vor allem den Spielern ansah – die im Verbund wieder zu der Ergebnismaschine mutierten, vor der sich der Rest des Landes so einzunässen gewohnt ist. Was das in Zahlen heißt? Von 16 Spielen gewannen die Bayern unter Heynckes 15.
Spieler des Monats: Leon Bailey
Usain Bolt, Bob Marley, Ziggy Marley, Damian Marley: Die Liste an Jamaikanern, die weltweit für Furore sorgten, ist relativ kurz und hat relativ wenig mit Fußball zu tun (auch wenn Bob Marley angeblich ein hervorragender Vorstopper war). Seit Oktober 2017 versuchte Leon Bailey, das zu ändern. Oder zumindest irgendwann seinen Namen auf diese Liste zu packen. Das Zeug dazu bringt er mit, weshalb er sich in der Bundesliga innerhalb weniger Wochen im Herbst zu einem der spektakulärsten Spieler überhaupt mausert. Und auch in Leverkusen das Industriemuseum Freudenthaler Sensenhammer recht fix als größte Sehenswürdigkeit der Stadt ablöst. Bis zur Winterpause kommt der Flügelspieler auf sechs Tore, vier Vorlagen und 76346 gewonnene Sprintduelle, was gleichzeitig bedeutet, dass man sich den Mann möglichst in der Rückrunde nochmal im Stadion anschauen sollte. Ab Sommer spielt er schließlich in England.
Video des Monats: Knaller-Interview mit dem Trainer des TSV Pulsnitz
Am 08.10. feierten wir gemeinsam mit über 300 Vereinen den ersten deutschlandweiten Tag der Amateure. Weil Fußball in der Kreisliga fast genauso großartig ist wie Fußball in der Bundesliga. Und weil Field-Interviews mit Kreisliga-Trainern sogar ein bisschen sehr viel großartiger sind als die mit Bundesliga-Trainern.
Spiel des Monats: Equador – Lionel Messi 1:3
Wenn die Last eines ganzen Landes auf den Schultern eines Einzelnen liegt, kann das für diese Schultern ganz schön viel werden. Wenn die Schultern dann auch noch so schmal sind wie die von Lionel Messi und das Land gleichzeitig so groß ist wie Argentinien, dann muss das eigentlich schief gehen. Aber Lionel Messis Schultern sind eben keine normalen Schultern und der Mann kein normaler Mensch. Sondern eben doch ein Außerirdischer. Was er im letzten WM-Quali-Spiel gegen Equador, als seine Mannschaft mit dem Rücken zur Wand steht, mal wieder beweist. Nachdem Argentinien mit 0:1 in Rückstand gerät und sich Redakteure auf der ganzen Welt schon die Finger nach der besten Blamagen-Schlagzeile lecken, nimmt der kleine Stürmer sein Land, diese stolze Fußballnation, Huckepack, trifft auf genialste Weise gleich dreimal und trägt Argentien schlussendlich im Alleingang nach Russland. Einfach, weil er es kann. Und weil seine Schulter nicht wie bei uns ein funktionaler Zusammenschluss aus Muskeln, Knochen und Bändern sind, sondern nur die sichtbare Hülle für etwas, das wir nie ganz verstehen werden. Was wir aber unbedingt, so lange es das noch gibt, genießen müssen!
November
Aufreger des Monats: Der Videobeweis
Gerechter sollte er alles machen, der Videobeweis. Die Schiedsrichter schützen sollte er außerdem, und, na klar, die elenden Diskussionen über Fehlentscheidungen endlich beenden. In der Realität sorgte der Videobeweis in der Hinrunde in erster Linie für Chaos. Was Anfang November, als das Experiment endgültig außer Kontrolle zu geraten droht, dazu führt, dass Hellmut Krug von seiner Aufgaben als Projektleiter entbunden wird. Doch auch danach wird weiter diskutiert, über klare und weniger klare Fehlentscheidungen, über Kann- und Muss-Elfmeter und über das tolle Wort Wahrnehmungsfehler. Fortsetzung folgt.
Spieler des Monats: Andrea Pirlo
Wenn ein Spieler wie Philipp Lahm seine Karriere beendet, dann ist man ein bisschen traurig. Weil der Mann halt immer dabei war – und weil man merkt, wie alt man selber langsam wird. Wenn ein Spieler wie Andrea Pirlo seine Karriere beendet, dann ist man sehr traurig. Weil der Mann fürs Fußballspielen geboren wurde. Und Dinge auf dem Platz anstellte, die uns in Erinnerung riefen, warum wir uns einst in den Fußball verliebten. Pässe aus dem Fußgelenk in Räume, die vorher doch gar nicht da waren. Pirouetten mit Ball so eng am Fuß, dass man sich Sorgen um die Beziehung der beiden macht, weil zu viel Nähe, zumindest in unserer Welt, ja eigentlich immer ins Verderben führt. Und Freistöße, quasi mühelos in den Winkel gestreichelt, weil Pirlo für den Schuss ja keine Kraft aufwenden musste, sondern der Ball, einmal von dessen Fuß berührt, schon verstanden hatte und aus eigenem Antrieb flog, weiter und weiter, weil er ja genau wusste, dass er jetzt Teil einer besonders schönen Geschichte war. Schließlich hatte ihn ja ein Freund, also Pirlo, auf die Reise geschickt. Und als dieser Pirlo am 06.11. die Profiwelt verlässt, als Spieler von New York City FC, da ist den Menschen klar, dass niemand ihnen diese Momente in dieser Form mehr wird liefern können. Und sie trauern deshalb völlig zu recht.
Video des Monats: Robin Zentner passt ohne Ball
Frage: Ist es moralisch verwerflich, während eines laufenden Bundesligaspiels für den nächsten Activity-Abend zu proben und das Wort „Innenseitstoß“ pantomimisch darzustellen? Robin Zentner findet: Nein. Was wir klasse finden.
Spiel des Monats: Dortmund-Schalke 4:4
0:4 hinten. Im Derby. Gegen eine Mannschaft, die doch eigentlich tief in der Krise steckt. Der 25.11. hätte für Schalke zur Hölle werden können. Stattdessen geht der 25.11. als einer der tollsten Tage in der Schalker Geschichte überhaupt ein. Als Tag, an dem sich die Mannschaft selber aus dem Dreck zog, Stück für Stück, Tor für Tor. Um dann, in der Nachspielzeit, mit dem Ausgleich von Naldo die vielleicht emotionalste Aufholjagd der eigenen Historie perfekt zu machen. Wir haben leider keine exakten Zahlen, wie oft Gelsenkirchener Neugeborene seitdem die Namen Guido, Amine, Daniel oder Naldo verpasst bekamen, leiden aber präventiv schon jetzt mit den Kindergärtnern mit, die in drei bis vier Jahren all die Namensvetter werden auseinander halten müssen.
Dezember
Aufreger des Monats: Das Peter-Karussell
Das Peter Bosz irgendwann würde gehen müssen, war spätestens mit dem quasi verlorenen Derby gewiss. Dass er allerdings ersetzt werden würde von Peter Stöger, der grade erst in Köln entlassen worden war, überraschte das Land dann doch. Zumal mit Peter Neururer ein ebenfalls hochqualifizierter Peter frei gewesen wäre. Doch Dortmund entschied sich für Stöger, der so innerhalb einer Woche den steilsten Karrierboost erfuhr, seit Daniel Küblböck (der eigentlich Daniel Dominik Kaiser-Küblböck heißt) mit „You Drive Me Crazy“ auf Platz 1 der thailändischen Charts schoss. Was Daniel Küblböck jetzt macht, wissen wir nicht. Was Peter Stöger macht, dagegen schon. Er lacht sich, wie seit vier Wochen jeden Tag, auch heute wieder ins Fäustchen.
Spieler des Monats: Mario Gomez
Mit der Nachricht hatte keiner gerechnet: Mario Gomez kehrt nach Stuttgart zurück! Doch kurz vor Weihnachten trudelten tatsächlich diverse Push-Meldungen ein, die eben das behaupteten. Und die also verkündeten, dass der Mittelstürmer nach acht Jahren wieder dahin wechselt, wo alles anfing. Wo er zum gefürchteten Torjäger reifte und sich ins Schaufenster ballerte. Von wo aus er auszog in die Welt, nach München und Florenz, Istanbul und, nun ja, Wolfsburg. Um endlich anzukommen in einer Stadt, die ihn – hoffentlich – spätestens nach den ersten Toren nicht nur akzeptieren, sondern auch zu Füßen liegen wird, die ihn lieben wird, so wie er es schon in anderen Städten verdient gehabt hätte. Toi, Toi, Toi.
Video des Monats: Heiko Herrlich im Pokal
Es gibt Momente, die einen Menschen auf ewig in einem anderen Licht erscheinen lassen. Wenn beispielsweise der Klassenkamerad, den man ob der ungewaschenen Haare immer etwas komisch fand, im Ernstfall als Erster und Einziger reagiert, und die eigene, wegen eines tückischen Wespenstichs zugeschwollene, Luftröhre mit einem gezielten Kugelschreiberhieb freilegt. Oder wenn ein Trainer wie Heiko Herrlich sich zu einer Aktion wie der im Spiel gegen Gladbach hinreißen lässt. Und danach auf ewig der Trainer sein wird, der uns an Norbert Meier erinnert.
Spiel des Monats: Köln-Freiburg 3:4
Wer das Revierderby verpasst hatte, bekam noch eine zweite Chance auf verrückten Bundesligafußball: das Spiel zwischen Köln und Freiburg. In dem es für die Kölner um nicht weniger ging als um den letzten Strohhalm und in dem die Mannschaft, mit zwei gelernten Außenverteidigern im Sturm, loslegte wie die Feuerwehr. Um nach einer halben Stunde mit 3:0 vorne zu liegen. Was die zusammengewürfelte Truppe offensichtlich dermaßen verwirrte, dass sie in der Folge umherirrte wie eine Grundschulklasse beim Hallenhockey. Was wiederum Nils Petersen auf den Plan rief, den Freiburger Torjäger, der plötzlich auch wieder in Spielen traf, in denen er von Anfang an auf dem Platz stand. Und der im Kölner Schneetreiben Tor um Tor schoss, zwei davon in den Minuten 89 und 91, bis seine Mannschaft tatsächlich führte, drei Punkte mitnahm und die Kölner in die tiefste Depression seit Februar 2009 führte, als Podolski ob Terminproblemen seine Teilnahme am Karnevalsumzug absagen musste. Bitter.