Für unsere Ausgabe „Spieler machen 11FREUNDE“ interviewte Hanno Balitsch seinen Ex-Trainer Ewald Lienen. Pünktlich zu Lienens Wechsel zum FC St. Pauli lest ihr das Interview erstmals online.
Hätte Ihnen ein Medienberater geholfen?
Ich glaube inzwischen, dass es ohne kompetente Beratung – und nicht nur in Medienfragen – gar nicht mehr geht, wenn man länger im Trainerjob bleiben will. Das betrifft durchaus auch das, was in einem Klub los ist. Wenn ich so eine Hilfe gehabt hätte, hätte ich in einigen Klubs wesentlich länger arbeiten können, bei denen ich weggemobbt worden bin. Da wollten Leute ihre eigenen Geschäfte machen, und ich habe dabei im Weg gestanden. Dem war ich hilflos ausgeliefert, weil ich auf so etwas überhaupt nicht vorbereitet war.
Dabei sprechen sie ihr starkes Gerechtigkeitsgefühl an, das ich ebenfalls habe. Manchmal frage ich mich: Ist Fußball der richtige Ort dafür, oder muss ich Kompromisse machen? Wie sehen Sie das?
Ich muss doch weiterhin in den Spiegel schauen können. Sich bis zur völligen Selbstaufgabe anzupassen, kann es doch nicht sein.
Ich hatte in Hannover einen Konflikt mit Dieter Hecking, als ich in der Halbzeitpause das Gefühl hatte, da wird Mitspielern Unrecht getan. Darauf habe ich zweifellos unpassend reagiert, bin sofort ausgewechselt worden und saß eine Woche draußen. Das ist inzwischen längst ausgeräumt, aber die generelle Frage bleibt: Wie viel eigene Meinung darf ein Spieler haben?
Ganz unabhängig von diesem Einzelfall glaube ich, dass eine Mannschaft unbedingt Spieler mit einer eigenen Meinung braucht. Aber sie müssen wissen, wann sie ihre Meinung sagen, in welchem Zusammenhang das kon-struktiv für die Mannschaftsleistung ist. Wenn das so ist, muss ich dem als Trainer auch Platz geben und kann mich nicht hinter einer künstlichen Autorität verstecken. Ich habe nie Autoritätsprobleme gehabt, weil ich den Spielern immer Raum gegeben habe, selbst wenn sie in der Halbzeitpause dazwischengegrätscht sind.
Was in meinem Fall ein Fehler war.
Das kann sein. Aber ich habe die Spieler immer dazu ermuntert, in einer Halbzeitpause auch mal Dampf abzulassen und zu fragen: „So, was ist hier eigentlich los?“ Wenn ich sie mit den gleichen Konflikten zur zweiten Halbzeit rausschicke, dass der eine nie gelaufen ist und der andere seine Mitspieler nicht unterstützt hat, dann bekommt man es auch nicht korrigiert. Ich habe Situationen erlebt, da hat es in der Kabine total geknallt, aber das war super.
Ich bin inzwischen 33 Jahre alt und habe das Gefühl, dass die jungen Spieler in vielerlei Hinsicht anders ticken als ich. Mir geht es manchmal schon auf die Nerven, wenn vor einem Spiel total laut Musik in der Kabine gespielt wird …
Aber das musst du ja nicht akzeptieren.
Nur will ich nicht einen Großteil der Mannschaft vor den Kopf stoßen, weil mir das nicht gefällt.
Wenn der großen Mehrheit der Mannschaft das gut tut, musst du dir Ohrstöpsel in die Ohren tun. Oder man muss einen Kompromiss finden, darüber kann man schließlich reden. Dann gibt es vielleicht eine Zeitlang Musik und ab einem gewissen Punkt nicht mehr, das ist doch wirklich nicht so kompliziert.
Ich glaube, dass die junge Generation anders tickt, etwa mit flachen Hierarchien innerhalb von Mannschaften. Wie stellen Sie sich darauf ein?
Ich finde, die Frage nach den unterschiedlichen Generationen wird viel zu wichtig gemacht. Die grundlegenden Dinge im Fußball ändern sich nicht. Der Fußball und die Werte, die wir auf dem Platz leben und verkörpern müssen, sind dieselben. Ich will eine Fußballmannschaft haben, die erfolgreich ist, die Spaß hat und das auch dem Publikum signalisiert. Es muss sichtbar sein, dass du aus den Möglichkeiten, die du hast, wie groß sie auch immer sind, alles herausholen willst. Ich möchte auf dem Platz Eigeninitiative sehen und die Solidarität, dass jeder dem anderen hilft. Aber das war früher schon so und wird in 50 Jahren so sein.
Sie haben in Spanien, bei drei Klubs in Griechenland und zuletzt in Rumänien gearbeitet. Ich habe Sie als Trainer erlebt, der sehr stark über Emotionen kommt. Sie haben bei Mannschaftsbesprechungen teilweise mehr geschwitzt als einige Spieler später auf dem Platz. Verliert sich davon nicht unheimlich viel, wenn solche Ansprachen ein Dolmetscher übersetzen muss?
So ein großes Problem ist das nicht. Spanisch kann ich sowieso, und die Amtssprache bei den Klubs in Griechenland und zuletzt bei Otelul Galati in Rumänien war Englisch. Da gab es bestenfalls zwei oder drei Spieler, die das nicht verstanden haben. In Griechenland hätte mich die Hälfte der Spieler aber auch nicht verstanden, wenn ich Griechisch gesprochen hätte, weil so viele ausländische Profis dort waren. Zudem gibt es immer die Möglichkeit, Einzelgespräche mit einem Dolmetscher zu führen. Während der Halbzeitpause musste ich mich natürlich beeilen. In Griechenland habe ich auf Englisch gesprochen, dann wurde das ins Griechische übersetzt, und dann habe ich das für die Südamerikaner und Iberer noch mal auf Spanisch gesagt. Da kommt man auch ins Schwitzen.