Rudi Gutendorf hat als Trainer schon die ganze Welt gesehen. Für 11FREUNDE erinnert sich Gutendorf an seine kuriosesten Stationen. Heute: als Vereinstrainer in Japan.
Wir befinden uns im Jahr 1982. Da scheint es einen Fußballklub in Tokio zu geben, der, wie man so schön sagt, in die Vollen gehen will. Der FC Yomiuri bietet meinem Trainerkollegen Dettmar Cramer einen Bombenvertrag an. Der ist allerdings unabkömmlich und kann im Land der aufgehenden Sonne keine Doppelpässe üben lassen. Er muss dies noch ein Jahr in Leverkusen tun, wo er gerade für einige Millionen seine Bundesliga-Truppe verstärkt hat.
Cramer wird geweckt – also empfiehlt er mich
Aber die Japaner lassen nicht locker, sie rufen immer wieder an, gehen ihm auf die Nerven, bieten immer mehr, denken, mit großem Geld könnte sie ihn kaufen. Dettmar Cramer ist wer in Japan. Als Nationaltrainer hatte er die Japanische Liga gegründet und mit den Nippon-Kickern bei den Olympischen Spielen im Jahre 1970 in Mexiko die Bronzemedaille geholt. Seitdem wird Cramer in Japan verehrt.
Als die Japaner ihn eines Sonntags um fünf Uhr wieder aus dem Bett klingeln, reicht es Cramer. Also empfiehlt er mich. Wahrscheinlich will er die hartnäckigen Anrufer loswerden.
So erhält der damalige Nationaltrainer der Fidschis, nämlich ich, kurz vor seinem Vertragsende einen Anruf der japanischen Botschaft aus Suva. Kurze Zeit später sitze ich seiner Exzellenz, dem japanischen Botschafter für Fidschi, beim Prawns-Curry-Dinner und einer Flasche gut gekühltem Moselwein gegenüber. Weiß der Teufel, wie er hier an so eine Flasche gekommen, die bestimmt ein Vermögen kostet hat.
Geld spielt keine Rolle
Der nur kindgroße Botschafter versteht natürlich nichts vom Fußball, aber seine Augen werden groß und bekommen einen schönen Glanz, wenn er vom Yomiuri spricht, dem weltgrößten Mediengiganten, der mich haben will, weil sie Cramer nicht kriegen konnten. Über Details wie Geld und Vertragspunkte spricht seine Exzellenz natürlich nicht, lässt aber durchblicken, dass Geld für Yomiuri keine Rolle spielt, wenn es darum geht, einen Oversea-Experten zu verpflichten, der endlich dieser großen Firma die Meisterschaft bringt.
Da fahren natürlich sofort alle meine Antennen aus, es fällt mir schwer, cool zu bleiben. Was muss das für ein Firmengigant sein, dass sich ein leibhaftiger Botschafter herablässt, für ihn einen Fußballtrainer anzuheuern? Und das bei den sonst so ehrpusseligen Japanern!
Als der Botschafter mir nach dem Dessert ein First-Class-Ticket nach Tokio und dazu eine goldene Perlenbrosche (als kleine Aufmerksamkeit für die Gattin, die ich gar nicht hatte) über den Tisch reicht, sage ich zu, mit den Herren von Yomiuri in Tokio zu sprechen. Als wir aufstehen, um uns zu verabschieden, knicke ich unauffällig in den Knien ein, um mich kleiner zu machen. Er schenkt mir ein dankbares Lächeln, als ich immer noch wie ein Funkturm auf die freundliche, aber sehr kleine Exzellenz herabsehe.