Als die deutsche Nationalelf am Tag nach dem WM-Finale 1990 von Rom zurück nach Frankfurt flog, war Edgar Ludwigs als Soldat der Flugbereitschaft mit an Bord. Dreißig Jahre später erinnert er sich an die rausgestreckte Zunge von Lothar Matthäus, den angeschickerten Pierre Littbarski und sein Foto mit Andreas Brehme.
Edgar Ludwigs, es ist der 9. Juli 1990. Die frischgebackenen Weltmeister steigen in die Kanzlermaschine, um mit Ihnen von Rom zurück nach Frankfurt zu fliegen. Sie stehen am Eingang des Flugzeugs und begrüßen die Spieler. Woran erinnern Sie sich?
Einer der ersten, die ins Flugzeug kamen, war Sepp Maier.
Der Weltmeister von 1974 war inzwischen Bundestorwarttrainer.
Er war allgemein als humorvoller Typ bekannt, also fasste ich mir ein Herz und fragte, ob er mir auf dem Poster der Nationalelf, das ich mitgebracht hatte, ein Autogramm geben könne. Maier nahm mich gleich beiseite und sagte: „Junge, Du kannst hier beim Einsteigen aber nicht jeden nach seiner Unterschrift fragen. Das wird nichts. Gib mal her!“ Und nahm das Poster mit.
Warum das denn?
Er versprach, während des Flugs rumzugehen und nach und nach alle Spieler nach ihrem Autogramm zu fragen.
Sie haben das Poster vermutlich nie wiedergesehen?
Zugegeben, man konnte den meisten ansehen, dass sie nicht viel geschlafen hatten. Aber Sepp Maier war sehr hilfsbereit. Als er ausstieg, drückte er mir das Bild in die Hand, und fast alle Spieler hatten unterschrieben. Ich habe es bis heute aufgehoben.
Wie kamen Sie dazu, mit dem WM-Team zu fliegen?
Insgesamt war ich elf Jahre lang Kanzler-Steward bei der Bundeswehr. Damals stand ich noch ganz am Anfang einer Laufbahn, ich war knapp zwanzig und schloss gerade meinen Unteroffizierslehrgang in Hamburg ab. Ende Juni 1990 rief mein Chef aus Köln/Bonn an und sagte, ich solle mich bereithalten, es könne passieren, dass Helmut Kohl eine Maschine nach Rom schickt, für den Fall, dass die deutsche Mannschaft das Finale erreicht.
Wann bestätigte sich der Flug?
Am Mittwoch vor dem Endspiel traf die Mannschaft im Halbfinale in Turin auf England. Da wusste ich bereits, dass ich im Falle eines Sieges am Sonntag zum Finale in Rom sein würde. Ich weiß jedenfalls noch gut, wie sehr ich beim Elfmeterschießen zitterte – und hinterher total selig war.
Flogen Sie mit dem VIP-Flieger des Kanzlers?
Nein. Es gab damals insgesamt vier Maschinen für staatliche Anlässe. Wenn wir mit Helmut Kohl flogen, ließen sich zwei davon auch für VIP-Zwecke umbauen. Die „August Euler“, mit der wir die Weltmeister unter dem Befehl von Oberleutnant Hoyer abholten, aber war ein klassischer Passagierflieger, eine Boeing 707 mit 169 Sitzplätzen.
Und damit ging es für Sie nun als frischgebackener Unteroffizier zum Finale nach Rom.
Ich flog noch als Obergefreiter nach Italien und wurde direkt nach Rückkunft zum Unteroffizier befördert. Hätten die sich auch vorher mal überlegen können. (Lacht.)
Haben Sie das Endspiel gegen Argentinien im Stadion gesehen?
Anfangs war nicht klar, ob wir dahin dürfen. Aber es klappte. Vielleicht lag es daran, dass wir auf dem Hinflug Innenminister Wolfgang Schäuble mit an Bord hatten, mit dem wir vor dem Spiel noch in der deutschen Botschaft in Rom zum Essen eingeladen waren. Keine Ahnung. Jedenfalls hatte ich das Glück, in der Kurve zu stehen, vor der Andreas Brehme den entscheidenden Elfmeter versenkte. Sie müssen sich vorstellen, dass wir noch in prä-digitalen Zeiten lebten. Ich fotografierte mühsam mit meiner Canon AE1 und ohne Blitz und hoffte, dass auf den Fotos überhaupt etwas zu erkennen sein würde. Damals musste man ja noch die Entwicklung abwarten. Aber auch das klappte.
Haben Sie das Finalticket noch? Memorabilia-Sammler zahlen für sowas viel Geld.
Habe ich. Die Eintrittskarte habe ich mir auf dem Rückflug von Franz Beckenbauer signieren lassen.
Damals DFB-Teamchef.
Da gehörte aus meiner Sicht nur die Unterschrift vom „Kaiser“ drauf.