Österreichs Liga hatte die Fans von Rapid Wien für ein Heimspiel aus dem Stadion verbannt. Die aber zogen einfach um in den Gästeblock — und lachten sich schlapp.
In Österreich hat man sich längst daran gewöhnt: Krawalle gehören beim Wiener Derby zwischen Rekordmeister Rapid und Rekordpokalsieger Austria – leider – zur Normalität. Ebenso geschäftsmäßig verhängt die zuständige Sportgerichtsbarkeit der österreichischen Bundesliga anschließend ihre Strafen gegen Vereine und Fanszenen.
Und noch etwas entwickelt sich langsam, aber sicher zur Routine: die Kreativität und juristische Spitzfindigkeit, mit der Rapid die Sanktionen umgeht. Zuletzt, nach den unschönen Derby-Vorfällen im Februar, war neben einer 100.000-Euro-Geldstrafe die Sperrung der beiden Hintertor-Heimfan-Sektoren sowie der Stadionecken für ein Heimspiel verhängt worden. Lediglich die Haupttribüne und die Gegengerade durften geöffnet werden – und natürlich der Gästeblock. So weit, so klar.
Tiefer Griff in die Trickkiste
Als das von der Strafmaßnahme betroffene Rapid-Heimspiel gegen den Abstiegskandidaten SKN St. Pölten am vergangenen Wochenende angepfiffen wurde, dürften sich die Herren Liga-Juristen reichlich verschaukelt vorgekommen sein: Aus dem Gästeblock grüßte die volle Kapelle der aktiven Rapid-Fanszene – 2.000 Mann mit Choreo, riesigen Fahnen, Transparenten, Doppelhaltern und jeder Menge Hohn und Spott für die Richter des so genannten Bundesliga-Strafsenats.
Der Verein hatte für seine Fans mal wieder tief in die Trickkiste gegriffen. Mit freundlichem Einverständnis der Behörden, des SKN St. Pölten sowie des 260 Köpfe zählenden St. Pöltener Anhangs hatte man die Gästeanhänger per „Upgrade“ auf die Längstribüne verfrachtet und den Gästeblock zum Heimsektor umfunktioniert.
Die eigenen Anhänger im Gästeblock
Eine Stunde vor dem Anpfiff rieben sich alle – Stadionbesucher, Schiri-Gespann, Pressevertreter und TV-Kommentatoren – verwundert die Augen: War dieses Possenspielchen wirklich legal? Schließlich hatte die Bundesliga einen Umzug der Rapid-Fans in den Gästebereich zuvor ausdrücklich und in schriftlicher Form ausgeschlossen – allerdings nur in einer offiziellen Mitteilung zum Thema.
Im schriftlichen Urteil des Strafsenats fehlte dieser Passus hingegen. Ein peinlicher Lapsus, den Rapids Vorstand, der im Vorfeld die „Unverhältnismäßigkeit“ der Sanktionen kritisiert hatte, eiskalt ausnutzte. Bereits im Vorfeld der Begegnung hatte der Klub siegessicher angekündigt, die eigenen Anhänger im Gästesektor unterzubringen. Dass Liga und Strafsenat den Klub ausdrücklich vor Konsequenzen warnte – wurscht, denn formaljuristisch war Rapid nun mal im Recht.
Am Dienstag, drei Tage nach dem Spiel, musste die Bundesliga endgültig klein beigeben: „Der Senat 1 ist nach eingehender Prüfung zu der Ansicht gelangt, dass der SK Rapid auf Basis des ergangenen Spruchs das Urteil formal korrekt umgesetzt hat“, konzedierten die zuständigen Richter.
„Aufgrund der Zustimmung der zuständigen Behörden und des Gastklubs wurde ermöglicht, dass der im Rahmen des Beschlusses von der Sperre nicht umfasste Gästesektor des Allianz-Stadions den Fans des SK Rapid zur Verfügung gestellt werden konnte.“ Bäääh – Rapid und seine Fans hatten den Funktionären die lange Nase gezeigt. Einmal mehr.
Im Eifer des Gefechts vergessen
Es war nämlich nicht das erste Mal, dass die grün-weiße Anhängerschaft unter tatkräftiger Mithilfe des Vereins der Härte der Bundesliga-Justiz entgangen war. Nach ebenfalls heftigen Derby-Krawallen im November 2014 hatte die Liga seinerzeit eine Sperre der Heim-Fankurve verhängt. Verboten waren ferner „die Mitnahme und Verwendung von Fahnen, Doppelhaltern, Trommeln, Megaphonen, Plakaten und Transparenten sowie das Anbringen eines Vorsängerpults im gesamten Stadion.
Erlaubt sind lediglich Bekleidungsstücke, die auf eine Heimfanzugehörigkeit hinweisen, wie Kopfbedeckungen (Mützen, Kappen), Oberbekleidungen oder Schals.“ So weit, so klar. Eines jedoch hatten die gestrengen Sportjuristen im Eifer des Gefechts völlig vergessen: einen Heim-Fansektor an anderer Stelle im Stadion zu untersagen.
Folgt eine herzhafte Revanche?
Rapid verfrachtete den eigenen Anhang damals, als der Klub wegen vorübergehend im riesigen Ernst-Happel-Stadion spielte, kurzerhand um ein paar Blöcke weiter nach rechts. Und schon war aus der vermeintlichen Strafe eine Farce geworden. Die Bundesliga-Funktionäre waren bis auf die Knochen blamiert und schäumten vor Wut.
Seit dem zurückliegenden Wochenende steht es also 2:0 für Rapid. Schadenfreunde vonseiten der Klubführung war dennoch nur hinter vorgehaltener Hand zu vernehmen. Der Grund liegt auf der Hand: Die Bundesliga und ihr tendenziell humorloser Strafsenat könnten sich schon bei der nächsten Verfehlung der Rapid-Fans herzhaft revanchieren. Dann dürften die Herren Richter Sanktionen verhängen, die ihr Ziel ganz sicher nicht verfehlen – einen völligen Zuschauerausschluss zum Beispiel. Oder ein Bundesliga-Spiel auf neutralem Platz.
Rapids Fanszene ließ sich ihren Triumph dennoch hör- und sichtbar schmecken: „Scheiß Bundesliga“, skandierten die Heimfans im Gästeblock frenetisch und grüßten per Mega-Transparent: „Werte Herren vom Senat: Wir sind laut und ihr seid’s stad (still; die Redaktion).“