Er ist der kleinste Torwart der EM und wurde gegen Albanien zum Matchwinner. Das hat etwas mit dem Faible für Fehler und Gesangsunterricht zu tun.
„Zum Glück haben wir Yann Sommer“, sagte Granit Xhaka nach dem EM-Auftaktspiel der Schweizer. Und auch sein Bruder, Albaniens Taulant Xhaka, befand: „Das war wirklich eine super Parade vom Yann. Das ist ein Top-Torhüter.“
Die Szene, die er anspracht, spielte sich in der 87. Spielminute ab, als Albaniens Shkelzen Gashi plötzlich frei vor dem Schweizer Torhüter auftaucht. Zentral, den Ball auf dem starken, linken Fuß und nur noch zwölf Meter Rasen vor sich. Und diesen Yann Sommer. Den mit 1,83 Meter kleinsten Torhüter der Europameisterschaft. Der sich vor dem heranstürmenden Gashi noch kleiner macht, als er eh schon ist.
Wie eine Katze, die in Abwehrhaltung einen Buckel formt. Nur um dann blitzschnell die Pranken hochschnellen zu lassen, um den Ball zu klären. Und den Sieg festzuhalten.
Die Bälle einfach halten, egal wie
Es ist eine typische Sommer-Szene. Die Art, wie er sein Torwart-Spiel interpretiert, hat allerdings nicht nur mit seiner für einen Schlussmann vergleichsweise geringen Körpergröße zu tun. Es ist die klassische südländische Torwartschule. „Beim deutschen Stil wehrt man viele Bälle mit dem Fuss ab, auch wenn die Schüsse aus zehn, elf Metern kommen.
Beim südländischen Stil geht man eher mit der Hand nach unten und versucht die Bälle so abzuwehren. Italienische Torhüter sind oft angriffig, sie hechten bei Flanken mit dem Kopf voran aus ihrem Tor“, sagte Sommer einst im Gespräch mit der „NZZ“.
Und weiter: „Einen Ball mit dem Fuss abzuwehren, war für mich schwierig zu lernen. Das bin ich nicht gewohnt. Es brauchte Zeit, bis ich merkte: Aha, einen Fuss kann man auch so gebrauchen. Aber ich muss den Ball gar nicht so abwehren, niemand verlangt das von mir. Ich muss die Bälle einfach halten, egal wie.“
Dieses „egal wie“ hat ihn weit gebracht: Schweizer Nationaltorhüter, Nummer eins bei Champions-League-Teilnehmer Borussia Mönchengladbach. Und sowohl in den Statistiken gehaltener Bälle, den Einschätzungen der Experten und der Fan-Gunst immer vorn dabei.
Neun Millionen Euro? Fast noch ein Schnäppchen
Dabei hat er immer wieder mit Startschwierigkeiten zu kämpfen. Als er 2011 zum Stammtorhüter des FC Basel gemacht wird, trauen ihm die wenigsten zu, die scheinbar übermächtigen Fußstapfen seines Vorgängers und Publikumslieblings Franco Costanzo ausfüllen zu können. Doch Sommer wischt die Zweifel immer wieder weg, so schnell, wie er seine Hände zur Parade empor jagt.
Ob in Basel oder nach seinem Wechsel in die Bundesliga, zu Borussia Mönchengladbach. Da sind es die Fußstapfen von Marc-André ter Stegen. In den Vorbereitungsspielen zur Saison 2014/15 greift er mehrfach böse daneben. Nur um dann mit Beginn der Spielzeit und wie auf Knopfdruck zu beweisen, dass die geschätzten neun Millionen Euro Ablösesumme fast noch ein Schnäppchen waren.
Von ter Stegen redet am Niederrhein schon bald niemand mehr. Und wenn, dann lautet das Urteil zumeist: Verschlechtert haben sich die Gladbacher auf keinen Fall. Eher noch sei Sommer fußballerisch vielleicht sogar stärker als ter Stegen.