Die Mannschaft ausgepfiffen, Dieter Hecking angezählt: Fünf Gründe, warum Borussia Mönchengladbach in die Krise geschlittert ist.
Man müsste meinen, nach einem Derby-Sieg sollte man die Heim-Fans lautstark feiern hören. Nachdem Bayer Leverkusen 2:0 gegen den Lokalrivalen Borussia Mönchengladbach gewonnen hatte, hörte man nur Pfiffe. Die zahlreichen Gäste-Fans aus Gladbach machten ihrem Unmut derart laut Luft, dass sie die heimischen Anhänger übertönten.
Der Haussegen hängt mächtig schief in Mönchengladbach. Sieben Punkte holte Gladbach in der Rückrunde, das selbst erklärte Ziel Europapokal-Qualifikation ist in weite Ferne gerückt. Wie konnte Gladbach derart tief in die Krise rutschen? Fünf Gründe.
1. Viel Aufwand, wenig Ertrag
Während dem Leverkusen-Spiel skandierten die Gladbacher Fans lautstark: „Wir woll’n euch kämpfen sehen!“ Fehlender Einsatz dürfte allerdings nicht das größte Problem der Gladbacher sein. Sie sind das Team mit der fünfthöchsten Laufleistung der Liga. Lars Stindl und Thorgen Hazard haben mehr Kilometer abgespult als alle anderen Bundesliga-Spieler. Hinzu kommt eine Zweikampfquote, die durchschnittlich über 50% liegt.
Das Problem liegt eher darin, dass Gladbach gegen den Ball einen hohen Aufwand betreibt, der sich zu selten rentiert. Die Mannschaft verteidigt in einem 4 – 4‑2-System, sucht kurz hinter der Mittellinie den Zugriff. Die Abwehr steht enorm hoch, um die Räume zwischen den Linien klein zu halten. Diese Art des Verteidigens ist extrem laufintensiv, muss die Mannschaft doch ständig im Mittelfeld von einer Seite zur anderen verschieben, Passwege schließen und gleichzeitig zur rechten Zeit den Zugriff herstellen.
Gegen Leverkusen zeigte sich die Schattenseite dieses Spiels: Gladbach gewinnt zu selten den Ball, um den hohen Aufwand zu rechtfertigen. Kluge Gegner verlagern das Spiel oder suchen die Räume im Hintergrund, lassen Gladbach wieder und wieder verschieben. Wenn der Gegner also Gladbachs laufintensive Defensive mit einer ebenso laufintensiven Offensive kontert, erhält Gladbach keinen Zugriff. Das kostet selten Tore; Gladbach verschiebt extrem sauber, öffnet nur selten Räume. Es kostet aber Kraft, die in anderen Spielphasen fehlt.
2. Spielerische Defizite
„Schauen Sie sich in der Liga um: Es gibt nicht mehr viele Mannschaften, die Fußball spielen wollen.“ Diesen (durchaus zutreffenden) Vorwurf äußerte Dieter Hecking unter der Woche in der SportBild. Nun könnte man an dieser Stelle das Sprichwort mit dem Glashaus und den Steinen zitieren. Heckings eigene Mannschaft tut sich derzeit schwer mit dem Ballbesitzspiel.
Gegen Leverkusen war zunächst der Plan, aus einer geordneten Defensive auf ein schnelles Umschaltspiel zu setzen. Leverkusen vereitelte Gladbacher Konter durch ein starkes Gegenpressing. Nach dem 0:1 wäre ein Gladbacher Spielaufbau gefordert gewesen. Allerdings kam Gladbach selten bis gar nicht in gefährliche Räume.
Ihr Flachpass-Spiel versandet oft im Mittelfeld, wo sich zu viele Spieler zu weit nach hinten fallen lassen. Es hilft nicht, dass zentrale Spieler für den Übergang von der Abwehr zum Angriff fehlen (Raffael) oder sich in einer Formkrise befinden (Lars Stindl, Thorgen Hazard). So bleiben zu viele Aufgaben an der Doppelsechs hängen. Christoph Kramer und Denis Zakaria schwanken jedoch in ihren Leistungen in dieser Saison.
3. Torjäger gesucht
Selbst wenn Gladbach sich flach vor das Tor kombiniert, bekommt der gegnerische Torhüter nur selten etwas zu tun. Denn Gladbach fehlt ein Torjäger. Gladbach spielt sich nicht weniger Chancen heraus als in der Hinrunde, allerdings verwerten sie selbst beste Möglichkeiten nicht. Hier schadet ihnen auch die zu hohe Präsenz im defensiven Mittelfeld: Es fehlen nachstoßende Spieler, die mit Geschwindigkeit in den Strafraum starten.
Gerade einmal sechs Treffer erzielten die Gladbacher in neun Rückrunden-Partien. Die Partie gegen Leverkusen war bereits die sechste Partie in diesem Jahr, die Gladbach ohne eigenen Treffer beendete.
4. Flexibilität? In der Theorie gut, in der Praxis nicht
Der Vorwurf ist nicht neu: Seit Jahren müssen sich die Gladbacher Trainer und Verantwortlichen in Schwächephasen anhören lassen, dass ihr Team zu unflexibel spiele. Gladbach hat sich ganz einem flachen Spielaufbau verschrieben, der praktisch immer aus einem 4−4−2 erfolgt. Systemwechsel gab und gibt es, aber die sind meist nur kurzer Dauer.
Hecking versucht zwar, neue Impulse zu setzen. Mit der Hereinnahme von Raúl Bobadilla spielt Gladbach in den vergangenen Partien eher ein 4−2−3−1, jagt den Ball auch mal direkt aus der Abwehr nach vorne. So richtig eingebunden in das Angriffsspiel wirkt Bobadilla aber nicht.
Gegen Gladbach stellte Hecking nach der Pause auf eine Raute um. Die Idee war gut: mehr Präsenz im Zentrum, bessere Übergänge von Abwehr zu Angriff. Die Spieler führten die Anordnung jedoch nicht gut aus, besetzten die Räume unsauber und arbeiteten gegen den Ball nicht energisch genug. Es sind also nicht die taktischen Alternativen, die fehlen — es scheitert häufig an der Ausführung.
5. Verletzungssorgen
Hecking ist in seinen taktischen Möglichkeiten ohnehin stark eingeschränkt. Raffael, Oscar Wendt, Ibrahima Traoré — sie sind nur die prominentesten Opfer der Gladbacher Verletztenmisere. Gerade auf den Außen-Positionen hat Hecking selten eine Wahl, wen er aufstellt. Nun muss Hecking einen weiteren Ausfall verkraften: Jannik Vestergaard fehlt mit einem Mittelfußbruch wochenlang.
Am kommenden Wochenende wartet Hoffenheim; ein Sieg ist Pflicht, möchte Gladbach die Chance auf eine Europapokal-Teilnahme waren. Bei einer Niederlage dürfte es ziemlich laut werden im Borussia-Park. Nur werden es diesmal die Heim-Fans sein, die pfeifen.