Was macht man, wenn der eigene Lieblingsspieler von der Bildfläche verschwindet wie Lukas Podolski? Man sucht sich einen neuen. Was gar nicht so leicht ist, wenn das achte Lebensjahr zwanzig Jahre zurück liegt.
Es war sehr lange Zeit sehr einfach für mich. Es gab ja Podolski. Ich musste mir keine Gedanken machen, was ich bei MSN in den Status eintragen könnte, Vorstellungsrunden, beispielsweise beim Erste-Hilfe-Kurs für den Führerschein oder bei Craft-Beer-Tastings (Realtalk), liefen wie von alleine. Hallo, ich bin Max und mein Lieblingsspieler ist Lukas Podolski (und ich bin Pilstrinker).
Damit ist jetzt Schluss. Nach Icke Häßler, Patrick Kluivert und Marcelinho verlässt mich mein vierter und treuester Lieblingsspieler (Warum ein Leben ohne Poldi sowieso kein Sinn ergibt, lest ihr hier »>). Natürlich, er kickt noch, aber Japan ist für mich leider keine Option. Will heißen: Ich brauche einen neuen Helden. Jemand, bei dem ich schwitzige Hände bekomme, wenn er mit Ball am Fuß am 16er auftaucht. Einer, den ich auf primitivste Art und Weise und zur Not mit beleidigendem Nachdruck auch für die holzköpfigsten Idiotien verteidigen kann. Jemand, der mir im grauen Bundesliga-Alltag Halt gibt.
Das Stichwort ist Understatement
Zu den Kriterien: Mein neuer Lieblingsspieler muss Tore machen. Ich will mich regelmäßig freuen können. Und ich will sagen können, dass ich es schon immer gesagt habe, ich will sagen können, dass alle anderen mit ihren bananigen Lieblingsspielern mal so gar nichts zu sagen haben. Außerdem muss er generell natürlich eine gewisse Klasse mitbringen. Er muss also gut sein, aber nicht so bayernmäßig superdupergut, sondern eher auf eine lässige Art, das Stichwort ist Understatement.
Er muss keine Schönheit sein, aber wenn ich ehrlich bin, würde ich in einer Fantasie-Welt lieber mit Mats Hummels auf der Party einreiten als mit Jacek Krzynowek. Gut wäre dazu ein abgefahrenes Extra, vielleicht eine Vorstrafe wegen einer illegalen Schnapsbrennerei oder ein Faible für Fahrradschläuche. Auf Basis dieser Vorstellung habe ich mich in den letzten Wochen eingängig mit möglichen Kandidaten auseinandergesetzt.
Kandidat 1: Anthony Modeste
Vorteil: Anthony Modeste ist cool. Er trägt seine Hosen auf halb acht, was ich schon immer mochte – erinnert es mich von der Attitüde her ein wenig an die auf links-gedrehte Schuluniform vom Prinz von Bel Air. Nach dem Motto: Gebt mir doch eure Langweiler-Hosen, ich zieh sie an, als würde ich gleich im U‑Bahnschacht ein bisschen breaken. Geil. Er ist sogar so cool, dass er in Frankreich als Testimonial für einen Afro-Trap-Song genutzt wurde. Wer sich jetzt fragt, was Afro-Trap ist, tut das zurecht. Und ist eben nicht so cool wie Anthony. Noch ein Plus: Im Video knutscht Modeste mit seiner eigenen Frau – ein emotionales Statement für mehr Treue im Geschäft? Wir verstehen uns, Tony.
Außerdem netzt der Mann. Am Fließband. Was bemerkenswert ist, weil er eben nicht für die Bayern oder Dortmund spielt und nicht siebzehnmal pro Spiel im Fünfer angeschossen wird. Er muss sich seine Tore erarbeiten. Dazu kommt eine underdogige Note, weil Didier Deschamps ihn konsequent übergeht und nicht für die Nationalelf nominiert. Und: Ich mag die Rückennummer. Nicht die 11 oder die 9 wie bei all den Streber-Stürmern mit Klemmbrett und Bleistift hinterm Ohr, sondern einfach die 27. Abgefahren.
Nachteil: Modeste ist zu alt. Eine Entscheidung pro Modeste wäre keine sonderlich nachhaltige. Außerdem: Wer garantiert mir, dass Schmadtke nicht im Sommer weich wird und den Mann nach China verhökert?
Wertung:
Ist der Typ cool?: 5 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Schießt der Typ Tore?: 5 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Gibts den Typen noch ne Weile? 1 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Wo spielt der Typ?: 3 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Wie ist der Typ so insgesamt?: 14 von 20 11FREUNDE-Herzchen
Kandidat 2: Naby Keita
Vorteil: Der Mann kann zocken. Mit einer Leichtigkeit, wie man es auf dem Level selten bis gar nicht sieht. Er spielt elegant, traut sich auch mal einen Trick zu und schlägt mehr Haken gegen hilflose Gegner als rumänische Kirmesboxer auf der Steglitzer Festwoche. Er trifft zwar nicht so oft, aber wenn, dann wunderschön. Dazu ist er jung, kommt aus einem Land, in dem er mal eine Ausnahmestellung erreichen könnte wie ein Drogba in der Elfenbeinküste oder ein Eto‚o in Kamerun. Und: Noch ist er nicht zu perfekt, im Gegenteil, er patzt sogar manchmal. Zum Beispiel im vermeintlichen Topspiel gegen die Bayern vor ein paar Monaten, als der Druck zu groß wurde. Außerdem toll: sein zweiter Vorname ist Deco.
Nachteil: Da wäre zum Einen sein aktueller Verein. Und dann der Verein, für den er davor gespielt hat. Und dann wird der Verein kommen, zu dem er irgendwann wechseln wird. Ob das jetzt Bayern ist oder Chelsea oder Real, am Ende egal. Alles Murks und das Gegenteil von Understatement.
Wertung:
I st der Typ cool?: 2 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Schießt der Typ Tore?: 3 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Gibts den Typen noch ne Weile? 5 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Wo spielt der Typ?: 1 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Wie ist der Typ so insgesamt?: 11 von 20 11FREUNDE-Herzchen
Kandidat 3: Karim Bellarabi
Vorteil: Heidewitzka, ist der Kerl schnell! So schnell, wie ich nie war und immer gerne gewesen wäre, so schnell, dass ich mich frage, warum er vom Zug nicht andauernd erkältet ist. Wahrscheinlich, weil er sehr stabil gebaut ist. Dazu ist er trickreich wie ein ganz alter Immobilienhai und verspielt wie die Stücke der Big Band meiner Oberschule. Er verdient sein Geld zwar für Leverkusen, aber das ist besser als in Wolfsburg oder in Ingolstadt. Er ist sich nicht zu schade für ruppige Grätschen und läuft manchmal Gefahr, zu überpacen – was die Härte angeht. Was mich wiederum freut. Lieber rot, runter und gesperrt als alles abnicken. Darüberhinaus musste sich der Mann hochkämpfen. Er ist – zumindest glaube ich das zu wissen – gerade so noch nicht Teil dieser Generation von gezüchteten Supertalenten, die mit 17 schon alles können und die mit 22 übersättigt eine Länderspielpause einlegen. Er musste erst in Braunschweig die Knochen hinhalten, bevor sie ihn in Leverkusen ernst nahmen. Und das gleich zweimal.
Er hat einen guten Schuss – ein Wesenszug, der nur von Vorteil sein kann und der meine Beziehung zu Podolski oft aus der Krise führte. Dazu dieser Nachname: Bellarabi. Schöner Araber. Dabei wurde er in Berlin geboren und wuchs in Bremen auf. Was bei einem Mann wie Bellarabi kein Widerspruch ist, sondern ein Zeichen für die Machbarkeit des Melting-Pots, quasi ein menschgewordenes Leitbild der großen gesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit. Tolle Wurst.
Nachteil: Bellarabi trägt die Haare schön. Ein bisschen zu sehr wie ein Gockel, ein bisschen zu sehr wie 95 Prozent der anderen Profis. Er ist zugehackt, dabei ist doch längst klar, dass das wirkliche rebellische Tattoo das gar nicht erst gestochene ist. Und: Er läuft langsam Gefahr, in Leverkusen kleben zu bleiben. Hieß es sonst regelmäßig, Klubs wie Tottenham oder Arsenal oder meinetwegen auch Dortmund hätten Interesse, ist es derzeit sehr ruhig um ihn geworden. Kann ich einen Spieler bedingungslos lieben, wenn er in Leverkusen spielt?
Wertung
I st der Typ cool?: 3 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Schießt der Typ Tore?: 4 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Gibts den Typen noch ne Weile? 4 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Wo spielt der Typ?: 2 von 5 11FREUNDE-Herzchen
Wie ist der Typ so insgesamt?: 13 von 20 11FREUNDE-Herzchen
Fazit
Mein Name ist Max, ich kaufe mir demnächst eine Satellitenschüssel und bin auf der Suche nach einem japanischen Tandempartner. Zuschriften bitte an: germanvisselkobefan1@jmail.jp