Es sollte sein Turnier werden, doch bisher läuft die Europameisterschaft an Paul Pogba vorbei Von der Last eines 23-Jährigen, die ganze Erwartungshaltung Frankreichs zu schultern.
In der Nationalmannschaft ist die Situation ähnlich. Frankreich verfügt nicht mehr über eine Vielzahl an hochbegabten Mittelfeldspielern. Eher sind es unauffällige Rollenspieler, Arbeiter wie N’golo Kanté, Blaise Matuidi oder Moussa Sissoko. Pogba ist Frankreichs hellster Stern, nur bräuchte er zum Leuchten eine Sonne, die ihn anstrahlt.
Eine Naturgewalt
Als offensivster der drei defensiven Mittelfeldspieler tat er sich schwer, das lag ihm nicht wirklich. Gegen Island durfte er wieder im Zentrum vor der Abwehr spielen und zeigte seine beste Leistung in den vergangenen drei Wochen. Ein Tor gelang ihm in dem Spiel, per Kopf. Wie er da so hochstieg zum Kopfball gegen die gewiss nicht kleinen Isländer, einer Naturgewalt gleich. Wer dieses Tor sah, der konnte Pogbas Fähigkeiten erahnen, diese Kombination aus purer Athletik, aus Kraft, Eleganz und Technik, gepaart mit Entschlossenheit.
Nur, und das ist Pogbas Problem, so entschlossen tritt er nicht immer auf. Mal reißt er das Spiel an sich, dann taucht er wieder völlig ab. Zwei, drei konstant gute Spiele in Folge sieht man von ihm selten. Zu oft verzettelt er sich in Nebensächlichkeiten. Spielt den Ball zu spät ab oder geht ins Dribbling, wenn eine andere Lösung angebrachter wäre. „Er müsste einfacher spielen, mitunter sieht das noch viel zu kompliziert aus“, sagt Eric Champel, Fachmann von der Zeitung „France Football“.
Pogbas Welt ist nicht die von Trainer Deschamps
Einfach spielen ist auch das, was Nationaltrainer Didier Deschamps von Pogba verlangt. Und stößt damit nicht unbedingt auf offene Ohren. Die beiden pflegen keine innige Beziehung zueinander, aber auch keine schlechte. Deschamps ist niemand, der dem Starkult der Gegenwart huldigt, Pogbas Welt, die sich viel um Social-Media-Aktivitäten und extrovertierte Kleidung dreht, ist ihm fremd. Beim französischen Trainer steht der Teamgedanke über allem. Seine Prinzipien vertritt er rigoros. Weil Pogba zu spät und in unpassendem Schuhwerk zum Abendessen erschien, musste er im zweiten Gruppenspiel gegen Albanien zunächst zusehen. „Er ist noch jung und muss nicht nur auf dem Platz noch einiges lernen“, sagt Champel, der den Vorfall auch nicht überbewerten will. „Das war anschließend kein Thema mehr.“
Sollte Frankreich am Sonntag zum dritten Mal Europameister werden, wäre es ohnehin nur eine kleine Randgeschichte auf dem Weg zum Titel.