Heute ist großer Derbytag in der Bundesliga. Aber auch in der Kreisklasse können Rivalitäten riesig sein. Erinnerungen an die Duelle zwischen Dorf und Nachbardorf.
Wir anderen Achtjährigen hingegen fixierten sofort unsere Gegenspieler. Raumdeckung gab es vielleicht in der Serie A, von deren Existenz wir nichts ahnten; in der E‑Jugend-Kreisklasse, Staffel Süd wurde noch bewacht, verfolgt und zugestellt wie in der Urzeit dieses Sports.
„Hau ihn um!“, riefen die Greise bereits unmittelbar nach dem Anpfiff. Oft waren unsere Grätschen so ungelenk wie die Gehversuche eines jungen Hundes auf Glatteis und gingen weit ins Leere. Und kam es aber wirklich mal zu einem Foul, hing die Strafe ganz davon ab, ob der Schiedsrichter Obmann des eigenen Vereins war oder nicht.
Kuddel, unser Obmann, ließ einmal einen gegnerischen Spieler, der sich nach einem Tritt von hinten schreiend und mit verdrehtem Fuß im Matsch wälzte, einfach liegen. „Weiterspielen!“, raunte er. „Weiterspielen!“ In der Halbzeit kam der Krankenwagen.
„Im Fußball bist du genauso schlecht wie in Chemie!“
Mit den Jahren machten wir uns die Rivalität der Dörfer, die uns anfangs naturgegeben schien, wirklich zu eigen. Es waren Privatfehden entstanden, mit Marco aus Cornau, Patrick aus Wetschen, Sven aus Lembruch, Matthias aus Lemförde, es gab offene Rechnungen, Rachegelüste. Bereits in der C‑Jugend hatten wir das stolze Gefühl, bei echten Derbys, ja Klassikern aufzulaufen.
Dass wir die Gegner nun auf den weiterführenden Schulen in der Kreisstadt regelmäßig sahen, war das Salz in der Suppe: Auf dem Pausenhof rempelten wir vorbeikommende Cornauer, beschmunzelten verächtlich das neue, affig glänzende Mountainbike des Lembrucher Liberos und die adipöse Tanzschulpartnerin des Lemförder Stürmers.
Auf dem Platz nutzten wir unser Wissen um ihre Lernschwächen: „Im Fußball bist du genauso schlecht wie in Chemie!“ All der Unflat traf uns natürlich genauso. Es war ein wunderbar schrecklicher Psychokrieg.
„Aber das sind doch unsere Feinde!“
Irgendwann, 1995 vielleicht, löste sich all das ganz plötzlich auf. Die Vorstandsmitglieder, die uns gelehrt hatten, die anderen Dorfvereine zu hassen, trafen sich mit diesen zu Sondierungsgesprächen. Ob man sich nicht zusammentun könne, zu einer einzigen, großen, erfolgreichen Spielgemeinschaft. „Fusion“ hieß das Schreckenswort. Als wir davon erfuhren, in der Kabine vor dem Training, saßen wir lange schweigend da. Man hörte die Dusche tropfen. Dann sagte unser Kapitän: „Aber das sind doch unsere Feinde!“
Er klang traurig. Wie ein Kind, dem man etwas weggenommen hatte.
Die Reportage stammt aus unserem 11FREUNDE SPEZIAL „Erzrivalen“. Ihr könnt das Heft bei uns im Shop oder im App-Store kaufen.