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Wir begrüßen unseren Gegner und unseren Schieds­richter mit einem drei­fa­chen Gut Sport!“, kra­keelte unser Kapitän, diese kuriose Auto­ri­täts­person weit vorm Stimm­bruch, und wir anderen vom TuS St. Hülfe-Heede taten es ihm nach: Gut Sport! Gut Sport! Gut Sport!“

Der schrille Ruf hallte wider, aus den unheim­li­chen Wäl­dern ringsum. Ein Fasan flat­terte auf, irgendwo zog jemand eine Jalousie hoch. Sonn­tags­mor­gens in der Nord­deut­schen Tief­ebene. Ein Fuß­ball­platz, moos­be­wachsen, teils morastig und zum letzten Mal abge­kreidet kurz nach dem Krieg. Für uns aber war er das Mara­canã. Feld unserer frühen Schlachten.

In der E‑Ju­gend-Kreis­klasse, Staffel Süd, spielten nicht nur Ver­eine gegen­ein­ander, son­dern gleich ganze Dörfer. Ihr Lokal­pa­trio­tismus war auf wenige Qua­drat­ki­lo­meter beschränkt, eine Gemar­kung aus ein paar Häu­sern und Fel­dern, dafür aber umso hit­ziger: Mecker­rentner drohten vom Spiel­feld­rand aus mit ihren Regen­schirmen, leere Haake-Beck-Fla­schen flogen auf den Platz, Fami­li­en­väter legten sich mit Unpar­tei­ischen an (die meis­tens durchaus par­tei­ische Obmänner der Heim­mann­schaft waren), wurden von ihnen des Sport­ge­ländes ver­wiesen und ver­brachten den Rest des Spiels wut­schnau­bend in ihren Kombis.

Heede gegen Cornau, Heede gegen Wet­schen, Heede gegen Lem­bruch, Heede gegen Lem­förde, Heede gegen alle im Umkreis von 30 Kilo­me­tern: Das war der Ant­ago­nismus meiner Kind­heit.

Wir sind wir, und das sind die anderen

Eigent­lich waren all dies Ver­eine aus Bau­ern­dör­fern, die ein Zuge­reister nicht hätte unter­scheiden können, hatten sie doch alle eine Kirche, einen Friedhof, eine Kneipe und Ein­wohner mit eng zusam­men­ste­henden Augen. Bestimmt hatte es Kon­flikte gegeben, im 19. Jahr­hun­dert, womög­lich noch eher, um einen bei Nacht und Nebel illegal ver­setzten Grenz­stein, ein gestoh­lenes Rind, eine nicht gezahlte Pacht. Aber was wussten wir Kinder von Erb­sünde? Nichts. Uns reichte diese simple Defi­ni­tion eines Unter­schieds: Wir sind wir, und das sind die anderen. Wie bei Cowboy und Indianer. Nur war es diesmal bit­terer Ernst.

Gut Sport: Mit diesem immer glei­chen Ritus begann das Spiel. Im Mit­tel­kreis ver­sam­melten sich vier­zehn Pimpfe, Sieben gegen Sieben, mehr gab so ein Dorf ja nicht her. Wir trugen Tri­kots in den Farben unseres Ver­eins, zu ein­heit­li­chen Hosen oder gar Stutzen hatte es nicht gereicht, sie waren bunt­ge­mischtes Pri­vat­ei­gentum.

Aus unseren Augen, zwi­schen denen noch früh­kind­liche Stups­nasen saßen, sprach wilde Ent­schlos­sen­heit: Bloß nicht noch mal 1:14 ver­lieren, wie in der Hin­runde. Diesmal wird es höchs­tens ein­stellig. Haut dat Dingen ins Aus!“, lau­tete die Marsch­route des Trai­ners, der nun an der Sei­ten­linie stand, sein Hart­plas­tik­köf­fer­chen mit der fast leeren Eis­spray­dose und den benutzten Mull­binden neben sich, umringt von Eltern, mit denen er eini­ger­maßen opti­mis­tisch zu lächeln ver­suchte.

Musstu nix kucke, wo wachse die Blumken!“

Der Münz­wurf, dann die Sei­ten­wahl, hoch­sti­li­siert zur Vor­ent­schei­dung: zuerst gegen den Wind? Oder zuerst den Hang hinauf, die fünf­pro­zen­tige Stei­gung des Platzes? Sogleich ver­teilten wir uns der tak­ti­schen For­ma­tion nach in unserer Hälfte, an mutigen Tagen im 3−2−1, an weniger mutigen im 6−0−0.

Dahinter der Tor­wart, der immer gleich mutig zu sein hatte und es so oft nicht war. Er träumte sich gern hin­fort von den allzu wütenden Angriffen des Geg­ners. Jun-gä“, rief einmal unser ita­lie­ni­scher Co-Trainer. Musstu nix kucke, wo wachse die Blumken! Musstu kucke, wo Ball!“ Aber mein Gott, er war ja erst acht Jahre alt.