Gewalt gegenüber Schiedsrichtern im Amateurfußball ist ein großes Thema. Nathalie Buse war als Unparteiische schon oft mit verbalen Attacken konfrontiert. Doch die 19-jährige Berlinerin nimmt nicht jeden Angriff gleich persönlich.
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Nathalie Buse, der Berliner Amateurfußball gilt als hartes Pflaster für Referees. Sie pfeifen bis zur Männer-Bezirksliga. Werden Sie regelmäßig mit Anfeindungen konfrontiert?
Physische Gewalt habe ich glücklicherweise noch nicht erlebt. Was die verbale Gewalt – kurz: blöde Sprüche – anbetrifft, habe ich von Natur aus eine gewisse Robustheit und lasse vieles an mir abprallen, was in die Richtung geht: „Frauen haben auf dem Platz nichts verloren.“
Das hören Sie regelmäßig?
Schon. Erst vorletztes Wochenende kam der Spruch nach Abpfiff von der unterlegenen Mannschaft: „Scheiße, genau deswegen haben Frauen nichts im Männerfußball verloren“.
Und da schalten Sie auf Durchzug?
Bis zu einem bestimmten Punkt, ja. Ich bin selbstbewusst genug zu wissen, dass es Gründe hat, warum wir beide in derselben Liga aktiv sind. Aber natürlich hat alles Grenzen.
Das heißt?
Ich bin 19 Jahre alt und knapp 1,60 Meter groß. Wenn sich vor mir ein erwachsener Mann von 1,90 Meter Größe aufbaut und mich anbrüllt, es also ein Stückweit bedrohlich oder gar sexistisch wird, greife ich durch und sage: „Sie haben hier nichts verloren, schauen Sie bitte von draußen zu.“ Aber dabei versuche immer zu differenzieren, dass die kein Problem mit mir persönlich haben, sondern mit der Funktion des Schiedsrichters.
Auch Sexismus ist an der Tagesordnung?
In einem Kreisliga-Pokalspiel brüllte mich der Kapitän einer Mannschaft an: „Was willst du hier? Hast Du zu Hause nichts zu sagen? Pass auf, wenn wir uns nach dem Spiel sehen.“ Wenn einer so konkret formuliert, ich soll nach Hause an den Herd, ist das kein Frust, kein Affekt, dann geht es konkret gegen mich als Frau. Und der muss dann vom Platz.
„Warum werden wir von einem Mädchen gepfiffen?“
Geht das noch weiter? Was meint der damit, dass er Sie später noch sieht?
Ich kann mir schon vorstellen, dass manche auch noch extremer werden, mir ist das aber noch nicht passiert. Im Jugendbereich hat mal ein Trainer zu mir gesagt: „Warum werden wir von einem Mädchen gepfiffen? Das kann doch nichts werden“. Solche Vorfälle notiere ich natürlich im digitalen Spielbericht, weil es fehl am Platze ist. Aber das beschäftigt mich nicht weiter.
Aber ein Stückweit fahren Sie an jedem Wochenende in die Ungewissheit, ob nicht doch irgendeiner übergriffig wird, oder?
Solche Gedanken mache ich mir nicht. Aber ich kenne Schiedsrichter, die sich sehr genau mit Fairnesstabellen auseinandersetzen, um zu kalkulieren, ob es bei einem Spiel ruppig werden könnte. Ich höre auch von anderen Schiris, wo es Spieler gibt, die schnell mal entgleisen. Aber davon versuche ich, mich frei zu machen. Es würde doch ans Selbstzerstörerische grenzen, ständig mit einer negativen Erwartungshaltung zum Spiel zu fahren. Ich will ja Spaß auf dem Platz haben.
Woche für Woche werden Amateurschiedsrichter körperlich und verbal attackiert. Gleichzeitig verlieren immer mehr aktive Referees die Lust am Pfeifen. Wie finden Verbände und Klubs zu einem neuen Miteinander zwischen Spielern und Schiris?
Wie geht es Ihren Kolleginnen?
Gänzlich aufgehört hat noch keine, aber eine Freundin von mir brauchte mal ein paar Wochen Pause, weil sie von den ständigen Gegenreden und Pöbeleien entnervt war.
Sie sind seit vier Jahren aktive Schiedsrichterin. Hat sich der Umgang auf dem Rasen in den letzten Jahren verschärft?
Mir kommt es schon so vor, als hätte sich bei einigen Leuten – vielleicht durch Corona – etwas aufgestaut. Aber es hat nichts mit Schiedsrichtern zu tun, dass einige mehr Dampf ablassen und wir erheblich mehr Fouls verzeichnen.
Wie kamen Sie eigentlich zur Schiedsrichterei?
Ich spiele seit Jahren aktiv, aktuell für Borussia Pankow in der Verbandsliga. Mit 15 fiel mir auf, dass ich dazu neige, mich oft über Schiris aufzuregen. Also dachte ich: Wer meckert, muss es erstmal besser machen.
„Auf Berliner Plätzen herrscht schon kerniger Umgangston“
Und Sie ließen sich ausbilden?
Beim Anwärterlehrgang merkte ich, dass ich Spaß an dem Perspektivwechsel habe. Daran, auf dem Feld zu kommunizieren und Entscheidungen zu treffen.
In welchen Klassen pfeifen Sie?
Mit 16 kam ich in den Leistungskader und pfiff Junioren-Verbandsliga. Seit einem Jahr bin ich nun im Herrenbereich aktiv – bis hoch zur Bezirksliga.
Sie studieren im 3. Semester auf Lehramt. Würden Sie sagen, dass Ihr Faible für Pädagogik auch ein Grund für Ihren Spaß am Schiedsrichtern ist?
(Lacht.) Schon möglich. Mein Ziel ist es, nach dem Studium in Berlin an Brennpunktschulen zu arbeiten und sozial benachteiligten Menschen zu helfen. Ich glaube, wer sowas vorhat, muss robust sein. Zumindest kommt es mir als Schiedsrichterin zugute, mir auch im Studium Gedanken über schwierige Charaktere zu machen.
Das heißt?
Ich denke, auf Berliner Plätzen herrscht schon kerniger Umgangston. Da hilft mir meine Schlagfertigkeit. Kurz: Ich kann auch kontern, wenn mich einer blöd von der Seite anquatscht.