Wolverhampton und Tottenham machten im vergangenen Jahr den Anfang. Nun führt auch Manchester United die Stehplätze wieder ein – wenn auch durch die Hintertür.
Der Leiter der staatlichen Behörde für Sicherheit in Sportstätten in Großbritannien (SGSA) outet sich derweil als oberster Fan der Rail-Seat-Initiative: „Wir haben neue Erkenntnisse über einen positiven Effekt, den die Installation von Rail-Seats mit sich bringen kann“, sagt Martyn Henderson, „wir werden deshalb weiter eng mit der Regierung zusammenarbeiten, um unser Commitment zum Safe Standing zu intensivieren.“
Dass die Umrüstung auf Rail-Seats in England nicht schon viel eher gestartet wurde, scheint vor diesem Hintergrund fast ein wenig unverständlich, hat jedoch Gründe. Tragische Gründe. Der schwerwiegendste ist die Katastrophe von Hillsborough im Jahr 1989. Damals kamen während des FA-Cup-Spiels zwischen dem FC Liverpool und Nottingham Forest im Stadion von Sheffield Wednesday 96 Liverpool-Fans bei einer Massenpanik auf einer hoffnungslos überfüllten Stehplatz-Tribüne ums Leben. Zudem gab es weit über 700 Verletzte. Eine der Konsequenzen aus Hillsborough war die vollständige Abschaffung aller Stehplätze in Englands Profi-Fußball.
Bis heute sind alle englischen Stadien offiziell „All Seater“, doch dieses einst in Beton gegossene Gesetz der Thatcher-Regierung beginnt zu bröckeln. Zumal auch immer mehr Hinterbliebene der Hillsborough-Opfer sich für „Safe Standing“ stark machen. Louise Brooks, deren Bruder Andrew bei der Katastrophe in Sheffield zu Tode gekommen war, erklärte schon 2017 in einem emotionalen Statement bei einer Hinterbliebenen-Versammlung: „Ich bin sehr für die Installation von Rail-Seats. Ich glaube nicht eine Sekunde daran, dass das Stehen damals für den Tod meines Bruder verantwortlich war. Die Menschen stehen doch auch bei Rugby-Matches.“
Für einen Anfang in der Premier League sorgten im Januar 2019 die Wolverhampton Wanderers, die zunächst kleinere Bereiche des heimischen Molineux Stadiums mit Rail-Seats ausgestattet hatten. Wohlwissend, dass die Pseudo-Sitzplätze das bisherige „englische Prinzip“ – sitzen, gucken, fiebern, aufspringen, jubeln oder hadern, danach gleich wieder hinsetzen – außer Kraft setzen würden. Zwar ist permanentes Stehen in den Rail-Seat-Bereichen (noch) nicht ausdrücklich erlaubt. Aber es wird weitgehend toleriert. In Wolverhampton und inzwischen auch andernorts.
Die „Spurs“ ließen in ihrem nigelnagelneuen Tottenham Hotspur Stadium (62.000 Plätze) von Beginn an 7.500 Rail-Seats montieren: 6.000 im unteren Bereich des insgesamt 17.000 Menschen fassenden Heimfan-Sektors „South Stand“ und 1.500 weitere im Gästebereich. Von einem Modellversuch zu sprechen, wäre angesichts dieser Vielzahl eine glatte Untertreibung. Das Feedback zu den verkappten Stehplätzen ist übrigens durchweg positiv – vonseiten der Fans, die nun weniger Gängelung erleben, aber auch von den Stewards, die kaum noch Stress bei der Arbeit haben.
Zu ähnlichen Erkenntnissen gelangte übrigens die staatliche Behörde für Sicherheit in Sportstätten in Großbritannien (SGSA), als sie den Effekt von Rail-Seats in Dortmund und bei Celtic Glasgow untersuchte. Fazit: „Es gibt dort sehr wenig Konflikte, die durch das permanente Stehen hervorgerufen werden.“