Seit fünf Jahren gibt es im deutschen Fußball den Videobeweis. Ein Grund zum Feiern? So wie sich die Dinge entwickeln, eher nicht.
Nein, das ist natürlich keine schöne Sache – vor allem nicht, weil uns der Videobeweis auf immer und ewig erhalten bleiben wird. Es gibt kein Zurück mehr, auch wenn die organisierten Fans wieder und wieder gegen ihn aufbegehren und, vollkommen zurecht, den Verlust an Emotionen beklagen. Tor? Oder doch nicht? Jubeln? Oder doch nicht?
Der Videobeweis wird bleiben. Umso wichtiger ist es, seinen Einsatz (weiter) zu optimieren. Die jüngsten Entwicklungen deuten eher auf das Gegenteil hin. Vor allem im deutschen Schiedsrichterwesen mit seinem traditionellen Hang zur Überkorrektheit.
Es lohnt sich ein Blick zurück auf die Anfänge und dabei auf eine Szene, die vermutlich für die Akzeptanz des Videobeweises eine entscheidende Rolle gespielt hat. Es geht um das irrtümlich gegebene Tor von Leon Andreasen für Hannover 96 gegen den 1. FC Köln. Irrtümlich, weil der Däne den Ball mit der Hand über die Linie gefaustet hatte – was so ziemlich jeder gesehen hatte, nur der Schiedsrichter auf dem Feld leider nicht.
Nur um solche wirklich dramatischen Fehlentscheidungen gehe es, hat man uns erzählt. Der Schiedsrichter bleibe der Boss, seine Autorität unangetastet, weil der Assistent im Keller nur ein stiller Zuarbeiter sei. Die Realität sieht leider anders aus. Lutz Michael Fröhlich, Chef des deutschen Schiedsrichterwesens, hat schon im Frühjahr gesagt: „Es gibt eher die Tendenz, über fehlende Intervention nachzudenken als über übertriebene Intervention.“
Und so wird der vermeintliche Assistent mehr und mehr zum Oberschiedsrichter, weil inzwischen jeder Pups kontrolliert und noch mal gegengecheckt wird, und das mit der irrigen Ansicht im Hinterkopf, dass Fernsehbilder im Unterschied zur menschlichen Wahrnehmung unbestechlich sind.
Peter Knäbel, der Sportvorstand des FC Schalke 04, hat nach dem unerklärlichen Eingriff des VAR im Spiel seiner Mannschaft in Köln ein schönes Bild für diese unheilvolle Tendenz gefunden. Lauter Kaufhaus-Detektive säßen da im Keller, immer auf der Suche nach einem bisher unentdeckten Vergehen.
Ja, das ist menschlich, weil kein Mensch gerne für einen Fehler belangt werden will, den er womöglich übersehen hat. Aber ging es beim Videobeweis nicht gerade darum: den Einfluss des Faktors Mensch mit all seinen Schwächen deutlich zu reduzieren?
Dieser Text erscheint im Rahmen unserer Kooperation mit dem Berliner Tagesspiegel.