Der HSV muss sein Stadion modernisieren, doch das dafür eingeplante Geld ist weg. Wie das Loch gestopft werden soll? Ungewiss. Nun drohen dem Klub ernste Konsequenzen.
Als der ehemalige Fifa-Chef Sepp Blatter am 6. Juli 2000 das weiße Stück Papier vor den Augen der Weltöffentlichkeit in die Kameras hält, auf dem in großen blauen Lettern „Deutschland“ steht, ist der Jubel in großen Teilen der Bundesrepublik grenzenlos. Auch in Hamburg. Deutschland darf die Fußballweltmeisterschaft 2006 ausrichten und gerade ist auch noch das Volksparkstadion für rund 200 Millionen D‑Mark aufwendig umgebaut worden. Das nennt sich Timing! Das alte Rund aus Stahl und Beton war zuvor in die Jahre gekommen. Da liegt es auf der Hand, dass die Hansestadt bei der kommenden WM Ansprüche anmeldet, eine wichtige Rolle unter den Austragungsorten zu spielen. „Da hier das modernste Stadion steht, erwartet die Hamburger Wirtschaft, dass die Hansestadt an der Vorrunde beteiligt wird und auch ein Halbfinalspiel erhält“, lautet damals die selbstbewusste Forderung von Nikolaus Schües, zu jener Zeit Präsident der Hamburger Handelskammer.
„Für den HSV als Eigner des neuen Volksparkstadions ist dies auch eine sehr positive Entscheidung“, sagt der damalige Aufsichtsratschef des Hamburger SV, Werner Hackmann. 22 Jahre später ist aus dem ehemals modernen wieder ein renovierungsbedürftiges Stadion geworden. Und das nächste große Turnier in Deutschland beginnt in weniger als zwei Jahren. Dabei ist die EM 2024 für das Stadion des HSV gerade das geringste Problem.
Die Liste der Mängel an der Heimstätte des Zweitligisten ist nämlich lang geworden: Eine neue Flutlichtanlage wird fällig, dazu eine neue Beschallungsanlage. Vor allem aber muss das Dach des Stadions erneuert werden, diese Arbeiten allein könnten bis zu 14 Millionen Euro kosten. Summen, die der Hamburger Führungsebene Schweißperlen auf die Stirn treiben. Medienberichten zufolge änderte die Stadt Hamburg kürzlich die Schneelast-Klasse der Dachkonstruktion in der Landesverordnung. Heißt: Altersbedingt ist die errechnete Statik von vor 20 Jahren nicht mehr aktuell. Sie muss vor Beginn der Bauarbeiten an der Dachmembran nun neu berechnet werden, um auch weiterhin die Sicherheit vor Ort zu garantieren. Bis 2023 gibt die Stadt dem HSV Zeit, die Sanierungen umzusetzen.
Gelder für die Modernisierung des Stadions hat die Stadt dem HSV selbst gewährt, als sie 2020 das Grundstück der Arena für 23,5 Millionen Euro vom Klub zurückkaufte. Eine Bedingung des Kaufvertrags an den Klub lautete, die Summe in die Reparaturen der Arena zu stecken. Doch der Klub investierte das Geld an anderer Stelle, auch wegen der Corona-Pandemie. Wie es mit dem Stadion jetzt weitergeht, ist unklar. Sollte der HSV die Frist der Stadt nicht einhalten können, droht schlimmstenfalls die Schließung durch das zuständige Bezirksamt Hamburg-Altona. Doch für die Verantwortlichen im Klub kommt die Stadion-Problematik keinesfalls plötzlich.
Im November des vergangenen Jahres traten erst Felix Goedhart und anschließend Michael Krall aus dem Aufsichtsrat des Zweitligisten zurück. Auslöser war der feststehende Rückzug von Finanzvorstand Frank Wettstein, der ursprünglich zum Ende der Saison 2021/22 sein Amt aufgeben wollte. Im Januar entschied der nun verändert zusammengesetzte Aufsichtsrat, dass Wettstein doch lieber unverzüglich seinen Hut nehmen soll, damit die Planungen für die neue Saison frühzeitig anlaufen können. Ahnte Wettstein bei seinem angekündigten Rücktritt, dass die sanierungsbedürftige Arena bald zum Problemfall werden würde? „Das Geld, das im Juli 2021 überwiesen wurde, steht in der Form nicht mehr zur Verfügung, weil die Kollegen vor mir es für den operativen Geschäftsbetrieb ausgegeben haben“, sagte Thomas Wüstefeld Anfang Juli. Er ist der Nachfolger von Frank Wettstein als Finanzvorstand des Vereins, der vor allem gemeint gewesen sein dürfte. Eine erneute Hilfe vonseiten der Stadt darf der HSV bei den Reparaturen nicht erwarten. Sportstaatsrat Christoph Holstein stellte klar: „Es gibt keinen Cent obendrauf.“