Wie Fußballmannschaften auf Spiele vorbereitet werden, hat noch keine Fernsehsendung so realistisch gezeigt wie „Matchplan“. Dafür brauchte es Mut.
Es ist schon erstaunlich, wie viel im Zusammenhang mit einer Sendung, in der es um Fußballtaktik geht, von Mut die Rede ist. „Das ist mutig von allen“, sagt etwa Hannes Wolf. „Ich finde sie mutig“, findet Moderator Jan Henkel. Und Matthias Sammer hatte ihm schon bei der Entwicklung des Konzepts mitgeteilt: „Wer da mitmacht, braucht Mut.“ Dabei müssen die Mutigen eigentlich nichts anderes tun, als vor laufender Kamera im Fernsehen zu erklären, wie sie eine Mannschaft in ein Bundesligaspiel schicken würden.
Drei Folgen der Mutprobe gab es bereits zu sehen, unverschlüsselt bei Sky News, an diesem Donnerstag um 19 Uhr folgt die vierte. „Matchplan“ heißt die Sendung und das Publikum folgt dabei zwei Trainern, die ihren jeweiligen Matchplan vorstellen. Diesmal wird Hannes Wolf, inzwischen Trainer der deutschen U18-Nationalmannschaft, sich um RB Leipzig kümmern und Alexander Zorniger um Eintracht Frankfurt. Neben Wolf und Zorniger traten bislang Andi Herzog, André Schubert und Jens Lehmann an. Die Grundfrage für alle: Welcher Weg könnte der richtige zum Sieg sein?
„Matchplan“ ist eine Weiterentwicklung des sehenswerten Taktikstadls, den Henkel mit Sammer betrieb, als Eurosport die Freitagsspiele der Bundesliga übertrug. Damals erklärte Sammer vor den Spielen, in der Halbzeit und nach Abpfiff, was sich taktisch auf dem Platz vermutlich tun würde und was tatsächlich passierte. Das lebte viel von seinen Wortkaskaden und davon, dass er Henkel mitunter durchs Studio schob wie einen begriffsstutzigen Außenverteidiger, der gerade einen Stellungsfehler gemacht hatte.
Als das überraschende Aus für Eurosports Ambitionen in der Bundesliga und damit die Sendung kam, suchte Henkel nach neuen Wegen. „Matthias Sammer hat mir gesagt, dass der Matchplan die Königsdisziplin der Spielanalyse ist“, sagt Henkel. Also entwickelte er dazu das neue Format und wurde auch gleich dessen Co-Produzent.
„Matchplan“ lebt zum einen vom Sendung-mit-der-Maus-Effekt. Man lernt nämlich was, wie etwa vor zwei Wochen, als Jens Lehman vorm Spitzenspiel gegen die Bayern erklärte, wie sich die Dortmunder Defensivspieler bei BVB-Angriffen falsch positionierten. Dadurch, so zeigte Lehmann, brachten sie sich selbst aus dem Spiel. Oder Andi Herzog zeigt, wie Stürmer am besten vorm Tor einlaufen, wenn ein Offensivspieler über Außen hinter die gegnerische Abwehr gekommen ist. Dutzende solcher Details und ganz grundsätzlicher Betrachtungen sorgen dafür, dass „Matchplan“ ein so gelungenes Format ist. Wenn die Trainer am Touchscreen Szenen analysieren und an der Taktiktafel herumwirbeln, liefert das reihenweise Einblicke, wie Teams spielen, welche Stärken, Schwächen und Möglichkeiten es gibt.
„Wir machen ganz ähnliche Dinge wie in der Arbeit mit einer Mannschaft“, sagt Hannes Wolf. Denn jede Woche entwickeln die Trainerstäbe in der Bundesliga Ideen, wie sie dem nächsten Gegner beikommen. Ihr Publikum sind dabei natürlich keine Fernsehzuschauer, sondern die Spieler, aber das Prinzip ist das gleiche. Realistisch wird „Matchplan“ auch dadurch, dass Wolf und seine Kollegen sich stundenlang durch Spielvideos arbeiten, um einen Plan zu entwickeln und die dafür relevanten Szenen zu zeigen. Natürlich würde ein wichtiger Teil fehlen, die Eindrücke vom Training oder die Gespräche mit den Spielern, meint Wolf. „Aber wir zeigen Gedankenwege, wie man spielen lassen könnte.“
Dass all das so nah an der Praxis ist, ist der große Trumpf der Sendung. Und vielleicht ist das mit dem Mut deshalb auch nicht ganz falsch. „Man gibt sehr viel von sich Preis“, sagt Wolf. Bei „Matchplan“ zeigt sich nämlich, wie unterschiedlich die Trainer auf das Spiel schauen und wie sie darüber sprechen. Eher intuitiv wirkt das bei Lehmann oder Herzog, stärker systematisch bei Wolf oder Zorninger. Den Zuschauern mag das eine oder das andere besser gefallen, wer sich aber für das interessiert, was auf dem Platz passiert, ist in der Sendung bestens aufgehoben. Und angesichts des uferlosen Geredes über Fußballs nicht zuletzt bei Sky ist das ein – nun ja – fast schon mutiger Kontrapunkt.
Eine große Befürchtung von Henkel vor Beginn der Sendung war, dass die Trainer vor der Kamera als Schlaumeier dastehen würden, die ihren Kollegen vom warmen Fernsehstudio aus erklären würden, wie man es besser macht. Doch diese Sorge scheint bereits ausgeräumt. „Das Feedback ist überragend“, sagt Henkel. Wie lange es bei „Matchplan“ noch weitergehen wird, ist offen. Nach insgesamt acht Folgen bis Weihnachten soll über die Zukunft der Sendung entschieden werden. Vielleicht muss dann auch das im Innovationswettlauf gegenüber moderneren Wettbewerbern wie DAZN deutlich zurückgefallene Sky den Mut für mehr finden.