Hallenfußball ist tot? Stimmt nicht! Zur Dortmunder Stadtmeisterschaft kommen jährlich über 25 000 Zuschauer. Es riecht nach Axe-Deospray und Rewas Arweladse. Kurzum: Es ist ganz wunderbar.
Dieser Text erschien erstmals in Ausgabe 219. Hier im Shop erhältlich.
Dieser Text handelt nicht von Kevin Großkreutz, aber er beginnt mit ihm, und am Ende, so viel sei verraten, taucht er noch mal auf. Also: „Schreibt doch, was ihr wollt, alles Lügen!“, bellt der Spieler des KFC Uerdingen und Echte-Liebe-Ultra eines Nachmittags Anfang Januar ins Telefon. Er spreche nur noch mit der „Bild“-Zeitung, denn die schreibe die Wahrheit. Oha, denkt man sich da, das sind ja interessante Neuigkeiten. Eigentlich wollte man nur wissen, wie toll Hallenfußball ist und was genau los war am vergangenen Sonntag in der Fußballhalle in Dortmund-Huckarde. Der Trainer des Lüner SV hatte nämlich behauptet, dass Großkreutz, der nicht als Uerdingen-Spieler, sondern als Trainer des Bezirksligisten Türkspor Dortmund zugegen war, seine Mannschaft ermutigt habe, einen Lüner Spieler „kaputtzutreten“. Es folgte das Übliche: Aufregung in den Zeitungen, Empörung in den Sozialen Medien, bis Großkreutz die Anschuldigungen in einem Facebookpost zurückwies. Auch sein Co-Trainer Reza Hassani sagt, dass das alles Quatsch sei und es keine Zeugen für die Vorwürfe gebe. Der Kevin sei ein guter Typ.
Man kann das alles als Winterlochstory abtun. Über Großkreutz regen sich die Leute gerne auf, ganz egal, ob die Geschichte stimmt oder auch nicht. Was allerdings über das Gewese ein wenig in den Hintergrund geriet, war ein hochdramatisches Spiel, das Türkspor nach einem 0:2‑Rückstand noch 4:3 in der Verlängerung gewann. Die Zuschauer sahen Traumtore, Platzverweise, Zeitstrafen, einen Elfmeter-Fehlschuss 28 Sekunden vor dem Abpfiff, und irgendwann rannte noch ein Mann von der Tribüne aufs Feld. Am Ende jubelten die Fans, als wäre Türkspor in die Bundesliga aufgestiegen. Dabei hatte sich das Team nur für die Endrunde der Dortmunder Hallenstadtmeisterschaft qualifiziert. „Für uns ist das wie damals das Champions-League-Finale gegen die Bayern für Kevin“, sagt Hassani. „Das absolute Highlight.“ Halle-Luja!
Wir erinnern uns: Hallenfußball war mal eine ganz nette Unterhaltung und ein gutes Mittel gegen Winterpausendepressionen. Damals, in den Achtzigern und Neunzigern, als noch keine Bezahlsender täglich Spiele aus der Premier League, der Primera Division oder der dritten serbischen Liga in unsere Wohnzimmer übertrugen. Halle Jahre wieder, jedes Wochenende, unzählige Turniere: Freundschaftscups in Provinzhallen, in denen sonst die lokalen Geräteturnmeisterschaften der U13-Jährigen stattfanden. Qualifikationen, Vorrunden, Zwischenrunden, am Ende das Masters, der DFB-Hallenpokal. SV Meppen gegen Eintracht Frankfurt, Odense BK gegen Fortuna Düsseldorf, Lewski Sofia gegen Bayern München.
An der Bande stand Ernst Happel, der noch schlechter gelaunt war als sonst, weil er nicht rauchen durfte. Auf der Toilette fanden konspirative Transfergespräche statt wie etwa 1993 zwischen Werders Otto Rehhagel („Niemand darf wissen, dass ich hier bin!“) und Herthas Mario Basler („Er gab mir einen Zettel mit einer Telefonnummer“). Und auf dem Kunstrasen oder Gummiboden zauberten Spieler, die unter freiem Himmel kaum einen Pass über drei Meter zustande brachten. Wer erinnert sich nicht an den Georgier Rewas Arweladse von Dinamo Tiflis, der nach einem überragenden Hallenkick in Köln noch in der Umkleidekabine von FC-Trainer Morten Olsen verpflichtet wurde. Aber dann kam die Rückrunde. Die Bilanz des angeblichen Kaukasus-Maradona: ein Tor in sieben Spielen. Arweladse wechselte zu TeBe Berlin und später zum FC Homburg.