Mit Jean-Philippe Mateta hat Mainz das nächste französische Talent an Land gezogen. Dessen Start verlief vielversprechend. Was vor allem daran liegt, dass er sich vor niemandem versteckt. Nicht mal vor Zlatan Ibrahimovic.
Goldgrube heißt auf französisch „pactole“ und man kann davon ausgehen, dass das Wort fest zum Sprachgebrauch des Mainzer Sportdirektors Rouven Schröder gehört. Dass der französische Nachwuchsfußball seit einigen Jahren ein vielversprechendes Talent nach dem anderen in die Fußballwelt wirft, ist nicht erst seit der Weltmeisterschaft, seit Kylian Mbappé und dem Titelgewinn mit seinen Kollegen bekannt. Auch Schröder weiß das ganz genau.
Bei Mainz 05 hat er in der Vergangenheit immer wieder solche Talente geholt, die es nicht direkt bei den Schwergewichten der Ligue 1 in Paris, Marseille oder Monaco geschafft haben. Bestes Beispiel: Abdou Diallo, der letztes Jahr für fünf Millionen Euro nach Mainz kam, ein Jahr später für 28 Millionen Euro nach Dortmund weiterzog und jetzt Champions League spielt. Win-Win heißt auf französisch „gagnant-gagnant“, Sprungbrett „tremplin“.
Mit 23 Millionen Euro mehr im Budget blieb Schröder seiner Linie treu: Gleich zwei französische Nachwuchstalente kamen an den Rhein. Moussa Niakhaté und Jean-Philippe Mateta schlossen sich ihrem Landsmann Jean-Philippe Gbamin an. Mateta wurde mit acht Millionen Ablöse zum zwischenzeitlichen Rekordtransfer. Und er schickt sich an, die nächste „pactole“ zu werden.
Krumme Dinger drehen? Profi werden!
Mateta ist kein Elite-Absolvent von einer der Talent-Fabriken wie zum Beispiel Mbappé. Wie sein Nationalmannschaftskollege und PSG-Profi Serge Aurier geboren im Pariser Banlieue Sevran, nahm er den konservativen Weg. Straßenfußball statt Schule, Nachbarschaftsvereine statt Jugendakademie. „Ich stecke meinen Weg lieber selber ab, als das die Akademien machen zu lassen. Ich bin Zuhause geblieben, bis ich 16 war, dann habe ich gesagt: Jetzt ist die Zeit gekommen“, sagte er dem „Kicker“. „Während meine Freunde krumme Dinger drehten, habe ich mich auf meinen Kindheitstraum konzentriert. Fußballprofi werden.“
2015 realisiert er diesen Traum mit seinem Debüt in der dritten französischen Liga für LB Châteauroux, dem Jugendverein von Florent Malouda. Ein Jahr später geht er als Rekordtransfer der „Nationale“ zu Olympique Lyon, wo er sich nicht durchsetzen kann, aber für die französische U19 nominiert wird. Es folgt eine Leihe nach Le Havre, Mateta trifft 17 Mal in 35 Partien, sieht in der Relegation nach zwei Toren die rote Karte und muss mit ansehen, wie seine Kollegen in der Verlängerung den Aufstieg verspielen. Dann ist Schröder zur Stelle.
Mit 20 Jahren misst der Sohn eines kongolesischen Vaters 1,92 Meter. „Brecher“ ist wohl die treffendste Bezeichnung für ihn, dicht gefolgt von „Wandschrank“. Unter Sandro Schwarz ist er in Mainz quasi gesetzt, bislang hat er vier Mal getroffen und ein Tor vorgelegt. Bei 43 Torschüssen ist die Quote allerdings ausbaufähig. Dafür gewinnt er 46 Prozent seiner Zweikämpfe und fast jedes Kopfballduell, wirft sich mit allem, was er hat, in den Gegner, zieht regelmäßig drei Spieler gleichzeitig auf sich und behauptet dennoch den Ball.
Dass er trotzdem noch viel zu lernen hat, weiß auch sein Trainer. „Er hat eine gute Präsenz und Technik“, sagt Schwarz. „Aber er ist noch ganz am Anfang seiner Entwicklung.“ Manchmal bleibt er zu lange am Ball, scheint die Abseitsregel zu vergessen oder ist etwas zu verspielt. „Er muss weiter an sich arbeiten“, findet auch sein Kollege Gaetan Bussman, der so etwas wie ein großer Bruder für ihn ist. Aber Mainz 05 ist eben kein Klub, der einen kompletten Stürmer kaufen kann.
Einen Stürmer wie Zlatan Ibrahimovic zum Beispiel. Ein Glück, dass Mateta dem Schweden nicht unähnlich ist. Zumindest behauptet er das von sich selbst: „Ich bin etwa gleich groß wie Zlatan. Und ich spiele einen ähnlichen Stil“, sagte er während der Vorbereitung. Zlataneskes Selbstbewusstsein hat er offensichtlich auch.
Objektiv betrachtet ist der junge Franzose noch lange nicht auf Ibrahimovics Level. Ob er es jemals erreichen wird, ist schwer zu sagen. In Mainz aber versprüht er Hoffnung. Und weckt Erinnerungen. An Adam Szalai, oder, noch ein wenig weiter zurück, Aristide Bancé. Gute Erinnerungen, an Zeiten, in denen Mainz aufregenden Offensivfußball spielte. Als die „Bruchwegboys“ um Szalai die Liga aufmischten oder Bancé gegnerische Abwehrreihen im Alleingang durchpflügte. Zeiten, bevor die Mainzer Offensivtristesse einsetzte. Letztes Jahr schoss 05 an 34 Spieltagen nur 38 Tore. Der letzte, der für Mainz zweistellig traf, war Yunus Malli. Mateta könnte das ändern – wenn er sich auf das wichtige konzentriert.
Hakuna Mateta
„Er ist ein überragender Kerl, aber du musst immer gucken, was der Kamerad veranstaltet“, sagt Schwarz. Es solle aber nicht der Eindruck entstehen, Mateta sei ein „Hallodri“. Ganz unproblematisch war dessen Verhalten in der Vergangenheit aber nicht. In Châteauroux schwänzte er das Training, um seinen Wechsel nach Lyon zu erzwingen. Der jüngste Charaktertest folgte bei der angeblichen Schwalbe im Heimspiel gegen Hannover.
Mateta schwankt immer etwas zwischen Leichtigkeit und Schwermut. „Ich strebe nach dem maximalen Erfolg. Ich bin ein Wettkämpfer, der jede Saison, jeden Tag das Beste rausholen und gewinnen will“, sagte er dem Kicker. „Ich wollte schon immer gewinnen und die Leute zum Lachen bringen.“ Vor dem Tor ist er mal fahrlässig, mal klinisch genau. In der Kabine ist er für die Musik verantwortlich und animiert auf dem Platz nach jeder gelungenen Aktion die Zuschauer, während er im Interview abseits des Feldes Sätze sagt wie: „Wenn ich ein Politiker wäre, würde ich den Leuten helfen, die in den Banlieues leben und nicht so viel Glück im Leben haben.“
Er selbst hat dieses Glück gehabt, hat es sich erarbeitet. Deshalb genießt er einfach den Moment. Solange die Sorgen fernbleiben. Das wiederum heißt auf französisch wahrscheinlich „Hakuna Mateta“.